Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0325
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7654 .

Die Junker und die Pfaffen,
Die schauen trüb darein.

Es blitzen unsre Waffen
3um Schrecken derSchlaraffen
Im Herbstessonnenschein.

Sie sehn mit Rngst und Trauer
Vas Blühn auf unsrem Feld:
Es fiel ein Regenschauer
befruchtend auf die Welt!

Der eucharistische Kongreß.

Die Welt wird schlimmer jeden Tag,

Die Einfalt ging zum Teufel,

And allenthalben machen breit
Anglaube sich und Zweifel.

Druni rief man, eh' der Serr vertilgt
Die Welt in Söllenflammen,

Den eucharistische» Kongreß
Im sünd'gen Wien zusammen.

Für Bildung, Geist und Forscherdrang
And andre schnöde Laster
Ist er das beste Gegengift
And ein bewährtes Pflaster;

Wenn Pfaffenschweiß und Weihrauchdunst
Vereint zum Simmel steigen.

Erstirbt im Sirne die Vernunft
And alle Skrupel schweigen.

Von Angarn bis zur Steiermark,

Von Bosnien bis Böhmen
Ergießt gottsel'ge Dummheit sich
In breiten Gnadenströmen;

Verstand, Kritik und Wissenschaft
Verwehn wie mürber Zunder,

Man schwört auf jedes Priesterwort
And glaubt an jedes Wunder.

Dem Wink der Kirche folgen sie.

Einfältig wie die Kinder,

And beugen sich der Obrigkeit,

Der weltlichen nicht minder.

Dann stört kein Nörgler das Geschäft:

In Friede, Ruh' und Ehren
Kann stillvergnügt der kluge Sirt
Die Sammelherde scheren.

Darum, o gläub'ge Christenheit,

Beherz'ge und ermesse

Die Gnadenfülle, die du dankst

Dem heiligen Kongresse!

Je dreckiger der Ketzer lacht.

Je fester steht auf Erden

Das Reich der frumben Biederleut',

Die nimmer alle werde»! Tobias.

Der Lauptschlager.

Generalanzeigers Leiden und Freuden in 1 Akt.
Ort der Handlung: Redaktion des Generalanzeiger.
Darin: zwei Schreibtische. Daran: erster Redakteur und
zweiter Redakteur.

Er st er Redakteur (sieht aus einem Berg von
Zeitungen auf, legt die Schere beiseite, wendet sich nach
dem Schreibtisch an der gegenüberliegenden Wand):
Was ich noch sagen ivollte — wir müssen unter
„Nelies aus aller Welt" inehr Schlager bringen.
Nicht solche Harmlosigkeiten wie gestern znm
Beispiel! Diebstahl, Urkundenfälschung—inter-
essiert unsere Leser gar nicht, können sie alles
selber machen. Mehr Blut und Leichen! Das
Publikum verlangt für sein Geld eine Gänse-
haut, die allemal bis zur nächsten Nummer

Nach dem Parteitag.

wenn unser wortgewitter
Des Volkes Donner rief, —

Ihr Heiligen und Ritter,
was klagt und stöhnt ihr bitter?
wir war'n halt „positiv"!

Und wenn der Zukunftsacker
Die reichste Frucht jetzt führt, -
Ihr habt dafür jetzt wacker
Gesorgt und agitiert.

Ihr müßt euch dran gewöhnen:
was ihr auch laßt und tut,

Das Dröhnen und das Stöhnen,
Das grinsende verhöhnen, -
Es kommt stets uns zu gut!

Schon schwankt dervau derRlassen;
Ihr fühlt es schreckensbleich.

Venn unser sind die Massen.

Und unser wird das Reich!

stehen bleibt. ... Sind denn heute ivenigstens
ein paar Tote dabei?

Zweiter Redakteur lkommt hinter seinem
Schreibtisch hervor, in der Hand ein paar mit Nach-
richten beliebte Manuskriptblätter, verzweifelt:: Leider
sind nur ganz geringfügige Bluttaten gemeldet!
Es ist ’n Jammer!

Erster Redakteur: Wir leben eben in einer
blutarmen Zeit. (Ergreift die Blätter des Kollegen,
überfliegt sie, runzelt die Stirne.) Weiß Gott, nicht
mal ’n anständiger Doppelmord dabei! Halt,
hier (liest) „zertrümmerte ihr die Schädeldecke"
. . . fett drucken lassen (unterstreicht die Stelle).
Aber ein Schlager fehlt! Ein Schlager muß
'rein! überhaupt wo morgen Sonntag ist. . . .

Zweiter Redakteur (hilflos): Aber wenn
eben keüi Massenmord passiert ist! Wir können
ihn doch nicht den Lesern zuliebe selber ver-
üben!

E r st e r Redakteur (unerschütterlich): Aber
selbstverständlich können wir das! Setzen Sie
sich hin, komponieren Sie eine saftige Ehe-
tragödie: „Er" tot, ,,Sie" tot, die Kinder im
Sterben! Schreiben Sie: „Aus Jnovrazlaiv
wird gemeldet" .. . Kein Mensch kennt das
Nest. Zerren Sie eine» Pfaffen mit in den
Skandal! Immer schön blutig, pikant, sen-

satio-■ (bricht ab, weil auf dem Korridor Tritte

hörbar werden).

DepescheIIbote (tritt ein, überreicht einen De-
peschcnbrief, geht ab).

Erster Redakteur (schneidet den Brief auf,
überfliegt die Depeschen; sein Gesicht erhellt sich, leuchtet,
lächelt selig): Famos! Großartig! Der Schlager
für das Neue aus aller Welt.. .

Zweiter Redakteur (vorübergebeugt, inter-
essiert): Was denn? Ein Massenmord?

Erster Redakteur: Viel feiner!

Zweiter Redakteur: Eine Hinrichtung?

Erster Redakteur: Viel feiner!

Zweiter Redakteur: Eine — eine Eisen-
bahnkatastrophe??

Erster Red akteur: Viel, viel feiner! (Seinem
Kollegen strahlend vorlesend): Prinzessin Klotilde
war erschienen in himmelblauer Atlasrobe, im
hochfrisierten dunklen Haar ein Smaragden-
diadem. Die hoheBraut,JhroKöniglicheHoheit
Prinzessin Maria-■-

Zweiter Redakteur (aufjubelnd): Der Be-
richt von der Prinzenhochzeik!! (Entreißt dem
anderen die Depesche, hüpft freudig an feinen Schreib-
tisch): Glänzend! Ein Hauptschlager! Der liebe
Gott verläßt uns doch nicht! (Macht die Depesche
leuchtenden Auges druckfertig.) R. Grötzfch.

Offiziöse Weisheiten.

Die „Norddeutsche Allgemeine" schrieb neulich:
„Die allgemeine Teuerung ist eine Folge der ge-
steigerten Kaufkraft des Volkes."

Durch ein Versehen des Setzers sind folgende
Weisheiten vergessen worden:

Der zunehmende Verbrauch von Pferden, Hunden
usw. ist eine Folge der gesteigerten Fcinschmcckerei
unseres Volles.

Tue ewigen Spionageverhastungen sind ein Be-
wcis für die zunehmende Freunoschasl zwischen
Deutschland und seinen Nachbar».

Die andauernden Reinfälle unserer Diplomaten
sind ein Beweis für die Tüchtigkeit unseres Adels.

Der Wählerschwund der Regieruitgsparleien ist
eine Folge ihrer wachsenden Populaciiät.

Der Hungertod so vieler Veteranen ist ein Be-
weis für ihre Schlemmerei und die dadurch ent-
stehenden Magenkrankheiten.

Die vielen Bergwerkskalastrophen sind eine Folge
der allzu sorgfältigen Befolgung der Sicherheits-
Vorschriften.

Der Geburtenrückgang in Deutschland ist eine
Folge der gesteigerten Lebenskraft.

Die Armut ist eine Folge der Powcrteh.

Budapest.

„Meine Weisheit ist zu Ende",

Sagte Ungarns starker Mann,

„Darum, nach berühmten Mustern,

Muß die Polizei heran!

Zwar sind diese Volksvertreter
Unverletzlich, wie man spricht,
voch solch kleinliche Bedenken
Stören einen Tisza nicht."

Pavlik, der Uonftablerhetman,

Waltet seines Amtes froh
Und erhebt des ssauses Würde
Auf ein höheres Niveau:

Unüppel jausen durch die Lüfte,

Fäuste hauen kräftig ein,

Deckel klappen, Wecker schnarren,
Autohuppen schmettern drein.

Ach, es schützt vor blut'ger Nase
Titel nicht noch (Ordensband,

Und dem edlen Tsterhazi

Beißt man schmerzhaft in die ssand.

Erst nach langem heißen Bingen
Leerte sich das hohe ssaus,

Grafen, Räte, Präsidenten,

Selbst Minister flogen 'raus.

Während man die Beulen kühlet
Und die Wunden näht mit Zwirn,

Windet sich den Siegeslorbeer
Tisza um die sseldenftirn,

Und aus allen ssinterwäldern
Schallet lauter Iubelton:

Ihren Herrn und Meister feiert
Die beglückte Beaktion.

voch ein Blagelaut, ein banger,

Bommt aus himmlischem Revier,

Und der sel'ge Trffa seufzet:

„Wehe, wehe, wehe mir!

Daß in Preußens Parlamente

Ich trotz aller meiner Macht

Und trotz allen: guten Willen

So was nie zuweg' gebracht!" Tobias.
 
Annotationen