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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0074
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Aus Luzifers Reich. Sm/tSe»

„Eugen, weeßte schon? Deinen Wahlkreis Ham die Noten ooch jef;olt!"

— o

Das Krerrz.

„Mein Bub, das ist ein Iesuskreuz,

Und Jesus war ein braver Mann,

Frei, frisch und frank war stets sein Wort,
Er nahm sich sehr der Armen an.

„Er war ein Zimmermeisterssohn,

.Hat kein gescheites Buch studiert
Und wußte doch so gut, mein Bub,

Wat eine Menschenseele rührt.

„Tr trug nicht einen Priesterrock,

Und keine Pfründen strich er ein,

Er saß an Gottes freiem Tisch
Und schlief auf einem Kieselstein.

„Mein Bub, und schau, es kam dann so.
Daß man an's Martcrkreuz ihn schlug.
Man nahm es ihm recht bitter bös.

Daß er der Armen Sorgen trug.

„Ja, wenn er — wie der Herr Kaplan —
Sich mit den Reichen gut gestellt.

Dann hält' kein Mensch ihm was getan.
Kein Mensch in dieser weiten Welt."

Fritz Sänger.

Aschermittwochs-Erwachen.

rt« Szene spielt in den Echlafztmincrn zweier vcr-
lchiedener Wohnungen, die in ein und derselben Slrai,c
einander gegenüberliege».

LiseLieb reich (heiratsfähige Tochter eines GtzM-
nasialprosessors, schlägt die Augen auf, dehnt sich wohlig
in ihrem Bettchcn, und flüstert glückselig): Ja ja, er
liebt mich — Kurt, mein süßer, einziger Kurt.

Kurt Kluger (Leutnant der Reserve und Ge-
rtchtsafsesfor hält mit Schnarchen inne, stöhnt, reibt
stch die Augen und brummt unwirsch): Donner-
wetter — der verfluchte Sekt — so eine Eselei!

Life Liebreich: Wie fein er tanzte! Sich,
war das himmlisch, in seinen Arm geschiniegl
so dahinzuschweben!

Kurt Kluger: Ein fesches Mädel ist sie ja!
Famose Figur! Das Rokokokostüm stand ihr
prächtig, und ailfs Tanzen versteht sie sich
auch. Da soll einer kaltes Blut behalten.

Life Liebreich: Von dem Tage ab, wo er
zum erstenmal herübersah, Hab' ich ihn geliebt.
Seine großen klugen Augen, seine vornehme
Haltung — ach Kurt, du bist gut und edel!
Meine ganze Seele liebt dich!

Kurt Kluger: Das süße Mädel iväre mir
schon recht; aber eine romantische Liebesheirat?
— Muinpitz! — Mußte mich der Teufel reite»,
so viel Sekt zu saufen. Und die verführerische
Nische! Zu dumm! Zu dumm!

Life Liebreich: Ach, ivar das selig, als
er mich an sich,zog und mir zuflüsterte: Meine
liebe, süße Life! Und als er mir den Kopf
zurückbog und mir den Kuß gab — ach, Kurt,
wie gern hätte ich dir ihn wiedergegeben und
dir gesagt, wie heiß und innig ich deine Liebe
erwidere. Aber es ivar ja nicht meine Schuld,
daß wir gestört lvurden.

KurtKluger: Ein wahresGlück, daß gerade
noch zur rechten Zeit die Spürnase des Land-
gerichtspräsidenten hinter den Blattpflanzen
auftauchte. Ich hätte mich ivahrhastig noch
mehr engagiert. Wahrscheinlich hatte die Koni-
inerzienrätin ihren Vertrauten nach mir aus-
geschickt, um mich an die Verpflichtung ihrer
„liebreizenden" Tochter gegenüber zu erinnern.

Life Liebreich: Der arme Kurt, wie leid
er mir tat, daß er den Schlußwalzer mit der
häßlichen, hölzernen Amanda tanzen mußte.
Nur noch mit den Augen konnte ich ihm sagen,
wie ich ihn liebe.

Kurt Kluger: Die Amanda ist wirklich ei»
dürftiges Gestell! Möchte schon lieber die rassige
Life im Arme haben! Aber danach kann's nicht
gehen. Fünf Millionen soll die Kommerzien-

iviltib haben, und Amanda wird Universal-
erbin. Das ist 'ne feinfeine Cache!

Life Liebreich: Mir zuliebe verschmäht er
Amanda, trotz ihres vielen Geldes. O du guter,
lieber, idealer Mann! Wie will ich es dir mein
ganzes Leben lang danken! Ach, was für ei»
gemütliches nettes Heim will ich dir bereiten.
Nichts will ich für niich. Du sollst mein ganzes
Glück sein, mein ein und alles.

Kurt Kluger: Hatte gestern wirklich Mühe,
nach dem Intermezzo mit der reizenden Life,
zu der herben Amanda ins richtige Verhältnis
zu kommen. Sie schien etwas verstimmt beim
Abschied. Werde ihr heute einen pompöse»
Blumenstrauß schicken. Muß mich doch als
Kavalier zeigen. Wird sich ja auch gut bezahlt
machen. In vierzehn Tagen muß die Vcr-
lobungsanzeige heraus. Wird meinem schönen
Visavis eine schmerzliche Überraschung sein.

Life Liebreich: Gut nur, daß er auch von
Haus aus arin ist. So geben wir einander
gleich viel: uns selbst! Ach, Geliebter, wie reich
werden wir sein, und wie glücklich!

Kurt Kluger: Na, zum Donnerwetter, die
Närrin wird sich doch nicht im Ernst einbilden,
ich würde ein armes Mädchen heiraten? Ein-
fach lächerlich! Werde von jetzt ab die Fenstcr-
grüße einstellen, damit sie weiß, woran sie ist.
(Er entdeck!, daß er. vergessen hat, die Vorhänge vor-
zuziehe». Steht auf, schlüpft in den Schlafrock und
nähert sich vorsichtig dem Fenster, um das Versäumle
nachzuholen.)

Life Liebreich: Ob er schon aufgestanden
ist? Vielleicht wartet er ungeduldig darauf, mir
seinen Morgengruß herüberzusendcn. Ich fliege,
mein Liebster! (Sie wirft ihr Morgcngewand über,
eilt ans Fenster und zieht die Vorhänge im gleichen
Moment zurück, wo Kurt sich anschickt, die seinigcn z».
zuziehen. Sie sehen sich. Liese will winken: aber schon
sind Kurts Vorhänge geschlossen.)

Life Liebreich (wirst sich schluchzend ansz Bell
und netzt es mit heißen Tränen).

Kurt Kluger: Ausgezeichnet! Nun weiß sie
doch gleich, woran sie ist. (Er kriecht befriedigt in die
warmen Federn zurück und schnarcht alsbald wieder
mit dem guten Gewissen eines Mannes, der das Leben
ernst nimmt, und der, wen» er schon mal in der Seit-
laune eine Dummheit gemacht hat, doch in der Niichtern-
heit weiß, was er sich seihst und seiner Stellung schu!-
 
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