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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0058
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7387 » -

interessiert sich für sie. Darf sie da eigentlich
einen Maskenball mitmachen?"

„I, warum denn nicht?"

„Ich wein nicht, ob es nicht eine Sünde ist.
Das gute Kind ist so schüchtern und so brav
und fromm, so recht zur Pastorsfrau geschaffen.
Wenn sie da nur nicht an ihrer reinen Seele
Schaden leidet!"

Und sie faltete die fleischige» Hände. . .

3.

„Schrumin! All wedder een Fleeg lapott.. "

Die Stimmung auf dem Maskenball stieg
und die junge maskierte Welt schien sich zu
amüsieren. Nur an dem Tisch, wo die un-
maskierten alten Damen saßen und >vo die
Frau Bürgermeisterin präsidierte, schien die
Stimmung noch auf dem Gefrierpunkt zu stehen.

Es geschahen auch allerlei Dinge, die in dem
braven Myritz an der Knatter noch nicht ge-
schehen waren.

Vor allem war da eine, die man nur als
„Person" bezeichnen konnte. So ausgeschnitten
war das Marketenderinnenkostüm und so kurz
ivar der Rock und so provozierend die Waden
darunter! Es war einfach empörend.

Nur gut, daß Georgine, das gute Kind, sich
diesem unmoralischen Getriebe nicht ausgesetzt
hatte, sondern den Abend bei der alten Tante
im Stift verbrachte! Wie leicht konnte ihre
lilienweiße Seele bei solchem Greuel einen
Flecken empfangen. .. .

Und diese „Person" dort war von allen
Herrenmasken »mschwärmt und fast ununter-
brochen ivirbelte sie im Tanz umher, wenn
sie nicht am Büffet saß und an Weingläsern
nippte. Wer mochte sie nur sein? War so
etivas eigentlich erlaubt?

Aus ihrem Nachdenken wurden sie durch eine
Tat von beispielloser Frechheit aufgestört.

Der Apotheker nämlich war als Hahn ge-
kommen, gackerte furchtbar und brachte durch
possierliche Sprünge ordentlich Leben in die
Bude. Sogar die ernsten Mienen der Frau
Bürgermeisterin hatten sich bei seinem Anblick
etwas geklärt und beinahe ein sonniges Lächeln
produziert.

Da verdarb es der Hahn mit ihr. Denn in
der Musikpanse, als eine ziemliche Stille im
Saale herrschte, nahte er sich ihr mit furcht-
barem Gegacker, setzte sich fast auf ihren Schoß
und ließ auf dem „Schwarzseidenen" — ein
Porzellan-Ei liegen. Alle klatschten.

Entrüstet sprang sie auf: „Ich verlasse das
Lokal. Ich ivill nach Hause. Wo ist mein
Mann?" Aber sie kannte sein Kostüm nicht,
das er sich heimlich besorgt halle. Er war
llicht zu finden. Und so sehr sie sich auch mühte,
— sie entdeckte ihn nicht.

Der Gesuchte saß unterdessen in einem kleinen
Nebenzimmer, das durch zwei verstaubte Palmen
zu einem „Wintergarten" umgewandelt ivar.
Die Unkenntlichkeit seines Mönchkostüms ane-
uützend, schäkerte er mit der kleinen Marke-
tenderin, die trotz ihrer Beschwipstheit durch-
aus ein Glas Sekt verlangte.

Er bestellte mit verstellter Stimme und sie
tranken das abscheuliche Gebräu, das aber
gründlich teuer war und rasch zu Kopfe stieg.

Der Bürgermeister wurde kühn: „Von >vo
bist du her, schöne Maske?"

Sic lachte ein Lachen, das ihm in normalem
Zustande sicher bekannt vorgekomme» iväre,
das ihn jetzt aber in gelinde Begeisterung
versetzte. „Zeig mir dein Gesicht," bat er.

Aber sie weigerte sich energisch.

Da brüllte im Saale eine Stentorstimme:
„Demaskierung!"

Und mit geschickter Bewegung nahm er ihre
Maske fort und ließ auch seine fallen.

Ein Schuß ins Schwarze. 3! Engen

Die Wahl im heiligen Köln.

-o-

Ei» einziger Schreckensschrei stieg aus zwei
Kehlen.

Georgine starrte auf ihn und er auf sie.

„Nichtsnutzige Kröte!" sagte er voll tiefer
Überzeugung und holte mit der Hand zum
Schlage aus.

Aber der Arm erlahmte und blieb eine»
Augenblick in der Lust hängen. Denn die Por-
tiere hatte sich geteilt und, gefolgt von dem
demaskierten Hahn, rauschte die Frau Bürger-
meisterin hinein.

„Also hier trifft man seine Angehörige»!
Marsch, nach Hause!"

Und keiner ividersprach.

Nur der Apotheker sagte mit nichtswürdigem
Grinsen: „GaHzackgack! Da scheint ein faules
Ei gelegt zu sein. Gackgackgack!"

Die Frau Bürgermeisterin aber schmettert
ihn mit einem vernichtenden Blick nieder. ...

Mulklapp!

Dieser an den nordischen WeihnachtSruf „Jul-
klapp" erinnernde fröhliche Nus soll in die Amts-
sprache des preußischen Dreiklassenlandiags ausge-
nommen werden. Und zwar wird der Rus „Mul-
klapp!" für die mit Recht so beliebten Antiäge aus
Schluß der Debaue in die Geschäftsordnung ein-
gesührt. Wie kurz und treffend diese Bezeichnung ist,
zeigt etwa folgende Zukunstsszrne:

Präsident: Zuui Worte gemeldet sind noch die
Abgeordneten zweiter Güte Or. Liebknecht und Kor-
fanty. Die Abgeordneten erster Güte von Ainim-
Züsedom und Freiherr von Zedlitz beantragen den
Mulklapp! (Stürmisches Bravo! rechts.»

Die Abstimmung ist „akustisch". Ein dreifach
donnernder begeistertes „Mulklapp!" rechts itud in
der Mitte überiönk völlig den Protest der k!nk>».
(Erneuter großer Beifall rechts.)

Das Haus vcitagl sich unter dem Ruse: „Morgen
wieder Mulklapp!"

Glosse.

Die preußische Vcrwaltungsresorm ist, wie offiziös
bckanntgegeben wird, bei der Reform der Bezirks
regierungcn angelangt. Es soll nämlich die Landrats
würde zu einem Bestandteil der Fideikommisse und
damit für erblich erklärt werden.
 
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