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habe, so sollen gewisse Verhältnisse, die bisher
nur für die Mitglieder des Klerus bestanden,
nunmehr auch auf die große Masse der Laien
ausgedehnt werden. Dagegen wäre an sich
nichts einzuwenden, nur möchte ich darauf Hin-
weisen, daß durch dieses Gesetz unsere Geist-
lichkeit eines ehrwürdigen und wertvollen Vor-
rechts beraubt wird, das sie seit Menschen
gedeuken vor der übrigen Bevölkerung voraus
hatte. Wie mir jedoch unter der Hand mitgeteilt
worden ist, soll die Kirche für diesen Verzicht
eine angemessene Entschädigungssumme in bar
erhalten. Unter diesen Umständen wird meine
Partei der Vorlage zustimmen.
Abg. Basserniann (Rationailiberal): Wir
halten die Vorlage für gemeinschädlich, können
ihr aber einen gewissen berechtigten Kern nicht
absprechen. Die eine Hälfte meiner Freunde
wird daher dafür, die andere gegen das Ge-
setz stimmen.
(Ter Antrag auf Abschaffung der Ehe und Familie
wild mit giotzer Majorität angcnonunen.)
Der Präsident: Den zweiten Punkt der
Tagesordnung bildet der sozialdemokratische
Antrag auf Abschaffung der monarchischen
Regierungsform und Einführung der Republik.
Abg. Dr. v. Heydebrand (Konservativ): Wir
Konservativen sind bekanntlich monarchisch bis
in die Knochen! Nach den traurigen Erfah-
rungen aber, die wir mit der bisherigen Re-
gierung geinacht haben, nach der Art, wie wir
namentlich bei den letzten Wahlen von ihr im
Stich gelassen worden sind, haben wir keine
Veranlassung, für sie die Kastanien aus dem
Feuer zu holen. Da >vir monarchisch bis in
die Knochen sind, können wir uns leider nicht
für das Gesetz erklären, aber wir werden uns
der Abstimmung enthalten.
Abg. Bassermann (Nakionalliberal): Wir
halten die Vorlage für gemeinschädlich, können
ihr aber einen gewissen berechtigten Kern nicht
absprechen. Die eine Hälfte meiner Freunde
wird daher für, die andere gegen das Gesetz
stimmen.
(Der Antrag auf Abschaffung der monarchischen Re«
gierungssörm und Einführung der Republik wird mit
großer Majorität angenommen.)
D e r P r ä s i d e n t: Den dritten Punkt unserer
Tagesordnung bildet der sozialdemokratische
Antrag auf Abschaffung der Branntweinliebes-
gabe.
(Es erhebt sich ein furchtbarer Entrüstungsslurin auf
der rechte» Seite des Hauses; Rufe; „'Niedertracht!"
„Gemeinheit!" „Rote Berschwörerbande!" „Nichtachtung
der heiligsten Gefühle!" ufiv.)
Der Präsident: Das Wort hat . . .
(Der Präsident kann sich nicht Gehör verschaffen. Er
schwingt eine halbe Stunde lang vergeblich die Glocke.
Als der Lärm seinen Höhepunkt erreicht hat, öffnet sich
die Tür des Sihungssaales und es erscheint der frühere
Abgeordnete «.Oldenburg. Er hat seine OsfizierS-
nniform angelegt und ist von zehn bewaffneten Grena-
dieren begleitet.)
v. Oldenburg: Stillgestanden! Legt an!
Feuer! Schnellfeuer!
(Die Grenadiere geben rasch nach einander so viele
Salven aus die linke Seite des Hauses ab, bis säini-
liche Abgeordnete sich in ihrem Btute wälzen. Dann
besteigt v. Oldenburg die Tribüne des Bundesrats.)
».Oldenburg: Meine Herren! Ich habe
Ihnen eine allerhöchste Botschaft vom Präsi-
dium des Btnides der Landwirte mitzuteilen!
(Tie überlebenden Abgeordneten erheben sich von ihren
Plätzen.) Der Reichstag ist aufgelöst, das Wahl-
recht ist abgeschafft, die Verfassung ist abge
schafft, an England, Frankreich und Rußland
ist der Krieg erklärt. Wer noch was wünscht,
wird füsiliert! Hurra, hurra, hurra! Grena-
diere, räumt die Dreckbude!
(Schiub der Sitzung.)
Aschermittwoch.
Erich Schilling
Wegen des roten Riesenkaters möchten die schwarzblaucn ü er r sch asten
jetzt den sauren Bethmannhering fressen.
-o
Aschermittwochlied.
O blau und schwarze Herrlichkeit,
Wohin bist du verschwunden.
Die du das Volk so lange Zeit
Geknebelt und geschunden?
Vergebens spähe ich umher
Und sehe rings ein rotes Meer.
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum!
Wo sind sie, die im Reichstagshaus
Salbaderten und brüllten.
Dem Volk die Taschen leerten aus
Und ihre wacker füllten?
Sie machten manchen guten Schmuh,
Run deckt das stille Grab sie zu.
O jerum, jerum. jerum,
O quae mukakio rerum!
Der eine fiel in Potsdam durch.
In Köln am Rhein ein zweiter.
Der dritte in Marienburg,
Der vierte und so weiter:
In Stadt und Land, im ganzen Reich
Schlug man sie krumm und windelweich.
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum!
Der Patriot, er ahnt es schou
Mit fchmerzlichem Gefühle:
Die höchsten Güter der Nation,
Die stehn jetzt aus dem Spiele,
Der neue Reichstag gräbt das Grab
Dein Viehzoll und der Liebesgab'l
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum!
Die Äossnungsblütcn sind verdorrt.
Versiegt die Gnadcnbronnen,
Denn, jagt man diesen Reichstag fort
Was ist damit gewonnen?
Dann wählt das Lundepack am End'
Uns noch ein röt'rers Parlament!
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum! Tobias.
Line Sitzung des neuen Reichstags.
Ein schwarzblauer Traum.
Der Präsident: Die Sitzung ist eröffnet.
Als ersten Punkt der Tagesordnung haben wir
den sozialdemokratischen Antrag auf Abschaf-
fung der Ehe und Familie und Einführung
der freien Liebe und Weibergemeinschaft.
A b g. O r. F r h r. v. H e r t l i n g (Zenkrmn): Wenn
ich den Zweck der Vorlage richtig verstanden
habe, so sollen gewisse Verhältnisse, die bisher
nur für die Mitglieder des Klerus bestanden,
nunmehr auch auf die große Masse der Laien
ausgedehnt werden. Dagegen wäre an sich
nichts einzuwenden, nur möchte ich darauf Hin-
weisen, daß durch dieses Gesetz unsere Geist-
lichkeit eines ehrwürdigen und wertvollen Vor-
rechts beraubt wird, das sie seit Menschen
gedeuken vor der übrigen Bevölkerung voraus
hatte. Wie mir jedoch unter der Hand mitgeteilt
worden ist, soll die Kirche für diesen Verzicht
eine angemessene Entschädigungssumme in bar
erhalten. Unter diesen Umständen wird meine
Partei der Vorlage zustimmen.
Abg. Basserniann (Rationailiberal): Wir
halten die Vorlage für gemeinschädlich, können
ihr aber einen gewissen berechtigten Kern nicht
absprechen. Die eine Hälfte meiner Freunde
wird daher dafür, die andere gegen das Ge-
setz stimmen.
(Ter Antrag auf Abschaffung der Ehe und Familie
wild mit giotzer Majorität angcnonunen.)
Der Präsident: Den zweiten Punkt der
Tagesordnung bildet der sozialdemokratische
Antrag auf Abschaffung der monarchischen
Regierungsform und Einführung der Republik.
Abg. Dr. v. Heydebrand (Konservativ): Wir
Konservativen sind bekanntlich monarchisch bis
in die Knochen! Nach den traurigen Erfah-
rungen aber, die wir mit der bisherigen Re-
gierung geinacht haben, nach der Art, wie wir
namentlich bei den letzten Wahlen von ihr im
Stich gelassen worden sind, haben wir keine
Veranlassung, für sie die Kastanien aus dem
Feuer zu holen. Da >vir monarchisch bis in
die Knochen sind, können wir uns leider nicht
für das Gesetz erklären, aber wir werden uns
der Abstimmung enthalten.
Abg. Bassermann (Nakionalliberal): Wir
halten die Vorlage für gemeinschädlich, können
ihr aber einen gewissen berechtigten Kern nicht
absprechen. Die eine Hälfte meiner Freunde
wird daher für, die andere gegen das Gesetz
stimmen.
(Der Antrag auf Abschaffung der monarchischen Re«
gierungssörm und Einführung der Republik wird mit
großer Majorität angenommen.)
D e r P r ä s i d e n t: Den dritten Punkt unserer
Tagesordnung bildet der sozialdemokratische
Antrag auf Abschaffung der Branntweinliebes-
gabe.
(Es erhebt sich ein furchtbarer Entrüstungsslurin auf
der rechte» Seite des Hauses; Rufe; „'Niedertracht!"
„Gemeinheit!" „Rote Berschwörerbande!" „Nichtachtung
der heiligsten Gefühle!" ufiv.)
Der Präsident: Das Wort hat . . .
(Der Präsident kann sich nicht Gehör verschaffen. Er
schwingt eine halbe Stunde lang vergeblich die Glocke.
Als der Lärm seinen Höhepunkt erreicht hat, öffnet sich
die Tür des Sihungssaales und es erscheint der frühere
Abgeordnete «.Oldenburg. Er hat seine OsfizierS-
nniform angelegt und ist von zehn bewaffneten Grena-
dieren begleitet.)
v. Oldenburg: Stillgestanden! Legt an!
Feuer! Schnellfeuer!
(Die Grenadiere geben rasch nach einander so viele
Salven aus die linke Seite des Hauses ab, bis säini-
liche Abgeordnete sich in ihrem Btute wälzen. Dann
besteigt v. Oldenburg die Tribüne des Bundesrats.)
».Oldenburg: Meine Herren! Ich habe
Ihnen eine allerhöchste Botschaft vom Präsi-
dium des Btnides der Landwirte mitzuteilen!
(Tie überlebenden Abgeordneten erheben sich von ihren
Plätzen.) Der Reichstag ist aufgelöst, das Wahl-
recht ist abgeschafft, die Verfassung ist abge
schafft, an England, Frankreich und Rußland
ist der Krieg erklärt. Wer noch was wünscht,
wird füsiliert! Hurra, hurra, hurra! Grena-
diere, räumt die Dreckbude!
(Schiub der Sitzung.)
Aschermittwoch.
Erich Schilling
Wegen des roten Riesenkaters möchten die schwarzblaucn ü er r sch asten
jetzt den sauren Bethmannhering fressen.
-o
Aschermittwochlied.
O blau und schwarze Herrlichkeit,
Wohin bist du verschwunden.
Die du das Volk so lange Zeit
Geknebelt und geschunden?
Vergebens spähe ich umher
Und sehe rings ein rotes Meer.
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum!
Wo sind sie, die im Reichstagshaus
Salbaderten und brüllten.
Dem Volk die Taschen leerten aus
Und ihre wacker füllten?
Sie machten manchen guten Schmuh,
Run deckt das stille Grab sie zu.
O jerum, jerum. jerum,
O quae mukakio rerum!
Der eine fiel in Potsdam durch.
In Köln am Rhein ein zweiter.
Der dritte in Marienburg,
Der vierte und so weiter:
In Stadt und Land, im ganzen Reich
Schlug man sie krumm und windelweich.
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum!
Der Patriot, er ahnt es schou
Mit fchmerzlichem Gefühle:
Die höchsten Güter der Nation,
Die stehn jetzt aus dem Spiele,
Der neue Reichstag gräbt das Grab
Dein Viehzoll und der Liebesgab'l
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum!
Die Äossnungsblütcn sind verdorrt.
Versiegt die Gnadcnbronnen,
Denn, jagt man diesen Reichstag fort
Was ist damit gewonnen?
Dann wählt das Lundepack am End'
Uns noch ein röt'rers Parlament!
O jerum, jerum, jerum,
O quae mutatio rerum! Tobias.
Line Sitzung des neuen Reichstags.
Ein schwarzblauer Traum.
Der Präsident: Die Sitzung ist eröffnet.
Als ersten Punkt der Tagesordnung haben wir
den sozialdemokratischen Antrag auf Abschaf-
fung der Ehe und Familie und Einführung
der freien Liebe und Weibergemeinschaft.
A b g. O r. F r h r. v. H e r t l i n g (Zenkrmn): Wenn
ich den Zweck der Vorlage richtig verstanden