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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0347
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—• 7676

Vethmann weiß nichts von Fleischnot.

harikiri.

„Da reden die Sozialdemokraten fortwährend von der Fleischnot! Ich habe mit dein
besten Willen davon nichts entdecken können."

o

Parteitags, der dem Präsidenten vorwarf, nicht
scharf genug ans den „persönlichen" Charakter
der Ausführungen zu achten. Ein anderer Teil
war hingegen der Ansicht, daß man es un-
möglich so genau nehmen könnte. Der Prä-
sident versöhnte sie alle, indem er sagte: „Ge-
nossen, die durch die Geschäftsordnung ge-
zogenen Grenzen müssen eine gewisse Dehn-
barkeit besitzen (allgemeiner Beifall), aber cs
ist nötig, daß sie feststehen." Und wie hätte
der Parteitag dieser Schlußfolgerung nicht
ebenfalls seine Zustimmung geben sollen? •..

Ein Redner kehrte verschiedene Male einen
Gesichtspunkt hervor, der gar keiner war_

Ein Delegierter sprach: „... den Namen
des Genossen Blindmayer brauche ich Ihnen
nicht mehr zu nennen. Sie alle kennen ihn.
Auf seine Argumente brauche ich ebenfalls
nicht einzugehen. ..." Redner setzte sodann
ausführlich den Inhalt dieser Argumente aus-
einander, worauf der Kongreß in der betref-
fenden Angelegenheit natürlich sehr klar sah—

Bei der Besprechung des Falles Hildebrand
erwähnte der Redner der Kommissionsmino-
rität, Genosse Müller-München, daß die Be-
schwerdekommission unter den schlechten Raum-

verhältnissen zu leiden gehabt hätte, die es
ermöglichten, „daß man draußen alles hören
konnte". Darüber kam es nach Schluß der
Debatte zu einer Privatdiskussion zwischen
einigen Delegierten, von denen einer meinte:
„Recht hat er, der Müller, die Beschwerdc-
kommission gehört immer auf den verschwie-
gensten und stillsten Ort im Hause-"

Als Genosse Dr. Haase sein Referat über
den „Imperialismus" hielt, herrschte eine sehr
große Aufmerksamkeit. Der Redner streifte die
großen internationalen Probleme, was ihn zur
Nennung aller möglichen Länder veranlaßte.
Frankreich, Rußland, England, Amerika, In-
dien, China, Japan, Persien lösten sich rasch ab.
Und so nannte er auch jede Silbe scharf skandie-
rend, Me—so—po—ta—mi—eit... In diesem
Augenblick hörte man plötzlich einen liefen,
wehmutsvollen Seufzer durch den Saal klingen:
„O schöne Heimat..." Abdul—Spas—Zs.

wie wär's? Das Beifpiel ilt gegeben,
wie? Ocker zittert eure Hand?

Ihr opfert täglich ja ckas Leben
für König, Volk unck Vaterland!

Dieledle Junker an der Elbe,
verlpürt ihr nicht, ckah etwas faul?
ver flderglaude ift ckerleide,
voch dort die Tat und hier das Maul.

Ihr leht ein ganzes Volk in Nöten,

Vas ihr lo tehr, so lehr geliebt!
was zaudert ihr, euch feibft zu töten.

Da euer Tod uns Leben gibt?

Den Zeigefinger an der Krempe
Des Kakihuts zum flblchiedsgrutz.

Lind dann heraus mit eurer Plempe,

Lin Vogl-Bild non Kopf zu fuh!

Lin Schlitz durd) eure fetten Bäuche,

Dah blau das Blut zur Lrde quillt,

Lin letztes 8chnauben und Oekenche,

Lind untere Lehnlucht ift gestillt!

€dgar Steiger.

Vassallentreue.

Als brr brave, alte General v. Ziickcrbein in der
Zeitung las, baß General Nogi, der Sieger über
die Russen, sich gemeinsam mit seiner Fra» beim
Begräbnis des Kaisers von Japan freiwillig den
Tob gegeben habe, blieb ihm vor lauter Verblüffung
der Munb offenstehcii.

Nach einer ganzen Weile tiefen Sinnens aber
kam er dann zu folgenbem Schluß: „Na, ich banke!!
Wahre Vasallentreuc muß boch in solchen Fällen
lebcnbig bleiben nnb springt eben ganz einfach mit
'nein gehörigen Schwung auf den bisherigen Kron-
prinz hinüber!"

Äerbstsonne.

Sie lacht und durchleuchtet dasbuntblätterige
Gebüsch vor meinem Fenster. Ich kann ihrer
Lockung nicht ividerstehen, werfe die Arbeit
hin und eile hinaus, die Langentbehrte zu ge
nießen.

O Sonne, süße Sonne, ivie ich dich liebe!

Nun sitze ich auf der Bank am Abhang,
lasse mich von ihren wärmenden Strahlen um-
spielen und habe die langen, lichtlosen Wochen
vergessen.

Ach, daß sie auch heute sich nicht ganz gibt!
Immer nur für Minuten taucht sie die Land-
schaft in ihren Lichtglanz. Jetzt verschwindet
sie schon ivieder hinter tvulstigen Wolken und
fröstelnd versinkt alle Fröhlichkeit.

Nun ist sie wieder da, die Zauberin, huscht
durch die Kronen der ernsten Kiefern, lustige
hellgrüne Farbenkleckse verteilend, und tanzt
lachend ans den silberigen Blättern der Weiden.
Ein gelber Falter flattert auf und wiegt sich
wohlig Über den Blütenköpfen der Disteln.

Da kommt eine alte Dame gebeugt und
langsam den Pfad herauf. Erschöpft atmend
läßt sie sich neben mir nieder.

Die Sonne lächelt ihr milde zu. Weiß sie
doch, daß die gebrechliche Erdenpilgerin bald
hinab muß in die kalte, etvige Nacht. Voll
Mitleid und wärmender Liebe streichelt sie der
Greisin die fahlen runzligen Wangen.

Die aber — spannt ihren Sonnenschirm auf.

Alte Gans, denkt die Himmelskönigin und
zieht sich ärgerlich hinter eine dunkle Wolken-
wand zurück.

Die Dame klappt befriedigt ihren Schirm
zu. Sie hat ihre alte Gegnerin, die tückische
Feindin ihres Teints, wieder einmal in die
Flucht geschlagen. Freilich, nun frieren ihr
 
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