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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0380
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7278 —-

Erkling', blauschwarze Leier,

In Klagemelodien:

Die Würfel sind gefallen
Und fest steht der Termin!

Mt jedem Tag rückt näher
lind näher die Gefahr
Und furchtbar wird derUladd'radatsch
Am zwölften Januar!

was ich an Schwindeleien
Und Lügen auch ersann:

Auf den blauschwarzen Köder
Beißt heute nichts mehr an;

Die Rille meiner Sünden
ward jedem offenbar,

Und alles zahlt man mir jetzt heim
Am zwölften Januar.

Zwar stehen mir wie immer,

Mt besten Kräften bei
Gehorsam meinem Winke,
Landrat und Polizei,

Auch wühlt für uns man munter
In Stola und Talar —

Doch sürcht'ich, alles hilft mir nichts
Am zwölften Januar.

wohin ich flehend sende
Die Blicke nah und fern:

Den heiligen und Rittern
Erscheint kein L;offnungsstern,

Und näher rückt und näher
Tagtäglich die Gefahr
Und furchtbar wird der Uladdradatfch
Am zwölften Januar! voms.

Heqdebrands Jammer, t®

Ich blicke auf den Kanzler,

Es überläuft mich kalt:

Sogar die Wahlparole
Fehlt diesem Theobald!

Auf seiner Denkerstirne
Sträubt sich das graue Haar:

O heil'ger Geist, kehr' bei ihm ein
Am zwölften Januar!

Vlitzdrahtnachrichten.

— Amtlich wird bekannt gemacht, daß die Teuerung ledig-
lich ein von der Sozialdemokratie zu agitatorischen Zwecken
erfundener Schwindel ist.

— Der Kolonialminister v. Lindequist ging, weil Herr
v. Kiderlen-Wächter allein die Ehre haben wollte, dem
Reichstag für das Marokko-Abenteuer Rede und Antwort
zu stehen.

— Der Nordpolentdecker Cook hat in Berlin den Auftrag
erhalten, gegen ein fürstliches Honorar die von den Landräten
zu verbreitenden amtlichen Flugblätter überden eingebildeten
Notstand zu entwerfen.

— Italien stieß zu seiner eigenen Verblüffung auf den
rätselhaften Mann im Halbmonde und bekam von ihm eine
Reihe von übernatürlichen Backpfeifen.

— Zum Tröste dafür wird aus Tripolis ein glänzender
Sieg des eingeführten italienischen Ungeziefers über das ein-
heimische gemeldet.

— Die italienische Verwaltung hat bereits mit einer Art
von Volkszählung begonnen, indem sie jeden zehnten Araber
gewissenhaft erschießen läßt.

— Amtlich verlautet aus Rom, daß Tripolis wegen der
hineinzusteckenden nationalen Milliarde in „Sparbüchse Ita-
liens" umgetauft werden soll.

Die Parole.

Gottgewollte Teuerungen
Als Parole??

Auf ihr Allen! Auf, ihr Jungen!
Mischt die Siegesbowlel

Und vergeht mir nicht das rote
Traubenblut!

Hört, es seufzt der Patriot:

„Ra, das Ding wird gut!«

Mischt sie gut und rührt sie tüchtig —
Sparet nicht!

jauchzt: den Drohnen naht nun richtig
Ihr verdient' Gericht.

Lange hat daraus gelauert
Diese Brut.

Ach, es hat ja lang gedauert —

Doch nun wird's auch gut!

Wach wird nun mit einem Schlage
West und Dst,

Rord und Süden. Ra, ich sage
Weiter nichts als: prost! r.t.

Sein Pech.

Der alternde Reichstag stand vor dem Hanptloch
zum Fuchsbau der Reichsregierung und sah mit
großer Verwunderung den Fuchs Delbrück hinten
durch einen Notausgang entwischen, über dem ge-
schrieben stand: „DieHandhabung des Reichsvereins-
gesetzes ist eine Angelegenheit der Einzclstaaten!"

Aber der alternde Reichstag hatte trotzdem immer
noch Hoffnung. Denn jetzt wartete er sehnsüchtig
aus das Erscheinen des zweiten Fuchses Kiderlen-
Wächter mit dem Marokko-Kongo-Vertrage.

Und da sah er plötzlich auch diesen durch einen
zweiten Notausgang abrutschen. Ueber diesem aber
stand geschrieben: „Staatsverträge über die Abtre-
tung oder den Erwerb von Kolonialbesitz bedürfen
nicht der Genehmigung durch den Reichstag!"

Da fluchte der alternde Reichstag wie ein Ober-
förster, ging nach Hause, legte sich mit gerechter
Empörung ins Bett und — schlief ein. t.

Staatsmännische Beklemmungen.

/VA'riat,

„Ich glaube, meine Tage sind gezählt! Erst war's
mir schwarz und blau vor den Augen, — nun sehe ich
alles rot!"

Die Enthüllungen.

Auch in Straßburg wollte das Zentrum sich bei de»
elsaß-lothringtschen Wahlen heimlich mit der Sozial-
demokratie verbünden.

Es, es, es und es.

Es ist ein harter Schluß,

Daß man jetzt Narb' auf Narbe
Davonträgt und die Farbe
Allzeit bekennen muß!

Wir, wir, wir und wir.

Wir hatten brav gewühlt;

So wohl war uns im Dunkeln,

Nun hat man bei dem Munkeln
Uns böse mitgespielt.

Der, der, der und der.

Der böse Rote ist

Doch gar zu sehr verpöbelt.

Vom Wahrheitswahn umnebelt —

's ist halt kein schwarzer Christ!

Das, das, däs und das.

Das Mogeln ist vorbei.

Kein Biegen gibt's, kein Lügen —

Wer findet nun Vergnügen
Noch an der Wählerei.

Ach, ach, ach und ach.

Uns quält das Sonnenlicht.

Es quälte uns zu aller Frist:

Denn was ein schwarzer Maulwurf ist.
Verträgt die Sonne nicht. P.«.

Verbesserungen.

Ein preußischer Abgeordneter sagte auf dem Kon-
servativen Parteitage in Breslau: „Wir haben keine
Teuerung, sondern nur eine Preissteigerung!"

Es kommt also nur darauf an, für alles den
richtigen Ausdruck zu finden. So haben wir zum
Beispiel auch:

Keine Raubritter, sondern Agrarier,

keine Wahlbceinflussung, sondern Landräte,

keinen Hunger, sondern Magenleere,

keinen Gewissenszwang, sondern Pregprozesse,

keine Armut, sondern Powertch,

keine Hetzer, sondern Reichsverbandsagitatoren,

keine Nebenregierung, sondern — Heydebrand.
 
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