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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0300
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7198

® Zum Parteitag, cs?

Gerüftet tritt das rote Heer

vor euch, ihr führer, hin:

blank ist der 5chiid und scharf die wehr

Und kampfesfroh der Sinn.

Und täglich wuchs und wachst die Zahl,
Mngs ist das Volk erwacht -
Nun muttert es zum letzten Wal
Hm Hbend vor der Schlacht!

Und steht ihm bei mit weisem Rat
Und schlichtet Streit und Groll,

Und steckt das Ziel und weist den Pfad,
ven es marschieren soll!

Hein ist sein Schild, scharf seine wehr
Und kampfesfroh sein Wut:

So steht vor euch das rote Heer —
ihr führer, führt es gut!

Meldungen der „Meli am blauen Montag."

Deutschland empfing als Kompensation für Marokko von
Frankreich die Sahara. Die deutsche Negierung hofft nun
Sand genug zu haben, den sie den deutschen Wählern in die
Augen streuen kann. *

Anläßlich des „Manna Lisa"-Naubes machte die Stadt
verlin die preußische Nunstverwaltung darauf aufmerksam,
daß sich im Tiergarten 150 Denkmäler befinden, die ihr
„gestohlen werden können".

Papst Pius verklagte das preußische Spruchkollegium der
evangelischen Kirche wegen unlauteren Wettbewerbs.

Ein Reserveoffizier wurde aus dem preußischen Offiziers-
korps ausgestoßen, weil er mitten im Kaisermanöver (!)
morgens mit dem linken Fuß aufgestanden ist.

waMurm.

„lofet, roas ist das für ein Wesen r

wie mögen vor Pfaff und Hdel nit genesen!"

(lofung des „Bundschuh" im BauernHricfl.)

Wohl habt ihr recht, wenn ihr besorgt
Rach allen Winden Ausschau haltet
Aus jedes Laubes Rascheln horcht
Und resigniert die Hände faltet.

Schon glaubt ihr deutlich zu vernehmen
Lin heimlich Knistern roter Flammen,
Durch goldne Säle irrt ein Schemen —

Ls zieht ein Wetter sich zusammen.

Ls türmet rings am Hornont
Sich auf von dunkeln Wolkenmassen.

Ihr habt euch lang genug gesonnt,

Run wollen wir's mal wettern lassen!

Zn seine Winkel flieht der Wurm
Und harrt dem Wetterschlag entgegen;
Schon ahnt das Land den nahen Sturm —
Die dürre Lrde lechzt nach Regen.

D brich, du grollend Wetter, los!

D zucke, zünde, roter Strahl!

Und wirf mit einem raschen Stoß
Zu Boden unsrer Knechtschaft Mal!

Lin ganzes Volk erwartet dein,

Will von dir Lösung seiner Banden;

Lin Zornessturm nur kann's befrei'n,
Drum ist's zum Sturme ausgestanden!

Ihr saßet lange an der Macht
Und habt geplündert und geschunden?

Und habt an's Lnde nicht gedacht!

Run ist euch, traun, der Mut entschwunden?
Wir aber steh'n zum Sturm bereit
Und schüren der Empörung Flammen:
Glück auf! Glück auf, du junge Zeit!

Ls zieht ein Wetter sich zusammen. A.winnig.

Jena.

DerOrtdesdiesjährigensozialdemokratischen
Parteitags ist eine kleine, aber außerordentlich
gescheite Stadt: auf jo fünf Einwohner kommt
immer ein Professor.

Jena liegt am linken Ufer der weder schiff-
baren noch trinkbaren Saale und ist in weiteren
Kreisen bekannt geivorden durch seine Uni-
versität und durch den Besuch, den Napoleon I.
vor 108 Jahren seiner an Naturschönheiten
reichen Umgegend abgestattet hat.

Aus der Geschichte der Jenenser Univ ersi-
tät ist zu erwähnen, daß sie um die Wende
des 18. und 19. Jahrhunderts unter der Lei-
tung eines gewissen Goethe stand, der partout
nicht an Gott glauben wollte und dessen ver-
derblicher Einfluß das Institut schließlich so
herunterbrachte, daß die preußische Regierung,
die schon damals von überaus gebildeten, in-
telligenten und weitblickenden Männern ge-
führt wurde, sich genötigt sah, ihren Unter-
tanen den Besuch der Akademie bei strenger
Strafe zu verbieten. Allmählich ist dann die
Jenenser Hochschule von Stufe zu Stufe weiter
gesunken und in unseren Tagen tauchte unter
ihren Lehrern ein Mensch namens Hackel auf,
der die ruchlose Behauptung auszusprechen
wagte, der Mensch — auch die allerhöchsten
Herrschaften nicht ausgenommen — stamme
vom Affen ab. Wir sind überzeugt, daß die
preußische Regierung, sobald sie von diesen
Dingen Kenntnis genommen hat, das frühere,
inzwischen in Vergessenheit geratene Verbot
unverzüglich erneuern wird.

Am 14. Oktober 1806 gab sich in der Um-
gegend von Jena Napoleon I. mit den preu-
ßischen Junkern ein Rendezvous im Grünen.
Leider bekamen die Edelsten der preußischen
Nation dabei so rasch kalte Füße, daß sie schon
nach kurzer Zeit auf ein weiteres Beisammen-
seinverzichteten und in etwas übertriebener Eile
aufbrachen. Die außerordentliche Geschwindig-
keit, die die Arnims, Belows, Bülows, Zitze-
witze und Schnodderitze bei dieser Gelegenheit
entwickelten, soll Napoleons staunende Bewun-
derung erregt haben. „Der preußische Adel"
— so äußerte er sich zu einem seiner Gene-
räle — „mag geistig recht schwerfällig sei», in
seinen Beinen aber besitzt er eine Regsamkeit,
um die ihn jedes andere Volk beneiden könnte!"

Das Erdreich, auf dein die Stadt Jena er-
baut ist, zeichnet sich durch seinen reichen Ge-
halt an rotem Mergel aus. Leider ist es
aber dem politischen Ackerbau trotz aller An-
strengungen bisher noch nicht gelungen, diesen
roten Mergel fruchtbar zu machen. Seine Pro-

dukte — bald Baffer-, bald Lehmann genannt —
haben sich durchiveg als völlig ungenießbar
und absolut wertlos erwiesen. Es steht aber
zu hoffen, daß schon die nächste Ernte ein der
Bedeutung des roten Mergels entsprechendes
Resultat zeitigen wird.

Die Stadt selbst ist sehr schön. Was beim
Durchwandern der Straßen sogleich ins Auge
fällt, sind die überaus zahlreichen, an den
Häusern angebrachten Gedenktafeln, die
dem Fremden anzeigen, daß sich an der Stelle
irgend ein ums Vaterland verdienter Mann
längere oder kürzere Zeit aufgehalten hat.
Wie wir hören, hat die Jenenser Stadtver-
waltung bereits den Beschluß gefaßt, auch alle
die Häuser, in denen sich während des Partei-
tags Berliner Polizeispitzel einlogiert haben,
durch solche Tafeln der Gegenwart und Nach-
welt kenntlich zu machen.

Ebenso anmutig wie die Stadt Jena ist ihre
Umgebung. Die Delegierten, und zwar die An-
gehörige» aller Richtungen innerhalb der Partei,
werden sich in dieser reizvollen und abwechse-
lungsreichen Natur wohlfühlen. Den milden
Revisionisten wird das benachbarte Paradies
mit seinem lächelnden Frieden ein angenehmer
Aufenthalt sein, während die tatkräftigen Radi-
kalen lieber nach Ziegenhain pilgern dürf-
ten, wo die weltberühmten Knüppel geschnitten
werden. Den diplomatischen Schlaumeiern aber,
die sich weder z>r der einen noch zu der an-
deren Richtung offen bekennen wollen, bietet
der Fuchsturm eine passende Unterkunft.

Wie die Verhandlungen des Parteitags ver-
laufen werden, läßt sich heute natürlich noch
nicht Voraussagen. Jedenfalls aber darf man
wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß das
Jeira von 1911 in seinen Wirkungen auf die
ostelbischen Junker hinter dem Jena von 1806
nicht Zurückbleiben wird. Tobias.

Epigramme.

Ein blindes Schwein vor seinem Stall
Durch Zufall eine Eichel fand:

So kommt man vorwärts, grunzt es laut,
Durch Fleiß, durch Eifer und Verstand.

Was doch Papier für Wunder tut:

Ein Läuflein brauner Lappen
Macht Dumme klug und Schlechte gut
And adelt den Esel zum Rappen.

Die Liebe und die Drahtseilbahn
Sind völlig einerlei.

Reißt hier der Draht, reißt dort der Draht:
Mit beiden ist's vorbei. L.Wtesenkhal.
 
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