7677
gleich die zitterigen Glieder. Fröstelnd erhebt
sie sich und schleicht von dannen.
Ich sehe ihr lange nach, und mein ironisches
Lächeln verwandelt sich in Trauer. Sollten
wir alternden Menschen nicht lernen, jeden
Sonnenblick, jede auch noch so flüchtige Er-
freuung verweilend zu genießen? Sollten wir
nicht alles Schöne, das uns auf dem absteigen-
den Lebensweg noch begegnet, mit Bedacht und
Bew ußtsein festzuh alten und auszukosten such en?
Spärlicher, immer spärlicher sendet uns die
Herbstsonne Stunden erhöhter Stimmung, be-
lebenden Glücks. Näher und näher rückt der
Winter und die eisige Starre des Todes. Und
wir Toren spannen den Schirm der Sorgen auf
und halten den Sonnenschein einer frohen
Stunde griesgrämig von uns ab.
Ach, was sind wir doch für Dilettanten des
Lebens! __ ■£$
Mittgart.
In Erwägung der betrübenden Tatsache, daß die
Geburtenziffer tn Deutlchland während der letzten
Jahre stetlg zurückgegangen ist und daß die ger-
manische Bevölkerung überdies immer mehr von
rassesremden Bestandteilen durchsetzt wird — bilden
doch sogar Judenabkömmlinge einen berrächtlichen
Prozentsatz des preußischen Adels! — hat sich eine
Anzahl aUdcuischcr Männer und Frauen zur Grün-
dung eines Vereins zusammengetan, dessen einziger
Zweck darin besteht, dem bedrohten Vaterlande durch
das Erzeugen beziehungsweise Gebären reindeulscher
Kinder aus die Beine zu Helsen. Der Verein hat
sich den Namen „Miltgart" beigelegt, was ein alt-
deutsches Wort sein und, wie unser philologischer
Sachverständiger uns mitteilt, soviel wie „Kaninchen-
stall" bcdeulcn soll.
Bekanntlich kann das deutsche Weib, falls cs
nicht Zwillinge oder Drillinge gebiert, im Lause
von dreiviertcl Jahren nur ein einziges Kind zur
Welt bringen. Dagegen vermag der deutsche Mann
in demselben Zeiträume eine fast unbeschränkte An-
zahl Nachkommen zu erzeugen, wenn ihm die zu
diesem Zweck notwendigen weiblichen Hilfskräfte
in der richtigen Auswahl zur Verfügung gestellt
werden. In Berücksichtigung dieser Sachlage hat
der Verein „Mittgart" die Bestimmung getroffen,
daß je ein männliches Vereinsmilglicd mit acht
weiblichen behufs Herbeiführung des Vereinszwecks
in engerer Kommission zusammenarbeiten muß. Um
alle Einseitigkeit und ermüdende Monotonie zu ver-
meiden, wechselt die Zusammensetzung der einzelnen
Kommissionen in beslimmiem Turnus.
So sympathisch nun auch jedem völkisch empfinden-
den Deutschen der Zweck des neuen Vereins sein
muß, so schwierig gestaltet sich leider die praktische
Durchführung seiner Organisation. Daß aus allen
Gegenden des Vaterlandes täglich massenhafte Bei-
trittserklärungen einlaufcn, ist bei der bekannten
idealen Opfcrfreudigkeit unserer Alldeutschen selbst-
verständlich. Aber die richtige Auslese zu treffen ist
nicht leicht und leider mußte ein Teil gerade des
edelsten alldeutschen Zuchlmalerials zurückgewicscn
werden. So konnte beispielsweise der als besonders
tüchtige Kraft geschätzte Rechtsanwalt Bredercck, auf
den die Vereinsleitung die stolzesten Hoffnungen
gesetzt halte, nur als korrespondierendes Mitglied,
der um die nationale Sache hochverdiente Rektor
Ahlwardt nur als außerordentliches Ehrenmitglied
ausgenommen werden, weil der crstere aus persön-
lichen Gründen Plötzlich genötigt war, seinen Wohn-
sitz ins Ausland fern von der heimischen Scholle
zu verlegen, während dem letzteren im Hinblick auf
sein vorgerücktes Alter eine ersprießliche aktive Bcr-
cinstätigkeit nicht mehr zugemutet werden durfte.
Auch der unter dem populären Namen „Triolen-
Schack" bekannte und geschätzte frühere antisemitisch«
Rcichstagsabgeordnete für Eisenach mußte sich da-
mit begnügen, vorläufig auf ein Vierteljahr zur
Probe zugelassen zu werden, da er sich bisher nur
mit zwei Frauen bewährt hatte. Schließlich sah
die Vereinsleitung sich zu ihrem Schmerze genötigt,
auch das Ausnahmegesuch einer früheren Kron-
prinzessin ablehnend zu bescheiden, da die hohe
Dame in völliger Verkennung des Vereinszwecks
einer Kommission zugeteilt zu werden wünschte, die
Das jüngste Mitglied der Gesellschaft Jesu.
M. Engerl
nicht ans einem Mann und acht Frauen, sondern
aus einer Frau und acht Männern bestehen sollte.
Hoffen wir,daß trotz dieser mannigfachen Schwierig-
keiten das segensreiche Wirken des Vereins recht bald
in gedeihlichen Fluß kommen und Deutschland mit
einer Fülle echt germanischer Raffemcnschen be-
schenkt werden möge! ArmintuS.
Oer neue heilige.
Zu Burg, da ist die Tat gefdxbn.
Die an der JDand tollt’ flammend stehn.
Den Mörder iaht’ die Polizei,
Der tat fogar noch stolz dabei;
£r meinte, dah die Tat nur billig,
er lei ein Held und arbeitswillig ...
Zur felben Zelt, da tah noch fpat
Belm Sekt der Herr Kommerzienrat,
Sprach mit den freunden lang und brett
entrüstet über diefe Zeit:
„Mutwillig streikt heut' das,Gefindel‘,
Das tchon verdorben in der Windel;
Denn eine hintzegarde hat
Sich umgetrieben in der Stadt.
„Der flrbeitswill’ge in der Tat
Mein kann retten untern Staat
Die war auch dort, wie tich’s gebührt.
Gut mit ReDOlDern ausftaffiert.
„Und die Gefellfcbaft obendrein:
Drum toll er unter Held auch fein!"
6in Streiker kam, ein braver Mann,
wie man nur einen finden kann.
hoch tat das Sektglas er erheben:
„Der arbeitswillige toll leben!
ein harmlos Wort und alfobald
Macht' Ihn der hintzebruder kalt;
„£r ist, Ihr Freunde wißt es tchon.
Uns eine heilige Perton!"-
Cr tchoh zweimal und fehlte nicht. So zieht bei uns hochherrlich ein
erlotchen war des Lebens Licht... Der Mörder mit dem hetl'gentchein. fl. t.
Agrarier Oertcl.
Der Asphalt-
gleich die zitterigen Glieder. Fröstelnd erhebt
sie sich und schleicht von dannen.
Ich sehe ihr lange nach, und mein ironisches
Lächeln verwandelt sich in Trauer. Sollten
wir alternden Menschen nicht lernen, jeden
Sonnenblick, jede auch noch so flüchtige Er-
freuung verweilend zu genießen? Sollten wir
nicht alles Schöne, das uns auf dem absteigen-
den Lebensweg noch begegnet, mit Bedacht und
Bew ußtsein festzuh alten und auszukosten such en?
Spärlicher, immer spärlicher sendet uns die
Herbstsonne Stunden erhöhter Stimmung, be-
lebenden Glücks. Näher und näher rückt der
Winter und die eisige Starre des Todes. Und
wir Toren spannen den Schirm der Sorgen auf
und halten den Sonnenschein einer frohen
Stunde griesgrämig von uns ab.
Ach, was sind wir doch für Dilettanten des
Lebens! __ ■£$
Mittgart.
In Erwägung der betrübenden Tatsache, daß die
Geburtenziffer tn Deutlchland während der letzten
Jahre stetlg zurückgegangen ist und daß die ger-
manische Bevölkerung überdies immer mehr von
rassesremden Bestandteilen durchsetzt wird — bilden
doch sogar Judenabkömmlinge einen berrächtlichen
Prozentsatz des preußischen Adels! — hat sich eine
Anzahl aUdcuischcr Männer und Frauen zur Grün-
dung eines Vereins zusammengetan, dessen einziger
Zweck darin besteht, dem bedrohten Vaterlande durch
das Erzeugen beziehungsweise Gebären reindeulscher
Kinder aus die Beine zu Helsen. Der Verein hat
sich den Namen „Miltgart" beigelegt, was ein alt-
deutsches Wort sein und, wie unser philologischer
Sachverständiger uns mitteilt, soviel wie „Kaninchen-
stall" bcdeulcn soll.
Bekanntlich kann das deutsche Weib, falls cs
nicht Zwillinge oder Drillinge gebiert, im Lause
von dreiviertcl Jahren nur ein einziges Kind zur
Welt bringen. Dagegen vermag der deutsche Mann
in demselben Zeiträume eine fast unbeschränkte An-
zahl Nachkommen zu erzeugen, wenn ihm die zu
diesem Zweck notwendigen weiblichen Hilfskräfte
in der richtigen Auswahl zur Verfügung gestellt
werden. In Berücksichtigung dieser Sachlage hat
der Verein „Mittgart" die Bestimmung getroffen,
daß je ein männliches Vereinsmilglicd mit acht
weiblichen behufs Herbeiführung des Vereinszwecks
in engerer Kommission zusammenarbeiten muß. Um
alle Einseitigkeit und ermüdende Monotonie zu ver-
meiden, wechselt die Zusammensetzung der einzelnen
Kommissionen in beslimmiem Turnus.
So sympathisch nun auch jedem völkisch empfinden-
den Deutschen der Zweck des neuen Vereins sein
muß, so schwierig gestaltet sich leider die praktische
Durchführung seiner Organisation. Daß aus allen
Gegenden des Vaterlandes täglich massenhafte Bei-
trittserklärungen einlaufcn, ist bei der bekannten
idealen Opfcrfreudigkeit unserer Alldeutschen selbst-
verständlich. Aber die richtige Auslese zu treffen ist
nicht leicht und leider mußte ein Teil gerade des
edelsten alldeutschen Zuchlmalerials zurückgewicscn
werden. So konnte beispielsweise der als besonders
tüchtige Kraft geschätzte Rechtsanwalt Bredercck, auf
den die Vereinsleitung die stolzesten Hoffnungen
gesetzt halte, nur als korrespondierendes Mitglied,
der um die nationale Sache hochverdiente Rektor
Ahlwardt nur als außerordentliches Ehrenmitglied
ausgenommen werden, weil der crstere aus persön-
lichen Gründen Plötzlich genötigt war, seinen Wohn-
sitz ins Ausland fern von der heimischen Scholle
zu verlegen, während dem letzteren im Hinblick auf
sein vorgerücktes Alter eine ersprießliche aktive Bcr-
cinstätigkeit nicht mehr zugemutet werden durfte.
Auch der unter dem populären Namen „Triolen-
Schack" bekannte und geschätzte frühere antisemitisch«
Rcichstagsabgeordnete für Eisenach mußte sich da-
mit begnügen, vorläufig auf ein Vierteljahr zur
Probe zugelassen zu werden, da er sich bisher nur
mit zwei Frauen bewährt hatte. Schließlich sah
die Vereinsleitung sich zu ihrem Schmerze genötigt,
auch das Ausnahmegesuch einer früheren Kron-
prinzessin ablehnend zu bescheiden, da die hohe
Dame in völliger Verkennung des Vereinszwecks
einer Kommission zugeteilt zu werden wünschte, die
Das jüngste Mitglied der Gesellschaft Jesu.
M. Engerl
nicht ans einem Mann und acht Frauen, sondern
aus einer Frau und acht Männern bestehen sollte.
Hoffen wir,daß trotz dieser mannigfachen Schwierig-
keiten das segensreiche Wirken des Vereins recht bald
in gedeihlichen Fluß kommen und Deutschland mit
einer Fülle echt germanischer Raffemcnschen be-
schenkt werden möge! ArmintuS.
Oer neue heilige.
Zu Burg, da ist die Tat gefdxbn.
Die an der JDand tollt’ flammend stehn.
Den Mörder iaht’ die Polizei,
Der tat fogar noch stolz dabei;
£r meinte, dah die Tat nur billig,
er lei ein Held und arbeitswillig ...
Zur felben Zelt, da tah noch fpat
Belm Sekt der Herr Kommerzienrat,
Sprach mit den freunden lang und brett
entrüstet über diefe Zeit:
„Mutwillig streikt heut' das,Gefindel‘,
Das tchon verdorben in der Windel;
Denn eine hintzegarde hat
Sich umgetrieben in der Stadt.
„Der flrbeitswill’ge in der Tat
Mein kann retten untern Staat
Die war auch dort, wie tich’s gebührt.
Gut mit ReDOlDern ausftaffiert.
„Und die Gefellfcbaft obendrein:
Drum toll er unter Held auch fein!"
6in Streiker kam, ein braver Mann,
wie man nur einen finden kann.
hoch tat das Sektglas er erheben:
„Der arbeitswillige toll leben!
ein harmlos Wort und alfobald
Macht' Ihn der hintzebruder kalt;
„£r ist, Ihr Freunde wißt es tchon.
Uns eine heilige Perton!"-
Cr tchoh zweimal und fehlte nicht. So zieht bei uns hochherrlich ein
erlotchen war des Lebens Licht... Der Mörder mit dem hetl'gentchein. fl. t.
Agrarier Oertcl.
Der Asphalt-