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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0039
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vei lanürats.

„Nanu, wo ist denn mein Nachttops geblieben?"

„Aber, Kunochen, den hast du doch als Wahlurne verwendet."

ers ftobelfpätie. eT

Michel ist wach! Die Helden verstummten
Unter des Zornes Sturmgebraus,

Die ihn so fröhlich verrieten, verdummten.
Jetzt nämlich heißt es: hinaus aus dem Haus!

Michel, bleib' wach! Dein Schicksal dir schmiede
Jetzt, wo es glüht, mit schwieliger Faust.
Schwinge den Hammer zum Arbeitsliede,
Daß es mit Wucht auf den Ambos saust.

Konservative Blätter schrieben, der stille
Kanzler erinnere an die zerschossene Trompete
von Vionville. Er selber soll sich dagegen wie
eine Posaune Vorkommen, das heißt wie die
Posaune seines eigenen jüngsten Gerichts.

Die Wahl von 1907 war ein Taschenspielerkunststück. Die Wahl von
1912 ist ein Taschendiebsreinfall geworden!

Wahlziffern sind Münzen, die bei uns mit dem festen Willen zur
Macht, bei den bürgerlichen Parteien dagegen in zitternder Angst um
den drohenden Verlust der Macht geprägt werden.

Der Schnapsblock ist ein kapitalistisches Unternehmen zur Ausbeu-
tung der Dummheit und Geduld seiner Wähler; und sobald diese
„Goldgruben" erschöpft sind, ist er eben pleite!

Konservative Blätter nannten ihren Kandidaten für Breslau „eine
edle schlesische Kohle." Jetzt hat Eduard Bernstein dafür gesorgt, daß
sie ausgekohlt hat, Ihr getreuer Säge, Schreiner.

ftöln unä Rom.

Mir in Köln find unerlchrockme Ritter
Don der feder, die nicht bebt und schielt,

11t es auch zuroeilen etwas bitter,
was uns Rom befiehlt.

was uns Rom befiehlt, entstammt den weilen
Sdjädeln einer allzuttarhen Macht.

Das auch dann wir vor den Cefern prellen,
wenn's uns zwelkeln macht.

wenn's uns zweifeln macht, lo schreibt man Briefe
Teils mit Vorsicht, teils in ftilter Wut;

€in Beweis, clah in der ßerzenstiefe
Uns die Wahrheit ruht.

Ruht die Wahrheit, lo» man Ne nicht wecken.
Und lo schleichen wir denn gern vorbei,
andernfalls ginge wohl mit Schrecken
Unter Turm entzwei.

Unser Turm: die ehern-hehre Dreiheit,

Der wir huldigen mit stolzem Haupt:

für das Recht, für Wahrheit und für Freibeit--

wenn es Rom erlaubt! ep.

„Ein feste Burg...!"

Die erste Schlacht war geschlagen. Die Automobile
des Hansabundes ratterten über die Wahlstatt und
sammelten die verwundeten Liberalen ein.

Jetzt aber strebten sie plötzlich alle gemeinsam
nach einem bestimmten Punkte; denn dort hatte sich
ein wahrhaft schauerliches Gebrüll erhoben, das aus
Schreien des Schmerzes und Schreien um Hilfe ge-
mischt war und weithin über das ganze Blachfeld
drang.

„Dort liegt Bassermann in Stichwahl!" riefen
die Chauffeure, heiser vor Aufregung, und griffen
zur „vierten" Geschwindigkeit.

Durch den Knäuel der ringsum versammelten
Automobile hindurch stürmte Geheimrat Rießer. Er
lief auf den Schwcrvcrwundeten zu und untersuchte
ihn kurz, aber sachverständig. Dann wandte er sich
mit bitterernstem Gesicht an die Umstehenden.

Meine Herren!" sagte er feierlich und nahm
seinen Hut ab: „Die Kunst des Hansabundes ist
hier machtlos. Hier kann nur die Gnade der Sozial-
demokratie noch helfen!"

Äeydebrands Stichwahlbedingungen.

Wie wir hören, hat Heydebrand allen, die kon-
servative Wahlhilfe verlangten, außer den bekannten
Bedingungen noch die folgenden gestellt:

1. Sind Sie für lückenlose Ausfüllung der —
Junkerportemonnaies?

2. Sind Sie für Bezahlung aller Arbeiter in
Naturalien, speziell in ostelbischem Branntwein?

3. Sind Sie für Beibehaltung meines persön-
lichen Regiments?

4. Sind Sie bereit, im Falle der Wahl, dem
Jesuitenorden beizutreten?

5. Sind sie bereit, alle Fußtritte, die ich zur
Ablenkung meiner gesundheitsschädlichen Zornes-
ausbrüche austeile, in christlicher Demut in Empfang
zu nehmen?

6. Zahlen Sie meine Anstaltskosten, falls ich
vollends dem Größenwahn verfalle?

Es soll einige Helden gegeben haben, die auf diese
ehrenvollen Bedingungen „eingcgangen" sind; sie
gründen jetzt die „Kautschukmänner-Vereinigung"
im Reichstag. . . .

Befolgter Rat.

Kröcher sagte, man müsse diesmal die Ohren steif
halten und in die Hände spucken.

Das haben die Wähler auch getan; nur haben
sie — in die Suppe seiner Freunde gespuckt.

Post festum.

Bülow schrieb 1907 einen Silvesterbrief an den
Reichsverband. Bethmann wird nun wohl zu Ascher-
mittwoch einen schreiben.

Lieber Jacob!

Det hätten wir Berliner am zwelften Januar
also wieder mal sehr scheen jemacht! Aber
Schwitze hat et jekostet! Denn jloobe man
ja nich, det det mit det Siejen hier bei uns
so eenfach is wie vielleicht anderstwo. Du
derfst nämlich nich verjessen, det wir hier in
de Haupt- und Resedenzstadt wohnen, wo de
stärksten Jlanznummern der staatserhaltenden
Jntellijenz jewisserinaßen uff eenen Klump zu-
sammensitzen un mit den impulsivsten Uff-
wand von Jeistesschärfe drieber wachen, det
det Vaterland keenen Schaden nich nimmt!
Wat soll ick Dir sagen? Schon von friehen
Morjen an mußte de Jarde in de Kasernen

verborjeu bleiben un Schießpriejel, Plempen
un Kanonen bereit halten, um den drohenden
Umsturz siejreich zu bejejnen. Ob se außer
de Landmacht ooch noch irjendwo Marine
verstochen jehabt haben, weeß ick nich. Aber
wundern sollte et mir nich, denn de Jefahr,
det det rote Meer aus de Ufern treten kennte,
kann von de maßjebenden Stellen doch un-
meejlich iebersehen worden sind! Am jreeßten
war de Angst natierlich in 'n ersten Wahl-
kreis, wo man sich mit Recht vorm Düwell
firchtete. Namentlich det Schloß wurde streng-
stens bewacht, un in'nMarstall soll de preißesche
Tapferkeit jleich kompagnieweise uffmarschiert
jewesen sind. Det ooch Jagow feste uff'n Platz
war, versteht sich am Rande. Aber zu mein
Bedauern kann ick mir diesmal ausnahms-
weise mit seine Mißjriffe nich inverstanden er-
klären. Er hatte doch verboten, det Scherl un
Masse de Wahlresultate den uff de Straße
versammelten Publikum durch Scheinwerfer
bekannt machten. Insofern nu de Pollezei de
amtliche Uffjabe hat, ieberhaupt jejen jede
Erleichtung des Publikums prinzipiell inzu-
schreiten, war sein Verbot janz jewiß berech-
tigt — aber eene sehr beklagenswerte Folje
hat et doch jehabt. Nämlich wat det staats-
erhaltende Birjertllm is, det vor fimf Jahre
am Wahltag mit sonne wohltuende Bejeiste-
rung vor't Schloß un vor't Reichskanzlerpalais
jezogenwar,nachdem MosseunScherldeSiejes-
botschaften in Flammenschrift verkindet jehabt
hatten, det wartete diesmal janz verjebenst uff
de Feiersijnale un uff det Kommando, nach 't
Schloß zu marschieren, un mußte sich schließlich
mit schmerzliche Entsagung in vereinzelte Kneip -
lokale privat besaufen, ohne ooch bloß eenen
Vers von Heil dir im Siejeskranz jesungen
zu haben. Un am nächsten Morjen, wie de
Wahlresultate in de Zeitungen zu lesen standen,
da war der Katzenjammer so jroß, det an patrio-
tesche Ovazjonen ja nich mehr in't jeringste
zu denken war, sondern heechstens bloß noch
an säuern Hering!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier .Jotthils Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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