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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0014
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7342 .

„Sind Sie auch für eine SammkungSpoliiik, Herr

Meier?"

„Nee, ick Hab' erst jestern eenen 'rausjeschmissen, der
sammeln wollte."

Lerrn Kommerzienrat Sammel-
meiers Kandidatenrede.

Meine hochverehrten Herren Mitbürger und
Wähler!

Nachdem mir das ^Komitee der vereinigten
staatserhaltenden Parteien zur Bekämpfung des
Umsturzes" den ehrenvollen Auftrag erteilt hat,
mich Ihnen als gemeinsamen Kandidaten vor-
zustellen, gestatte ich mir voranszuschicken, daß
ich mich seither als solider Geschäftsmann mit
Politik nicht befaßt habe, und fcmiit glaube
ich, mich allen bürgerlichen Parteien als gleich-
mäßig nahestehend empfehlen zu dürfen. <Bravo
allerseits.)

Diesbezüglich glaube ich itpcl) hinzu fügen zu
können, daß ich zivar von jüdischen Eltern
stammend, schon als Jüngling durch Übertritt
znm Katholizismus den Beivcis konfessioneller
Vorurteilslosigkeit bereits erbrachte, diesen noch
dadurch besonders verstärkte, daß ich meine
Kinder der protestantischen Konfession ihrer
Mutter folge» ließ, durch welches Beispiel wei-
testgehender Toleranz meine Kandidatur allen
rechtgläubigen und freidenkcnden Männern
willkommen sein dürfte. (Sehr richtig bei Christin,
Juden und Heiden.)

Demgemäß ivird es mein Bestrebe» sein,
allen Maßnahmen einer hohen Regierung zn-
znslinnnen, die darauf abzielen, dein Volke die
Religion zu erhalten und den edlen Herren
der Kirchen de» ihnen gebührenden Einfluß
auf Schule und Jugenderziehung zu sichern
(Bravo rechts und im Zentrum.), soivie auch alle
Bestrebungen zu fördern, die auf Befreiung
des geistigen Lebens von jeder Bevormundung
nbzielen, wie es das bewährte liberale Ideal
mit Notwendigkeit erfordert, (Bravo links.)

Diesem anschließend, erlaube ich mir in
steuerlicher Hinsicht zu bemerken, daß ich es
mir zur Aufgabe gestellt habe, wie seither
schon als Geschäftsmann so auch fernerhin
als Politiker jeder harten Heranziehung in
geeigneter Weise entgegenzutreten. (Lebhaftes
Bravo auf allen Seiten!) Demgemäß Iverde ich im
Interesse der Minderbemittelten jeden Ver-
such, die Lasten für das Reich durch direkte
progressive Einkommen- und Vermögensteuer
auf die Wohlhabenden abzuwälzen, bekämpfen
in der durchlangjährige Erfahrung gefestigten
Überzeugung, daß nur durch die Schonung der
Interessen des einzelnen das Wohl der Ge-
samtheit wahrhaft gefördert ivird. (Stürmischer,
langandauernder Beifall.)

Und wird es auch ferner meine unablässige
Sorge sein, den leider jetzt herausgebildeten
scharfen wirtschaftlichen Gegensatz zwischen
Stadt uüd Land zu mildern, indem ich, den
weiteren Ausbau eines lückenlosen Schutzzoll-
tarifs für landwirtschaftliche Produkte unter-
stützend (Bravo bei den Agrariern.), mich der Hoff-
nung nicht verschließe, daß es gelingell möge,
dem notwendigen Abbau der Zölle im Inter-
esse der städtische» Konsumentcnschaft die
Wege zu ebnen (Bravo bei den Stadtleuten.) in
in steter Anstrebung des einzig richtigen frei-
händlerischen Ideals: Schutz der nationalen
Arbeit! (Beifall auf allen Seiten.)-

Mich von hier aus dem Schutz und der Er-
weiterung der Volksrechte zuwendend, erlaube
ich mir. Ihnen gefälligst mitzuteilen, daß ich
auch darin nicht versagen werde; wenn es gilt,
ein,modernes, konstitutionelles Regiernngsst)-
stem durch Verstärkung derRechte derKrone und
ihrer Ratgeber zu erkämpfen, so dürfen Sie
sich jederzeit meiner Dienste versichert halten.
(Sehr gut bei Konservativen und Liberalen.)

Den Grundsatz: Gleiches Recht für alle! be-
vorzugend, glaube ich Ihnen die Versicherung
geben z>t dürfen, daß ich demzufolge strenge
gesetzliche Maßnahmen zur Unterdrückung der
umstürzlerischen Bestrebungen der Sozialdemo-
kratie und insbesondere auch verschärfte Straf-
bestimmungen gegen die Geltendmachung des
gesetzlichen Koalitionsrechtes seitens der Arbeit-
nehmer bei Lohnkämpfen begrüßen sowie des
weiteren überhaupt jeder freiheitliche» Ent-
wicklnng im Innern meine Mithilfe nicht ver-
sagen werde. (Bravo allerseits.)

Wie im Kampfe gegen den inneren Feind,
so werde ich mir gestatten, auch im Kainpfe
gegen den äußeren Feind meinen Mann zu
stellen, und iverde ich daher behufs Stärkung
unserer Rüstung zu Wasser, Land inid Luft
einer hohen Regierung jeden Groschen be-
ivilligen, indem ich andererseits zugleich durch
geeignete Abstriche strengste Sparsamkeit nicht
ans dem Auge zu verlieren mich als guter
Geschäftsmann verpflichtet fühle, ivomit ferner
glaube, mich auch als aufrichtigen Freund des
Friedens zu bewähre». Und dürfen Sie so-
nach versichert sein, daß ich in patriotischer
Hinsicht jederzeit der Parole folge» werde:
Recht oder Unrecht, mein Vaterland!.in Ge-
mäßheit des christliche» Grundsatzes: Besser
Unrecht leiden als Unrecht tu»! (Langanhaltender
Beifall rechts, in der Miltr und links.)

Meine hochverehrten Herren Wähler und
Mitbürger! Das sind meine Grundsätze, von
denen ich aus Ihren gefälligen Beifallskund-
gebungen glaube annehmen zu dürfen, daß sie
auch die Ihrigen sind. Begeben wir uns darum
in den gemeinsame» Kampf, verbunden durch
das gleiche hohe Ideal unserer diversen realen
Interessen. Lassen wir die vielfarbigen sturm-
erprobten Banner der vereinigten Parteien im
Winde flattern! Woher er auch wehen möge,
sie werden ihm zu begegnen wissen, und er-
laube ich mir, ergebenst zu schließen mit dem
Linse: Der rechte Mann an den rechten Platz!
(Minutenlanger, stürmifchcr, nicht endemvollendcr Bei-
fall und Hochrufe auf den Herrn Sammelmeier.) ^

„Woaßt'S scho, Girzl, heit auf d'Racht brennt's noch
beim Kranelwirt?"

„Ja, woher ivoastt denn dös?"

„Weil morgen die roten Teifi, die Sozi, a Versammlung
in sein Saal halten möchten, hat der Herr Pfarrer gesagt!"

Überbeizt.

6s haben die schwarzen ßeizer
Die Feuer zu arg gefcßürt;

Nun find am schwarzen Schiffe
Die stelle! explodiert.

wie fehlen es fo unvergänglich,

So ficher und mafkiv —

Nun geht's in den fröimnften Ländern
Der heiligen Sache fchief.

Der wann im Datikane
lft drüber lehr chokiert:

„was will man vom dürren Holze,
wenn das am grünen paliiert?

„Die älteiten, treuelten Töd)ter
entfernen lieh von mir;

Bald lteh' ich verladen und einlam,
ein schwarzer König Lear.

„Und auch im neuen >ahre
wird's — fürchte ich — Heller nicht:
fluch da geht der strug fo lange
Zu Waller, bis er zerbricht!" v.e.

Lieber Wahrer Jacob!

Tic Spießbürger am Stammlisch waren politisch
erhitzt; denn man stand mitten in der Wahlbcwe-
gmig, und hinten im großen Saal hatte eben erst
wieder die Wahlversammlung irgendeiner bürger-
lichen Paltci staltgesnnden.

Den meisten Spektakel machte ein hünenhaft aus-
sehendcr bärbeißiger alter Graubart, linier seinen
buschigen Brauen blitzte ihm der Helle Zorn aus
den Äugen! Er schlug mit der Faust krachend ans
den Tisch und brüllte wütend in die Debatte hinein:
„Wissen Sic was, meine Herren? Ich Hab' mir
jetzt nacheinander den Konservativen, den Zcntrums-
mann und den Nationalliberalen in öffentlicher
Versammlung angehörl! lind ich muß sagen . . .
alle diese drei Kandidaten zusammen und mitein-
ander kann von mir ans der Tenscl holen!"

Ter Slammtisch schwieg betreten. Nur der Apo-
theker, der sowieso im Verdacht stand, auf das
„Berliner Tageblatt" abonniert zu sein, meinte
zögernd: „Demnach wären Sie also so ungesähr
entschieden liberal . . . ?"

Der graubärlige Grobian gncklc den fragenden
Apotheker so mitleidig an, wie ein Hühnerhund sich
einen Asfenpinlschcr auguckt, der auf die Jagd geht.

Dann nahm er bedächtig einen tiefen Schluck
Bier, strich sich den Schaum aus dem Barl und
brummte trocken: „Nee! Aber als Obersörster a. D.
kann ich die Kerls nicht vertragen, die das Lügen
»och besser verstehen, als ich!" T.
 
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