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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0044
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7372

Iagows Triumph.

Der Berliner Polizelprästdeni har vie Gedichtsammlung
.Bon unten aufl" wegen einiger Verse von Lerweah,
Pfau, Mackay und Meißner konfiszieren lassen. Ihm
fielen ganze fünf Exemplare in die Lände.

Ich habe, ich gesteh' es.

Im Amte wenig Glück,

Und mich und meine Blauen
Verfolgt das Mißgeschick;

Frech tanzt mir auf der Nase 'rum
Das Proletariat,

Und unentdeckt blieb mancher Raub
Und manche Moritat.

Auch das Theater brachte
Mir keine Lorbeer'n ein:

Die Durieux, die falsche.

Wie legte sie mich 'rein!

Nun jag' ich auf ein edlers Wild:

Um sechs Uhr morgens früh
Wohl in der Vorwärts-Buchhandlnng
Pürsch' ich auf Poesie!

Es rütteln an des Staates
Schon etwas morschem Bau
Der Lerwegh und der Meißner,

Der Mackay und der Pfau;

Lischst unbotmäßig ist ihr Text
Und frech die Melodie —

Die janze Richtung paßt mir nicht:

Ich konfisziere sie!

Gottlob, nun ist gerettet
Das preuß'sche Vaterland!

Fünf Exemplare fielen
Dem Büttel in die Land!

Fünf rote Liederbücher trug

Ich heim als Siegespreis

Und stecke jubelnd an den Lelm

Mein erstes Lorbeerrcis! Lehmann.

Aus dem Briefwechsel
zweier Staatsretter.

1. Herrn Fr. Gauner, Agitator
des Reichsverbands
gegen die Sozialdemokratie.

Sehr geehrler Herr! Es lut mir leid, Ihrem
erneuten Wunsche nach Vorschuß nicht ent-
sprechen zu können. Ihr Konto ist bereits außer-
ordentlich stark belastet und täglich treffen aus
den von Ihnen besuchten Orten Beschwerden
und Drohbriefe von Holelwirten und Ober-
kellnern ein, denen Sie mit der Zeche durch-
gegangen sind. Wie Sie wissen, pflegen wir
beide uns redlich in die Summen zu teilen,
die Sie bei den industriellen Großbonzen für
den Reichsverband locker machen, und Sie
können nicht verlangen, daß ich auf meinen
Anteil gänzlich verzichten soll. Wenn ich Ihnen
aber einen Rat geben darf, so trennen Sie sich
schleunigst von dem liederlichen Frauensmensch,
das Sie skandalöser Weise auf Ihren Agita-
tionsreisen mit sich führen und dasJhre Spesen
in so ungebührlichem Maße erhöht.

Hochachtungsvoll Or. Lumpazius,
Vertrauensmann des Reichsverbands
gegen die Sozialdemokratie.

2. Herrn Dr. Lumpazius, Vertrauensmann
des Reichsverbands
gegen die Sozialdemokratie.

Sehr geehrter Herr! Ihre Vorwürfe treffen
mich nicht und Ihren Rat muß ich als völlig
deplaziert zurückweisen! Edith ist mir auf mei-
nen Reisen geradezu unentbehrlich. Während
ich die männlichen Jndustriebarone neppe,
macht sie bei den weiblichen Staalsstützen die
brillantesten Geschäfte. So hat sie erst in der
vorigen Woche bei der Geheimen Kommerzien-
rätin bei der Landrätin W. und bei der

Trost den Waisen! Rich. Rost

„Darum aber sei getrost: der Herr rief deinen Vater
von dieser Welt, um deine Seele zu retten, denn wisse,
dein Barer war Sozialdemokrat!"

Enttäuschung.

Der Kandidat der „gougegebenen Abhängigkeiten",
der auch der Kandidal der Poslbehörde gewesen war,
war mit Glanz durchgefallen; und darum wandelte
heule der Posldirekwr mir Trauermienen zwischen
dem ihm unlerstellken Personal herum.

Plötzlich sah er einen alten Postschaffner, der nur
mit Tränen in den Augen seinen Dlcnst verrichten
konnte! Er trat auf ihn zu, klopfte ihm die Schulter
und meinte wohlwollend:

„Das ehrt Sie ja, daß Ihnen das so nahe geht!
Aber wenn's eben nichts ist, dann ist's eben nichts!"

„Hatschi!!" war die Antwort des Postschaffners.
Aber erst beim vierten oder fünften Hatschi kam der
Postdircktor dahinter, daß dem Postschaffner bloß eine
Prise Schnupftabak „nahegegangen" war.

Konsistorialrätin Z. im ganzen 3000 Exemplare
unserer Broschüre „Wie die Sozialdemokratie
das deutsche Familienleben vernichiel" gegen
bar abgesetzt. Dabei wird mein persönlicher
Ausgabenetat durch meine Begleiterin nicht
im geringsten belastet, im Gegenteil, sie erwirbt
nicht nur ihren, sondern auch einen Teil meines
Lebensunterhalts durch ihre gewohnte und
liebgewordene Berufstätigkeit, der sie allabend-
lich auf der Straße nachgeht.

Hochachtungsvoll Fr. Gauner,
Agitator des Reichsverbands.

3. Herrn Fr. Gauner, Agitator
des Reichsverbands.

Sehr geehrter Herr! Wie ich soeben erfahre,
haben Sie bei dem Festessen, das der Herr
Landrat v. A. Ihnen zu Ehren veranstaltete,
dem neben Ihnen sitzenden Herrn Ritterguts-
besitzer v. B., der ein besonders eifriges Mit-
glied des Reichsverbands ist, eine goldene Uhr
nebst Kette im Gesamtwert von 2500 Mark
entwendet. Es ist mir schlechthin unverständ-
lich, wie ein Mann in Ihrer Stellung so wenig
Ehr- und Anstandsgefühl besitzen kann, der-
gleichen Geschäfte hinter dem Rücken des offi-
ziellen Vertrauensmannes zu machen, und ich
ersuche Sie, mir den auf mich entfallenden
Anteil von 1250 Mark unverzüglich zukommcn
zu lassen.

Achtungsvoll Or. Lumpazius,
Vertrauensmann des Reichsverbands.

4. Herrn vr. Lumpazius, Vertrauensmann
des Reichsverbandes.

Sehr geehrter Herr! Machen Sie sich nicht
lächerlich! In dem heiligen Kampfe gegen den
Umsturz, in dem wir beide stehen, sollten alle
kleinlichen persönlichen Zwistigkeiten prinzipiell
vermieden werden. Und — Hand aufs Herz! —
haben Sie noch niemals goldene Uhren ge-

Ver Mittelstand.

von lZ0 konlervntiven stancüäaten gehörten nur
vier ausüchlslole fclblt dem MMeMnnd an.

Hoch klingt das Oed vom Mittelstand
Im wahldurchtolten deutld)en Land.
Besonders rechts stimmt man die Ceier
Hoch zu des Mittelstandes Feier.

Man rennt nach ihm. Man Nennt um Ihn,
Liegt Nehend vor ihm aut den Knien.

Lin jeder MittelstSndler ist
Oar heih begehrt zu dieser frllt.

Man Ist jetzt mit dem Mittelstand
Befreundet und beinah' verwandt.

Nichts gibt's, was man ihm nicht verspricht,
Bloh — die Mandate kriegt er nicht!

Lr darf, als keines Oakeins 2weck,

Oen lunkerkarren aus dem vreck
Herauszieh'n brav und emiiglich,
vann troll' er schnell nach Hause sich!

Und wenn er etwa aufbegehrt.

Ist man befremdet und empört
Und drückt ihn teste an die wand,

Oen heihgeiiebten Mittelstand.

Erledigt.

„Der alte Reichstag hat ja vier Wahlprüsungen
nicht mehr erledigt."

„Darauf kommr's nun nicht mehr au: Das Volk
hat jetzt alle Wahlen noch mal durchgeprüst."

Krach im Zentrum.

„Also ,Berlin' und ,Köln' haben wahrhaftig das
Tischtuch zwischen sich zerschnitten. . .?"

„Ja, aber nur, um festzustellcn, ob die Scheren
schon wieder scharf genug sind, mit denen sie in Ein-
tracht ihre Schafe zu scheren Pflegen!"

stöhlen, ohne mich in Kenntnis gesetzt und den
Erlös mit mir geteilt zu haben? Na also!

Ihr ergebener Fr. Gauner,
Agitator des Reichsverbandes.

5. Herrn Fr. Gauner, Agitator
des Reichsverbands.

Mein Herr! Falls Sie mir nicht binnen drei
Tagen die mir kontraktmäßig zukommende
Summe von 1250 Mark übersenden, betrachten
Sie sich, bitte, als aus dem Dienst des Reichs-
verbandes entlassen! Wir können nur zuver-
lässige und tadellose Ehrenmänner brauchen.

Or. Lumpazius,

Vertrauensmann des Reichsverbandes.

6. Herrn Or. Lumpazius, Vertrauensmann
des Reichsverbands.

Sie! Ich habe es satt, mich mit Eseln Ihres
Kalibers herumzuzanken, und erkläre, daß ich
meine agitatorische Wirksamkeit für den Reichs-
verband hiemit als beendigt ansehe. Ich be-
absichtige, den staatserhaltenden, ordnungs-
liebenden, gebildeten und besitzenden Schichten
des deutschen Volkes hinfort in anderer Weise
dienstbar zu sein, und werde mit Fräulein Edith
am hiesigen Platz ein kleines, mit allem Kom-
fort der Neuzeit ausgestattetes Bordell eröffnen,
das dank unseren mannigfachen Beziehungen
zu den besten Gesellschaftskreisen mir ein min-
destens so hohes Ansehen und wesentlich reichere
Einkünfte verspricht, als die Tätigkeit in Ihrem
Verbände! Gauner.

NB. Sollten Sie übrigens irgend etwas un-
kollegialisches gegen mich zu unternehmen be-
absichtigen, so teile ich Ihnen mit, daß ich
bereits auf alle Fälle das Material zusammen-
gestellt habe, das ich über Sie besitze und
das, wie Sie wissen, genügen dürfte, um Sie
auf mindestens zehn Jahre ins Zuchthaus zu
bringen! Der Obige.
 
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