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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0015
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7343 —

•£) Mchelr Erwachen, ca?

Dev Kapitalist: fjier, mein Herr, - für Fortschritt und Nationalreichtum!
Michel:... und Volksausbeutung!

Der Pfaffe: fjier, mein Lohn, — für Gott und feine heilige Kirche!
Michel: .... und Volksverdummung!



"Pr






i

Der Arbeiter: Hier, Kamerad,— für deine eigenen Kechteund Interessen!
Michel: Her den Zettel! Hoch die Sozialdemokratie!

o o o

Stammtischrede
des Metzgermeisters Wurstler.

Mein! Herrn! Neuli Hab i dahoam a mol a rich-
tige Gaudi ghabt. Ta sitz» mir drei, mei Alte und i
und unser Maxl beim Mittagessen, und der Maxl,
der is ganz stad gwesn, während er sonst alleweil
alle möglichen Nciigleitcn ans der Stadt heimbringt.
„Maxl, bist krank?'' sagt mei Alti. „stla", sagt er,
„i bin ganz gsnnd, aber i will jetzt Geistlicher wer»."
Ta is er ganz ernst dabei gwesn, so daß 'n mei
Alti cntscht angschaut und gsagt hat: „Jesus, Maria
und Josef, der Maxl wcrd do net übergschnappt sei?"
„Na, Muatter", sagt er, „cs is schon mei Ernst,
i will Geistlicher wem." „Tu tatst an netten Kop-
ratcr abgebn", sag i. „Baker, dös glaubst bloß",
sagt er. „Siehgst es, mir werd dö Gschicht jetzt
einfach z'dumm. Alleuial, wann i am ersten von
dir dö sechzig Mark Alimenten verlang, dö wo i
zahl« »maß, machst ma Grobheiten. Und wann'st
von mir Schulden zahln mnaßt, machst mir's a.
Jetzt hat aba der Heilige Vater a Schreiben los-
lassn, daß a jeder, der an Geistlichen verklagt, in
d'Höll kommt. Wenn i also a Kopratcr bin, nach-
her bringt si a Madl, dös wo von mir Alimenten
cinklagn tat, um die ewige Sceligkcit. Und oaner,
der mir was pumpt hat und nimmer warten will,
den holt a amol der Teifi! Dös is a so praktisch,
daß i moan, 's is besser, lvan» i mi aur geistlichen
Stand zuawend. Siehgst jetz ei, Muatter, daß i net
übergschnappt bin?"

Wir ham natürli alle drei glacht und i Hab gsagt:
„Paßt's auf, dös bind ma nachher der Resl ans.
daß der Maxl Geistlicher wer» will." Wisscn's, mcini
Herrn, d'Resl is mei Köchin. Dö war frnahcr bei

am Psarra, der wo zu mir verwandt ivar, aber
vor drei Jahr gstorbu is. Sie is furchtbar fromm,
is sogar a dritte Ordcusschwester, dö wo allctveil
an Strick um an Leib Ham, aba kocha tuats famos.
Wia's zum Abräuma vom Gschirr rcikouiina iS.
hat der Maxl 's rcinst Armsimdcrgsicht gmacht und
i Hab gsagt: „Resl, woaßt scho 's Neuste, der Maxl
werd Geistlicher." Jetz hält» Eic's sehgn soll»!
„Is dös wahr?" hal's mit leichtendc Augu grnfn.
„Frcili", sagt der Maxl mit',» ernstesten Gsicht von
der Well. „Na, wia mi dös freit, »a, wia mi dös
freit, Herr Max, dös kann i gar net sagn", hat's
gschria. „Jetz is dös Wunder, um dös i nnsern
Herrgott alleweil bitt Hab, a gschchgn." „Was für
a Wunder?" hamma alle drei gsragt. „O mei, Herr
Wurstler", sagt 's jetzt, „Sic wcru cahna do er-
innern könna, daß, wia der Landtag ansglöst worn
is, glei zwei Tag drauf in der Nacht dös Erdbebn
komma iS. Herr Wurstler, i woaß, lvas i tvoaß,
und mei Schutzengel hat ma alles gsagt. Es gibt
koa größere Sund, als wenn ma am Geistlichen
was antuat. Beim heiligen Zentrum san aba viel
Geistliche. Und als Warnung hat unser Herrgott
dös Erdbeben gschickt und damit sagn wvlln, daß 's
no ganz anders kimmt, wenn dö Siind net wieder
gual gmacht wcrd und d'Lcut viel Sozi, Freimaurer
und Juden wähln. Seitdem Hab i jede Nacht suchzg-
mal bet: Liaba Gott, laß nur d'Wclt net ganz z'grund
gehn, gib mir a Zeichen, daß Di no a mal derbarmst
und dö Siind verzeihst, dö am heiligen Zentrum
begangen worn is. Laß a Wunder gschchgn, liaba
Gott, damit i mi auskenn! Sehgen's, Herr Wurstler,
jetz is dös Wunder da: der Herr Maxl wcrd a
Geistlicher. Na, wia mi düs freit, na, wia mi dös
freit!"

Nachher is cndli mit ’n Gschirr 'uausganga. Aber
meint Herrn, zwischen dem Heiligen Vater und der
Rest is cigcntli gar koa bsonderer Unterschied. Beide
moanen, daß 's a Mordssnnd is, wenn ma an
Geistlichen krumm auschaut. Und von dcra Ansicht
will jetz inci Maxl de» Profit ham!

Dadrauf trink i noch a Maß, Zenzi!

Zeit wird's!

Am Neujahrsmorgen war Bethmann Hollweg
sehr nachdenklich gcstiunnt; schon gegen 8 Uhr früh
stand er in seinem Palais beiui „Eingang für Per-
sonal usw." und bemühte sich rechtschaffen, jedes
Mitglied der Bevölkerung Berlins, das heule in der
Absicht des Gratulierens c>schien, persönlich mit
einem gar leutseligen und zugleich klingenden Hände-
druck zu begrüßen.

Um 9 Uhr früh hatte Bethmann Hollweg bereits
den Milchmann und die Eicbfrau und den jungen
Mann voni „Lokalanzeiger" abgesertigt. Tann kain
eine ganze Weile lang gar pichts. Und dann kam
ein leibhaftiger Schornsteinfeger!

Der Schornsteinfeger wünschte Sr. Exzellenz ein
prostreiches neues Jahr. Sc. Exzellenz tat desgleichen
und erläuterte die graue Theorie durch ein Fünf
inarkstück soivie durch den Hinweis, daß die Zeilen
niomcntan zwar schlecht, die guten Absichten der
Regierung aber über jede» Zweifel erhaben seien.

Der Schornsteinfeger drehte daS Fünimarkstück
sinnend zwischen den Fingern und meinte schließlich
wohlwollend: „Exzellenz, Sic haben das berühmte
Pieußischc Königswort seinerzeit bekanntlich in den
Schornstein geschrieben! Soll ich es Ihnen jetzt end-
lich wieder hcrausscgcn...?"
 
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