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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0149
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7478

Das homogene Ministerium.

halt' ein, halt' ein, 0 Theobald,

So geht's nicht weiter fort!

Allwöchentlich, alltäglich fast
Fliegt einer über Bord!

Dem Bienenhaus und Taubenschlag
Gleicht dein Kollegium
Und die Ministerportefeuilles
Gehn wie ein plumsack 'rum.

Der eine war dem Zentrumsturm,
Dem schwarzen, unbequem,

Der zweite den Agrariern,

Den blauen, nicht genehm,

Der dritte hatte für sein Amt
Im Schädel zuviel Mark,

Der vierte war nicht fromm genug,
Der fünfte soff zu stark.

Die heiligsten Gefühle, ach,

Sie werden schnöd' entweiht,

Und irre wird der Untertan
An seiner Obrigkeit;

Mer ist's, den er verehren soll,
Dem sein Respekt gebührt?

Ach, heute liegt im Rehricht schon,
Wer gestern ihn regiert!

O gib dir, Theo, keine Müh',

Du kannst das Ding nicht drehn,

Dein Ministerium wird und wird
Und wird nicht homogen!

Rollegen finden, die dir gleich,

Mein Freund, ist allzu schwer:

Denn einen zweiten, so wie du - -

Gibt's in der Welt nicht mehr! Tobias.

Mit dem verstände, Theobald
Den Gott der Herr dir gab,

Suchst strenge prüfend du die Reihn
Der Randidaten ab;

Und fandst du einen, wie es schien,
vollgültigen Ersatz:

Nach vierzehn Tagen räumt er schon
Als unbrauchbar den Platz.

Titanic.

Lin Riefenlchwan, so kam das 8chikk
Stolz über das Meer gezogen,
es konnte trotzen jeglichem Sturm,
es konnte trotzen den wogen.

Hn feinem Bord gab’s Spiel und Tanz,
es wurde geschlemmt und geflirtet.

Die Reichen waren auf diesem Schiff
Wohl überaus trefflich bewirtet.

€s hatten der Glanz und der Genufj
Die ganze Fahrt lang gedauert;

Doch dort im ärmlichen Zwischendeck,

Da sah man das eiend gekauert.

Da sahen sie, die europamüd'

Dem eiend wollten entrinnen,

Für sich und die Ihren über dem Meer
neu eine Heimat gewinnen.

hier grinsten Hunger und Dürftigkeit,

Doch alle hingen am Leben

Und hofften, es werde die neue Welt

fluch neue Lebenskraft geben.

So schwammen das eiend und die Pracht
Zufammen auf einem Schiffe,

Bis dah der Noloh zufammenftieh
Mit des Fisbergs schwimmendem Riffe.

Und in die Fluten das Schiff versank
Mit all den flrmen und Reichen;
flusgleichend kam der gewaltige Tod
Und machte fie alle zu Leichen. e. f.

Von der „Ala".

Allgemeine Luftfahrzeug-Ausstellung zu Berlin
im April 1SU2.

Ganz besonders sehenswürdig war der sogenannte
„Meschuggene Pavillon", der einen sehr belehrenden
Ueberblick über das luftige Handwerkzeug der Regie-
rung und der regierenden Parteien darbot. Wir
greifen hier einige der preisgekrönten Modelle heraus:

Der machtvoll geschwollene „Hertling" und der
kräftig langgezogene „Belhmann", zwei über den
Parteien schwebende lenkbare Staatsballons mit
Zentrumsmotoren und konservativen Propellern. Der
überlegene Typ von beiden ist der Hertling; denn
er gewinnt gegen den schon etwas veralteten Beth-
mann glatt jedes Nennen.

Ferner hatte die überaus rührige Firma „Zen-
trum" ihre berühmten zwei Doppelmoraldeder „Krähe
Berlin" und „Krähe Köln" nicht bloß ausgestellt,
sondern führte sie dem Publikum sogar im schärssten
Wettbewerb vor. Beide Apparate flogen mit einer
wahrenFledermausgeschicklichteit umeinander herum,
ohne sich gegenseitig irgend etwas auszuhacken. Leider
aber wurde einem Passagier der „Krähe Berlin"
namens Roeren so schlecht dabei, daß er aussteigen
mußte!

Der nationalliberale Eindecker „Taube der Einig-
keit" mit seinem gewaltigen kapitalistischen Schwanz-
stück, das zwischen seinem rechten und seinem linken
Flügel bekanntlich für europäisches Gleichgewicht
sorgen soll, flatterte mehrfach sehr schwerfällig in der
Halle umher; Passagiere aber getrauten sich wohl-
weislich nicht anf ihn hinauf.

Gradezu populär dagegen und von Besuchern
direkt umdrängt war das konservative Luftfahrzeug!
Es besteht nämlich ganz einfach aus einem „Staats-
streichpulverfaß" nebst Lunte und einem sogenannten
starken Mann als „Flieger" obendrauf.

„Ohne kaiserlichen Lnftflottenklub is der janze
Trödel doch bloß Mumpitz!"

Die Wandlung.

wie trübe war der Regierenden Blick,

Sprach einer je von Sozialpolitik.

„wir möchten schon," sprachen die braven Seelen,
„Doch woher nehmen und es nicht stehlen?"

Und kamen die Veteranen daher.

Da war der Beutel stets schlaff und leer.

Und wollt man die Invaliden verbessern,

Flugs kam die Regierung, die Brühe zu wälfern.

Nun plötzlich strahlt der Regierung Gesicht
Und alles sieht in rosigem Licht.

Rinder, jubelt und schreit hurra!

Das Geld ift scheffelweise da!

Und jeder fragt verduzt: Nanu?

Geht das mit rechten Dingen zu?
verzichten in patriotischer Rage
Die deutschen Fürsten auf ihre Gage?

O, dieses Rätsels Lösung isi alt:

Das Geld isi immer vorhanden, sobald —

Der Gott der Kanonen, Patronen, Marine
£s von uns fordert mit hungriger Miene!

Porzelt.

Wie die „Frankfurter Zeitung" meldete, hat der
„Zavalier" Graf Metternich den Staatsanwalt-
schaftsrat Porzelt wegen Beleidigung seiner Gattin
zum Duell gefordert. Der Staatsanwaltschaftsrat
hat die Forderung zuerst angenommen, mußte sie
dann aber aus Veranlassung des Ehrenrats zurück-
weisen, der den Grafen Metternich für nicht fatis-
saktionssähig erklärte.

Nach § 201 des Strafgesetzbuchs wird „die An-
nahme einer Herausforderung zum Zweikampf mit
Festungshaft bis zu sechs Monaten bestraft". Dem
Staatsanwaltschaftsrat Porzelt liegt also nunmehr
die amtliche Pflicht ob, auf Grund dieses Para-
graphen gegen sich selber die Strafverfolgung ein-
zuleiten. Auch wird er in Erwägung zu ziehen haben,
ob er nicht zugleich eine Disziplinaruntersuchung be-
antragen soll. Denn es erscheint fraglich, ob ein Be-
amter, dem die Sühne strafbarer Handlungen obliegt
und der selber gegen das Strafgesetzbuch verstößt,
sich nicht einer groben Verletzung seiner amtlichen
Würde schuldig macht.

Wir erwarten daher, daß der schneidige Staats-
anwaltschaftsrat diese beiden Strafverfahren gegen
den PP. Porzelt mit der ihm eigenen unerbittlichen
Strenge unverzüglich einleiten und rücksichtslos durch-
führen wird. Tobias.
 
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