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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0038
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7366

Nach der Schlacht.

LrellklirrtedasSchwertergehännner
vom silbernen Morgendämmer
Bis daß der Tag verrann.

Es lachte die wintersonne.

Stolz flog der Sturmkolonne
Das rote Banner voran.

Und mancher reisige Uämpe
verlor die rostige Plempe
Und das Mandat dazu:

Es schützte die Lourage
Nicht vor der Mordsblamage
Und vor der ewigen Ruh.

verfingen keine Schliche,
Antisemiteriche?

Seid ihr nun abgetan?

Lattmann weint teutsche Tränen;
Es klappert mit den Zähnen
Der Doktor Diedrich Hahn.

Und vor den Großstadtportalen
Erleidet Tantalusqualen
Der Liberalen Schar:

Sie merken es verdrossen:

Der Sozi hat verschlossen.

Die Tore auf immerdar!

Nun weiter mit Hellen Fanfaren
Ihr Proletarierscharen,

Bürger und Bauersmann!
Durchkostet die Uampfeswonnen:
Stolz flattert euren Kolonnen
Das siegreiche Banner voran!

Llitzdrahtnachrichten.

— Der Beelzebub des sozialdemokratischen Wahlsieges ist
der Regierung zwar in alle Glieder gefahren, aber doch nur,
um den Teufel des schwarzblauen Rheumatismus daraus zu
vertreiben; und da erklärt die undankbare Regierung das
jetzt stöhnend für eine „Pferdekur"!

— In Gstelbien wanken die stolzesten Säulen der Junker-
macht. Sogar der Misthaufen des Ianuschauers ist dermaßen
ins Rutschen gekommen, daß ein Leutnant und zehn Mann
geholt werden mußten, um das aufgesperrte Maul des Herrn
v. Oldenburg gewaltsam wieder zuzumachen.

— Der Bund der Landwirte beklagt den Verlust jenes
„Hahnes", der durch sein Krähen in dritter Lesung jedesmal
den Zeitpunkt angab, wo der Volksverrat vollendet wor-
den war.

— Der Zentrumsturm ist bei den Hauptwahlcn nicht bloß
stehen geblieben, sondern hat sogar seine Anziehungskraft
noch vergrößert, indem er nämlich jetzt dem schiefen Turm
von Pisa Konkurrenz zu machen beginnt.

— Ruf den liberalen Schlachtfeldern riecht man überall
das „Pulver" des Hansabundes. Die liberalen Generale
bestreiten dies zwar sehr entschieden, aber man weiß ja:
sie haben die Nase voll!

Folgen der Neichstagswahlen.

In Sachsen ist es in den oberen Regionen
keine Lust mehr, zn leben.

Diederich Hahn kräht noch sein Sprüchlein
weiter; aber kein Hahn kräht mehr nach ihm!

An dem bekannten BerlinerMärchenbrunnen
wird jetzt als Reliefschmuck das Märchen von
dem liberalen Schutzwall gegen die sozialdemo-
kratische Hochflut angebracht.

Mehrere durchgefallene Reichsverbändler
verlassen das undankbare Deutschland und
gründen unter den Schimpansen Kameruns
eine neue Organisation.

Allerlei schreckliche. Himmelszeichen deuten
auf kommendes Unheil; der große Wagen blieb
auf der Milchstraße stehen, der große Hund hat
deutlich gebellt und der Mars war noch röter
als sonst: letzteres erklärte sich allerdings ein-
fach als Widerspiegelung von der Erde.

Heydebrand wird von den Sozi zum un-
besoldeten Ehrenagitator ernannt.

Die antisemitische Parteikasse ist erschöpft.
Die Geduld der letzten Anhänger auch.

Einige Weinlokale der Friedrichstadt, diLvon
junkerlichen Diäten lebten, gehen jetzt pleite-

Der Monarch verlangt endlich die vollstän-
dige Lektüre deutscher Blätter, um dje Bolks-
stimmung kennen zu lernen. In Anbetracht
der immer noch zu niedrigen Zivilliste widmet
ihm der„WahreJacob" ein Gratisabonnement.

Der mißlungene Coup.

Verdrießlich sprach der Blaue:

„Was fällt dem Michel ein?

Er stellt mit trotz'ger Miene
Sich auf die Linterbein'!

So streng ich mit ihm rede —

Er gibt mir kein Gehör,

So lieblich ich ihm flöte —

Der Michel tanzt nicht mehr!

„Wenn aber mir der Michel
Gutwillig nicht pariert.

So bin ich stolzer Blauer
Belämmert und blamiert!" —
Dieweil er also klagte
Mit tiefbetrübtem Sinn,

Schlich zu dem edlen Blauen
Der kluge Schwarze hin:

„Der Schwarze, der versteht es.

Der kriegt den Michel 'rum.

Mit seinem Lokuspokus
Macht er ihn dumm und stumm!

Der Schwarze, der versteht es.

Der hilft dem Edelmann,

Daß er den Michel wieder
Gemächlich schinden kann!"

So einten sich die beiden
In schicksalsschwerer Stund',

Der Blaue und der Schwarze,

Die schlossen einen Bund:

Den Michel zu belauern.

Wehrlos zu machen ihn
.And dann dem Äberwund'nen
Die Pelle abzuziehn.

Schon freute sich der Beute
Das edle Räuberpaar —

Doch leider kam dazwischen
Der zwölfte Januar:

Des Michels rote Klinge
Führt einen guten Streich,

Sie schlug die Spießgesellen
Kreuzlahm und windelweich!

Zum Teufel ging die Beute,
Mißlungen ist der Coup,

And lachend ruft der Michel
Den noblen Brüdern zu:

„Für heute mag's genug sein!

Indes, verlaßt euch drauf:

Das nächste Mal, ihr Lumpen,
Spiel'ich noch kräft'ger auf!"

Balduin.

Die Oelallenen.

Singt ein fanftes IDiferere
In geletzter Hlelodei —

Stimmt zu der Gefall'nen Lhre,

Freunde, an die Litanei!

Mancher JDack’re im Zylinder
Muhte leinen Wagmut büßen.

Und in Breslau — denkt nur Rinder! —
Liegt ein Fürlt zu £des Füßen.

Mancher, der zu vielen Malen
wie ein sllteholen-HSndler
Schacherte mit Idealen,

Fiel und, ach, manch Beichsverbändler.

Und im Schmuck der weihen Bällchen
Liegt, zum Schrecken aller Frommen,
Manch ein kugelrundes Blättchen,

Das nicht denkt ans wiederkommen.

Fließend vor den Moderdülten
Schreiten lächelnd nun als Sieger
Batch vorbei an ihren Grüften
vier Millionen Freiheitskriegen

Glossen.

In einzelnen ostelbischen Kreisstädten alarmierten
die Bürgermeister die Feuerwehr, um sie vom Besuch
der gegnerischen Versammlungen fern zu halten.

Bei diesem Verfahren ist aber in das innere Feuer
statt Wasser — Oel geschüttet worden.

Ein llnglücksfall hat sich bei den Wahlen er«
eignet: die chrtstlichsoziale Partei ist vom — Mandats-
hungertyphus befallen.

Das Germania-Kaufhaus

empfiehlt:

Solide Scheuklappen

für nationalliberale Wähler, die nach links schielen
wollten.

Ourchfallspillen

besonders in Sachsen bewährt; Zeugnisse erster Autori-
täten. wie vr. Strcsemann, vr. Hahn, Lattmann usw.,
liegen vor!

Sentrums-lsaussegen

sehr wirksam, von 3. P. Pater Muzius geweiht.

Kleists „Prinz von Homburg"

mit Lescspuren allerhöchster Herrschaften, vedeutendc
Preisermäßigung, da zum Zitieren nicht mehr geeignet.

Beschwichtigungsöl

nur durch langes Lagern etwas ranzig geworden!
 
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