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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0426
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— 7324

— konstatiert sind, die Genehmigung unter keinen
»Anständen erteilt werden können. Während der kalten
Jahreszeit ist die Abhaltung von sozialdemokratischen
Versammlungen in Räumen ohne heizbaren Ofen
aus hygienischen Gründen zu verbieten. Wo sich
dagegen Oefen vorfindcn, wird die Genehmigung
wegen Feuersgefahr versagt.

Sozialdemokratische Versammlungen unter
freiem Himmel, die nach § 7 der Erlaubnis der
Polizeibehörde unbedingt bedürfen, werden nach
pflichtmäßigem amtlichem Ermessen in jedem Falle
verboten, da hier das Zusammenströmen großer
Bolksmassen als wahrscheinlich angenommen wer-
den muß — ein Fall, der bei konservativen oder
liberalen Versammlungen nicht einzutreten pflegt.

Es ist verboten, in einer öffentlichen Versammlung
bewaffnet zu erscheinen. Als „Waffe" im Sinne
des Vereinsgesetzcs sind von dem überwachenden
Beamten nicht nur Spazierstöcke und Regenschirme,
sondern auch Hausschlüssel, Bleistifte und Zahn-
stocher anzusehen. Als „Feuerwaffe" gelten insbe-
sondere auch Zigarren und Streichhölzer. Befinden
sich in einer sozialdemokratische» Versammlung Teil-
nehmer, die derartige Gegenstände bei sich führen,
so ist die Abhaltung der Versammlung nach Z 11
des Vereinsgesetzes unbedingt zu verhindern. Keine
Anwendung findet dieser Paragraph auf Personen!
die „vermöge öffentlichen Berufs zum Waffentragen
berechtigt" sind. Dazu gehören Lockspitzel, Streik-
brecher und andere Siebenmonatskinder.

Der § 12 schreibt bekanntlich vor, daß „die Ver-
handlungen in öffentlichen Versammlungen in
deutscher Sprache zu führen" sind. Demgemäß
wird die Sicherheitsbehörde strikte darauf achten,
daß von den sozialdemokratischen Rednern fremd-
sprachige Ausdrücke wie „Revolution", „Republik",
„Jnternationalität", „Proletariat", „Solidarität"
usw. nicht gebraucht werden. Geschieht dies de»
noch, so ist die Versammlung sofort aufzulöseu.

Personen, die das achtzehnte Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, dürfen nach § 17 dis
Vcreinsgesetzes in öffentlichen politischen Versamm-
lungen nicht anwesend sein. Um das Alter zwcisels-
frei feststellen zu können, wird der Vertreter der
Polizeibehörde von jedem Teilnehmer einer sozial-
demokratischen Versammlung den Taus- oder Ge-
burtsschein verlangen und den Beginn der Versamm-
lung nicht eher gestatten, als bis diesem Verlangen
von jedem einzelnen entsprochen worden ist.

Wir zweifeln nicht daran, daß cs unseren rechts-
kundigen Beamten gelingen wird, dem liberalen
Reichsvereinsgesctz noch zahlreiche andere Handhabe»
abzugewinnen, mit deren Hilfe sich sozialdemokra-
tische Wahlversammlungen wirksam verhindern lassen.
Und wenn auch bei der verhetzten und argwöhni-
schen Bevölkerung der Großstädte derartige Maß-
nahmen wenig fruchten dürsten, so können doch in
dem stillen Frieden ländlicher Gegenden auf diesem
Wege schöne nationale Erfolge erzielt werden.

, , Justinian.

Was schenke ich zu Weihnachten?

Der Dickhäuter und seine Dresseure.

„Ich habe zwar eine schreckliche Angst vor Mäusen,
geziefer, — aber einmal trample ich doch zu!"

-o

Hyänen des Schlachtfeldes.

Noch tobt der Kamps ums fremde Land
Und noch ist nichts erobert —

Da kommt auch schon das Kapital,

Das nach Profiten schnobert.

Es einen innig sich zum Bund
Die Börsen und die Banken —
Äeißlüstern sind sie nach dem Grund,

Auf dem die Tapfer» sanken.

Den Boden, der mit Blut gedüngt.

Den wollen sie verschachern —

Das ist die übliche Moral
Bei den Geschäftemachern.

Der Arme mag fürs Vaterland,

Das ihn verleugnet, sterbe» —

Der Reiche geht auf „Leichenraub"

Und setzt sich frech zum Erben. Kl.

Vorschläge zur Verhinderung sozial-
demokratischer Wahlversammlungen.

Es ist nicht zu leugnen, daß sich die staatserhal-
tenden Parteien angesichts der Reichstagswahlen in
peinlicher Lage befinden. Die rote Flut droht alle

Ratten und anderem kleinen An-

gutgefinntcn Elemente zu verschlingen. Trotzdem er-
scheint die Situation noch nicht ganz verzweifelt,
wenn die staatlichen und kommunalen Sicherheits-
bchörden in dem gegenwärtigen Wahlkatnpf allent-
halben das richtige Verständnis für ihre Pflichten
bekunden. Mit den sogenannten geistigen Waffen wird
sich freilich nicht viel ausrichten lassen, und die amt-
lichen Aufklärungen, die die preußischen Landräte ihren
Untertanen zukommen lassen sollen, dürften auf die
irregeleiteten Volksmassen auch nur einen bescheidenen
Eindruck ausllben. Wo die Roten erst einmal ihre
Agitation entfaltet haben, da ist die Behörde in der
Regel machtlos. Daher ist es notwendig, die rote
Agitation selber von vornherein unmöglich zu machen,
und für diesen Zweck bietet das neue liberale Reichs-
vereinsgesctz überaus wertvolle Hilfsmittel, da sich
durch eine weitblickende Handhabung des Gesetzes
die Abhaltung aller sozialdemokratischer Wahlver-
sammlungen glatt verhindern läßt
Um die im § 1 des Vereinsgesetzcs erwähnte „Ver-
hütung unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesund-
heit der Teilnehmer" garantieren zu können, wird
ein strebsamer Polizeichcf streng darauf achten, daß
sozialdemokratischeBcrsammlungen wegen der drohen-
den Erkältungsgefahr nur bei gutem Wetter
stattsindcn. Regen, Wind, Schnee, Hagel, Wärme
oder Kälte müssen als zwingende Gründe gelten, um
die Abhaltung einer Versammlung zu verhindern.
Ebenso wird in Zeiten und Gegenden, ivo Fälle von
ansteckenden Krankheiten—Influenza, Schnupfen,
Durchfall, Syphilis, Maul- und Klauenseuche usw.

Hellen Jubel

erregt bei jeder Regierung ein Regiment

Sozialdemokraten.

Hoffnungslose Kandidaten des Schnapsblocks
, werden wieder mutig gemacht durch den Besitz
' einer handfesten

Wünschelrute,

mit der sie den berühmten Hund hinterm Ofen
hcrvorlockcn und ihn zwingen können, ein Stück
Brot von ihnen zu nehmen.

Für Lehrer und Anterbeamte

die sich von ihrem schädlichen Aberglauben an das
Gespenst der Teuerung und Notlage kurieren wol-
len, gibt es ein wirksames Heilmittel in der geisti-
gen Ablenkung durch die Beschäftigung mit einem

nationalliberalen Luftschlösserbaukasten

Das Entzücken aller Monarchen bildet gerade
in den heutigen Zeitläuften garantiert festsitzende

patentierte Erdbebenkrone.

Italien

kennt kein schöneres Weihnachtsgeschenk als
kugelsichere Panzer
für den bedrohten Hintern seiner Armee!
 
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