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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0007
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7335 —

jn der SUvefternacht.

Erich Schilling

Wiemcr: Hilfe, Hilfe! Der Kerl da oben will mir was tun!

^ NobeWSne.rT

\ „Ans Vaterland, ans teure, schließ' dich an!"
Der Redner schmettert stolz in vollen Tönen
Dies Lied, das immer wieder helfen kann,

- Den dummen deutschen Michel zu versöhnen.

Ein Zwischenruf jedoch zerstört den Bann:
„Ihrhabt inal ausnahmsweise nicht gelogen!
Ihr schlosset an das Vaterland euch an
Und — habt es wie ein Vampir ausgesogen!"

Wenn die Redner des Schnapsblocks in
ihren Wahlversammlungen auf den sogenann-
ten „inneren Feind" schimpfen, so meinen, sic
damit in Wirklichkeit nichts anderes als — den
gesunden Menschenverstand!

Nach dem Urteil des Abgeordneten Arning sind vier bis sieben
Millionen Mark zur Bekämpfung der Schlafkrankheit in dem von Frank-
reich übernommenen Kongozipfel nötig. So hoch diese Summe erscheint,
so ist sie im Verhältnis zu den Unsummen, die den deutschen Michel
seine eigene „Schlafkrankheit" bis jetzt gekostet hat, noch sehr niedrig.

Gefährlich ist's, de» Leu zu wecken,

Verderblich ist des Tigers Zahn,

Jedoch der schrecklichste der Schrecken,

Das ist der Mensch — im Weltmachtswahn.

Feuerversicherungsagenten können zurzeit in Ostelbien gute Geschäfte
machen. Dort sind verschiedene Herren, die unter „geflickten Stroh-
dächern" wohnen, sehr in Sorge, daß am 12. Januar 1912 der „rote
Hahn" darauf gesetzt wird. ,

Wenn der Hunger erst mal allgegenwärtig ist, dann ist er auch sehr
bald allwissend und — allmächtig.

» Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Das Motu proprio.

Den Katholiken ist bei Strafe des großen Kirchenbanns
verboten, katholische Geistliche ohne Genehmigung der
kirchlichen Behörde vors Gericht zu ziehen.

Ehrwürdig ist der Priester Tun
Und meistens ohne Fehle —

Doch naht zuweilen Beelzebub
Und spuckt uns in die Seele.

Und eh' der Fromme dann befreit
Sich aus des Teufels Krallen,

Ist er bereits dem Strafgesetz
Mit Laut und Haar verfallen.

Dann schleppen vor das Tribunal
Sie uns, die Gottgeweihten,

Vor dem profanen Volk entblößt
Man unsre Heimlichkeiten,

In weiten Kreisen stürzen ein
Der Ehrfurcht feste Dämme
Und jubelnd sieht die Spötterschar
Den Leil'gen in der Klemme.

Solch Ärgernis hat jetzt ein End'!

Vor dcrerlci Gefahren
Wird uns das Motu proprio
Beschützen und bewahren;

Jetzt darf uns keine ird'sche Macht
In unserm Tun beschränken —

Was man sich alles leisten kann.

Ist gar nicht äuszudenken!

Doch eins vergeht, ihr Brüder, nicht,

Es wird euch trefflich nützen:

Vor Ketzern und vor Juden kann
Uns Pius nicht beschützen.

Drum achtet drauf, was ich euch sag'.
Befolgt den Rat, den weisen, —

Und sucht euch eure Opfer stets
I n g u tka th ol'sch en Krei sen! Lehman».

Ostelbische Sprichwörter.

Morgenstunde hat Flüche im Munde.

Aller Anfang ist ein Sack voll Kartoffeln.

Der Inspektor läßt das Spionieren nicht.

Frisch gewagt ist halb verprügelt.

Ohne Fleiß kein Schweiß.

Die Wege des Gutsherrn sind wunderbar, aber
man darf darüber nicht reden.

Ein kräftiger Wille kann Misthaufen versetzen.

Wer das Schimpfwort nicht ehrt, ist die Back-
pfeife nicht wert.

Saufen macht selig!

Wo feiern Sie Silvester?

Schnapsblockbrüder,

die sich in der politischen Falschmünzerei vervollkomm-
nen wollen, finden

in Plötzensee

die beste Gelegenheit zur Kussprache mit Fachleuten
über die Theorie des

Bleigießens.

überfülltcstes Silvesterlvkal! aufmerksamste Bedienung!

Lieber Jacob!

Ick winsche Dir 'n recht jesejentes neies Jahr!
Ville Jlick bei Deine Leser, ville Verjniejen mit
de Pollezei un de Staatsanwaltschaft un vor
allen Dingen ville Pinke! Jn den letzteren
Punkt war bet verfangene Jahr nich sym-
pathisch. Der Dalles kniff eenen zu eklig, un
leider hat sich dadrin bis heite noch nischt je-
ändert. Wen ick ooch frage, keen Mensch hat
'n Fennig. Um so anjenehmer hat et mir be-
riehrt, wie ick in de Zeitung de Rede des
Reichsschatzsekretärs Wermuth jelesen habe, der
nach seine Versicherungen jeradezu im Jolde

plantschen muß. Un zwar scheint diese jlanz-
volle Lage janz plötzlich ieber de Reichssinanzen
rinjebrochen zu sind. Denn vor wenije Monate
war da noch janischt von zu riechen. Wie de
armen Tabaksarbeeter sollten unterstitzt werden,
hieß et: wirsin mächtig klamm un können ooch
nich eenen eenzigsten lausigen Sechser 'raus-
ricken. Inzwischen muß der tichtige Mann also
woll, wie der Volksmund det nennt, 'n Juden
dotjeschlagen oder uff 'ne sonstije iebernatier-
liche Art Kies in de Molle jekriegthaben. Anderst
kann ick mir det protzige Ufftreten nich erklären.
Oder sollte det Janze am Ende man bloß Re-
nommasche jewesen sind? Et kann leicht sind,
det Wermuth nach de Wahlen noch mal je-
nauer nachzählen tut un denn zu sein Bedauern
feststellen muß, det er sich leider verrechnet je-
habt hat. Det kommt vor, un et is jut un weise,
wenn wir uns schon jetz uff alle Fälle inrichten.
Jedenfalls habe ick keene Lust, mir heite noch
ieber det dem Kopp zu zerbrechen, wat in de
letzten Reichstagssitznngen jequatscht un jemeent
worden is. De Bude is ja nu Jott sei Dank
jeschlossen un de blauschwarzen Zungendrescher,
die fimf Jahre lang ihren Mostrich verzappt
haben, sind zu Muttern heimjekehrt, wo se nu
von ihre Heldentaten erzählen kennen. Et war
ohne Frage de feinste Jesellschaft, die wir je-
mals in'n deitschet Parlament zusammen je-
sehen haben. Am besten haben mir noch die
Brieder jefallen, die in de janze lange Zeit
ooch nich een eenzigstes Mal 'ne Lippe riskiert
haben. Mein Freind Edeward schlug neilich
vor, det diese enthaltsamen Parlamentarier
zur Belohnung dafor, det se immer so scheen
stille jewesen sind, von ihre dankbaren Wähler
'ne Stillprämie bekommen sollten. Leider wurde
er wejen diesen Witz aus de Destille, wo er
ihm vortrug, 'rausjeschmissen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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