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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0006
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— 7334

-K) Neujahr. Ä-

Oewöhnlich schlägt mit froher'm Schlag
Vas Menschenherr am Neujahrstag,
fett hottend, daß auf clleser Erde
Nun enclllch alles Heller werde,
jedoch in gegenwärt'ger Zeit
herrscht keine rechte Freudigkeit:
Mißmutig schau'n rur jahreswende
Insonderheit die höhern Stände.

Irübllnnig fitzt der fuselbloch
Beim heurigen Silvestergrog:

Das Volk, das er so lleitzig sd)or,
vem er das feil rog über's Ohr,
ver Michel, ruchlos aufgehetrt,
hat plötrlich sich rur Mehr gefetzt.
So daß ihn Pfaff’ und Edelmann
Nur noch mit Mühe schinden kann.

fluch in der hohen Reichskanzlei
Ist man nicht gänzlich sorgenfrei:

Man fragt sich dumpf, wie lang es währt,
Bis hier ein neuer Beten kehrt,

Und wann die bange Stunde schlägt,

Mo jählings man hinweggetegt,

Und kommt ru der Erkenntnis dann,
vatz es nicht lang mehr dauern kann.

verdrießlich blicht ins neue jahr
Ein todesmutiger Husar:

Zu kriegerischer Tätigkeit
Lag schon das Opernglas bereit,
ver Lorbeer winkt' ganz nahe schon,
Da traf sein Ohr der Donnerton:
Schweig', Heldenseele, und Verzicht',
Denn, ach, Papa erlaubt es nicht!

Zufrieden scheint im vaterlande
flllein die rote Palleibande;

Mo alles rings im argen liegt.

Ist sie getrost und quietschvergnügt,
von Hoffnung ist ihr Herz erfüllt.
Denn stehe: unaufhaltsam quillt
Bus nationalem Mist empor
Pingsum ihr roter Blütenflor!

fllex.

China und wir.

.Ein kaiserliches Edikt gestattet jetzt das Abschneiden
der Zöpfe." Meldung aus Peking.

Nun also! So fällt am Ende ein Ding,

Das viele hundert Jahre hing
Und nach der Mandarinen Wollen
Wohl ewig hätte hängen sollen.

Die gnädige Dynastie der Mandschu
Verzichtete plötzlich auf Zopf und Kantschu.
Der Mandschu sagte: Lieber den Zopf
Abgesäbelt als unseren Kopf....

Ja, allerdings — das passierte weit östlich.
Erscheint doch aber für uns auch tröstlich.
Wenn man bedenkt, daß im deutschen Land
Auch mancher den Zopf schon veraltet fand.

Man braucht ja nicht mit dem Säbel zu dröhn:
Eine richtig gefüllte Urne schon
Kann hierzulande uns trefflich dienen.

Zu warnen die zopfigen Mandarinen.

Der S t i m m z e t t e l sei uns Mess er und Schere,
Sie geben ihnen die heilsame Lehre:

Zopf ab! And erkennet zu rechter Zeit:
Kein Kuhschwanz hält für die Ewigkeit!

Tschang.

® «*)

Prophezeiungen für das Zahr 1912.

Der Eintritt des neuen Jahres verzögert sich in
Deutschland, da es noch erst eine Lustbarkeitssteuer
zu zahlen hat.

Am 12. Januar entsteht ein allgemeines großes
Erdbeben, das den schwarzblanen Blocksberg umstürzt.

Das Zentrum erweist der konservativen Partei den
letzten Liebesdienst und gibt ihr die Sterbesakramente.

Die sozialdeinokratische Fraktion wird durch Reden
von oben auch weiterhin niedergeritten.

Da nur noch Frömmigkeit helfen kann, wird das-
Kullnsministerium vollends der Bibelgesellschaft ein-
geräumt. Die Reichsdruckerei druckt statt der Bank-
noten nur noch Traktätchen.

Jagow ordnet an, daß bei dem schlechten Wcttec
die Hunde Gummischuhe zu tragen haben. Roll-
möpse sind ausgenommen.

Pins kriegt zu Fasching den medizinischen Nobel-
preis für wohltätige Erregung der europäischen Lach-
muskcln durch seine Motupropriochen.

Die bessere Berliner Gesellschaft rebelliert nun
auch gegen die Teuerung. Denn die Carusobillets
werden unerschwinglich.

Bergwcrkskatastrophen ereignen sich, verlaufen aber
glücklich, da sämtliche Aktionäre gerettet werden.

Statt des Reichsadlers wird die Tsetsefliege zum
deutschen Wappentier ernannt.

Unter den Exmonarchen in London und Paris
bricht eine Hungersnot ans, da sie nicht rechtzeitig
genug Engagements mit Varietöbühnen abgeschlossen
haben.

Zur Durchsührung des Schiffahrtsabgabengesetzes
werden Polizeiseehunde abgerichtet.

Aus Tripolis kommt die Nachricht, daß zwar die
italienischen Stiefel vom vielen Zurückgehen verloren
gegangen sind, daß aber Wichse reichlich vorhanden ist.

Zeppelin entdeckt den Südpol und führt so unsere
Patrioten herrlichen Zielen entgegen.

Abdul Hamids letzte Diamanten sind verkloppt.
Er kriegt einen Porticrposten an den Dardanellen.

Richard Strauß komponiert eine Jagow-Oper
mit Knüppelmnsik „der rasende Roland von Berlin".
Leider werden Neugierige nicht gewarnt.

Die Monarchen schwören den Eid auf die agra-
rische Verfassung.

Es vergeht eine ganze Woche ohne einen Kava-
liersprozcß. ,

Es lvird ei» interessanter Fall von Größenwahn
entdeckt: ein Preuße bildete sich ein, ein freier Bürger
zu sein.

Da Krupp pleite zu gehen droht, wird Krieg mit
dem übrige» Europa beschlossen.

Dazu werden einige neue Steuern eingeführt,
unter anderen die Enterbungssteuer, die ScheidungS-
steuer, die Abgeordnetenbanderole, die Klystiersteuer.

Ein Landrat löst den Reichstag auf, da in Neu-
tomischel die Maul-und Klauenseuche ausgebrochen ist.

Michel geht in das Trappistenkloster und legt das
Gelübde der Armut ab.

Oldenburg löst mit zehn Mann das Haager Schieds-
gericht auf.

Der Friede wird ans der Grundlage hergestellt,
daß die Mächte — Asien unter sich teilen. England
bekommt China, Rußland Persien, Deutschland er-
hält das Recht, die Briefmarken von Bcludschistan
mit den« Bilde der Germania zu versehen.

Die Alldeutschen feiern Sicgcsfeste.. Kiderlen wird
zum drittgrößten Mann des Jahrhunderts ernannt.

Der Philosoph Bethmann entdeckt den Zweck des
Berliner Zwcckverbandes.

Auf Antrag des Fürstinnenbundes zur Hebung
der Sittlichkeit werden den wilden Männern des
preußischen Wappens die „Hosen des Herrn von
Bredow" angezogcn.

Es wird ein Großgrundbesitzer entdeckt, der seine
Einkünfte der Sleuerkomniission richtig angab.

Die offene Türe in Marolko wird mit Kadiner
Kachcln zugcmauert.

Das Finanzwesen in Rußland wird so verbessert,
daß jetzt nur noch die Großfürsten etwas stehlen
können.

Das italienische Unglück nimmt kein Ende; denn
d'Annnnzio besingt cs noch immer.

Die preußische Regierung veranstaltet eine Expe-
dition zur Auffindung der Reste des Grunewalds.

Im allgemeinen Bölkcrkonzert werden Mißstimmen
vernehmbar; es stellt sich heraus, daß einige Mon-
archen — flöten gingen.

Pius veröffentlicht eine Silvesterenzyklika, wo-
nach wegen der überhandnehmenden Armut am
Silvesterabend überall auf das Wohl der Armen
getrunken werden soll.

Eine schöne Feier.

„Nun, haben Sie viel Wohltätigkeit zu Weih-
nachten geübt, Herr Kommerzienrat?"

„llnd ob! Alle Vorhänge Hab' ich von den
Fenstern nehmen lassen, damit die armen Leute
unsere Feier mit ansehen konnten.

jtaliens üeteranenfiirforge.

Für die Krüppel aus dem tripolttanikchen Feldzüge
hat die italienische Regierung bereits zwei Millionen
Denkmünze» und hunderttausend Leierlasten anferlige»
lassen.
 
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