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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0022
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— 7350

Der rote Türmer.

Der rote Türmer ltöht ms Dorn:
erwache, Stolz — erwache, Zorn!
Erwache, Dolk aus dumpfer Rul)
Und schlage zu!

O wage nur, zu wollen!

Latz deine Donner rollen —

Und aller Nebel weicht im Du.

Der Türmer gibt das Kampfsignal:
Don Teindeswatten starrt das Tal.
Nun vorwärts, treu der Duttenlehr':
Diel feind, viel ehr'.

Deraus aus deiner Kammer:

Und fei nun einmal „Dämmer"

Denn „Nmbos" bist du nimmermehr!

Und ruht der Kampf, schleif deinen Stahl:

Du brauchst ihn noch ein zweites Mal!

Und schwing ihn, wer auch drüben droht,

fürs heil'ge Rot

Im zornigen Oefechte,

für deine Menschenrechte,

für Weib und Kind und täglich Brot!

Unvorsichtig.

Der minitter Graf Vitzthum Dertpra<t> im KchMchen Candtag
Getetze gegen die Streikenden und zum Schutze der
Arbeitswilligen.

Ropffd)üttelnd und nerblüfft wie nie
letzt die Ruliffen=tT5änner fragen:

Herr Graf, Herr Graf, wie konnten Sie
Dur fo was vor den Wahlen lagen?!

wir lind ja einig in der Sache;

Doch kann ein unnorlichtig Quaffeln
Zerftören die getchickt'ite Mache
Und Sachsens Wahlen uns vermalfeln.

freund hintze könnte irgendwo
Lin paar Krawalle inszenieren,

Dann mühte man mit viel Oho
fln untre „Ordnung" appellieren!

Mit viel Tamtam im handumdrehn
ein fein Gefetzchen. — Und der Pöbel
hat, ehe er sich noch verfehlt,

Dann die Kandare und den Knebel.

Man kann bei uns auf deutscher flur
Vach unten hin verfchiednes wagen —
voch nach der Wahl! wie kann man nur
So etwas vor den Wahlen lagen!

Neue Wetterregeln.

Uräht viederich Hahn auf dem Mist
Seiner Wahlflugblätter,

Ändert sich nicht das Wetter:

Es bleibt stürmisch wie es ist!

will die Sonne im Jänner nicht geizen,
Gedeiht vorzüglich der rote Weizen —

Uber will es regnen und schnei'n,

Negnet's in Junkers Bude hinein-

Vorahnung.

Wähler (jodelnd): Duliöhl Duliöh:
Ordiinngskandidat: Schreien Sic doch nicht
so! DiesesWort erinnert mich immer an — Diarrhöe!

Politisches Echo.

Diplomatenkniffe! (Neue Schiffe!)

Allerweltsmarotten! (Größere Flotten!)

Nationale Ehre! (Stärkere Heere!)

Der Thron ist uns teuer! (Höhere Steuer!)

Christlicher Kampf.

Ein Kaplan forderte die Gläubigen auf, die gegnerischen
Wahlzettel zu verbrennen usw.

Schlagt die frechen Atheisten,

Liebe Brüder, auf den Brägen!

Zielet tüchtig, fromme Christen!

Der Kaplan gibt euch den Segen. -

Denkt an Petrus mit dem Sabel,

Der den Glauben einst verteidigt!

Nehmt zur Land des Mistes Gabel,
Wenn das Zentrum man beleidigt!

Und vor allen Dingen hört
Sie nicht an um Gottes willen!

Nein, ihr müßt sie tiefempört
Niedertrampeln, niederbrüllen!

Zeigt so eures Glaubens Stärke
And der Muskeln allerwegen.

And zu eurem heil'gen Werke

Gibt dann der Kaplan den Segen. P.E.

Der schlechte Tänzer. RlcH. Rosl

„Warum nennst du mich denn immer den National-
liberalen ?"

„Weil du nie weißt, ob es rechtsrum oder linksrum
geht."

Lieber Wahrer Jacob!

Beim letzten Korpsmannöver fungierte General-
leutnant von S. am rechten Flügel der blauen Partei
als Schiedsrichter. Schon waren sich die gegnerischen
Linien auf wirksamste Feuerdistanz nahe, da erspähte
sein Auge einen Bataillonskommandanten, der völlig
ungedeckt aufrecht auf einer kleinen Bodenerhebung
hinter der Sd)ützenkette seiner Truppe stand. Der
General winkte seinem Adjutanten: „Reiten Sie
mal da 'nüber und melden Sie dem Herrn Major,
daß er tot ist."

„Exzellenz, das ist ja Seine Hoheit, der junge
Erbprinz von Windelfingen", wagte der Adjutant
zu bemerken.

„Macht nichts", schnauzte der General, in diesem
Kugelregen müßte selbst ein regierender Fürst be-
reits zu Gänseklein zerschossen sein, wenn er sich
nicht deckt."

Der Adjutant verabfolgte seinem Schlachtroß die
Sporen, flog wie ein von Furien gejagter Telefnnken
durch die Kartofseln und überbrachte snbmissest der
ungedeckten Hoheit die liesbetrübcnde Meldung von
Höchstdero, laut schiedsrichterlicher Entscheidung, so-
eben crsolgtcm Tode.

Der Herr Major horte es, richtete sich stolz auf,
stieß die Spitze seines Schwertes in den Boden und
erwiderte sehr kalt und hohcitsvoll durch die Nase:

„Melden Sie dem Herrn General, ein Windel-
fingen verachtet den Tod!"

lind verharrte weiter, ohne zu zucken, im mörde-
rischen Kugelregen der Platzpatronen. Fr. Hv.

Spione.

Man ist in oberen Regionen,
wo doch — man weih es — allemal
Dur auserlet’ne Menschen wohnen,
wachsweich im Punkte der Moral,
wie kann man bei dem letten Braten
Und unter hellem Becherklang
So gänzlich auher lich geraten
vor gegenfeit'gem freundlchaftsdrang?

Und während sie die tzände reichen
einander ohne groß Genieren,

Läht man des „freundes" Haus beschleichen
Und emliglich dort spionieren.

wir lad)en mit sidelen Sinnen,
kommt ihr uns wieder theatralisch:

Spione drauhen, Spitzel drinnen —
fleh Gott, wie leid ihr doch moralisch!
 
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