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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0362
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7691

Eine Berliner Fleischversorgungsstudie.

Bürgerliches und proletarisches Futter.

„Mit dem proletarischen Pack will ick nischt mehr zu tun haben. Meine Kundschaft wohnt nur n
im Tierjarteuviertell"

Es ivar meine Reisekasse darin. . . . Vorhin
ivar Karmantschik, der Kavalleriegeneral, da-
Sollte der Gauner ...?

General: Ich sah ihn vorhin an der Kan-
tine Sekt trinken.

Nikita: Also er! Geh! Lauf! Hole ihn! Ich
stelle ihn vor ein Kriegsgericht. Doch nein!
Wenn du hingehst, machst du Halbpart mit
ihm. Ich kenne euch. Du bleibst hier auf der
Stelle stehen. Ich hole ihn selbst.

tEilt wütend ab.)

Wofür?

Schlachtfeld an den Höhen von Schipianik.

Der Mond fchetnt hell auf die Verwundeten und Tote».

Ljuba: Lebst du noch Stojan?

Stojan: Wasser!!

Ljuba: Ja, da wirst du lange warten
müssen. In meiner Flasche ist zwar noch etwas
Schnaps —

Stojan: Gib ihn mir!

Ljuba: Ich kann nicht: mein rechter Fuß
ist mir weggeschossen. Von einer Granate. Hui,
sie -zerplatzte. Und ich fiel wie ein Sack hin.
Was tut dir denn weh, Bruder?

Stojan: Die Brust. Luft! Das Atmen wird
mir so fchwer. Ljuba, müssen wir hier verrecken?

Ljuba: Wenn nicht bald eine Sanitäts-
kolonne kommt-da ist ein Reiter! Heda,

ihr!! Wo sind die Unseren?

Reiter: Wir haben die Höhen besetzt. Viel-
leicht geht es morgen nach Skutari! Gute Beute
da. (Reitet fort.)

Stojan: Wasser!

Ljuba: Wir Montenegriner sind Helden.
Weißt du, Brüderchen, wieviel Türken ich zur
Hölle befördert habe? Zwanzig! Dem ersten,
der auf mich anlegte, riß eine Kugel den Kinn-
backen weg. Ich stieß mit dem Bajonett zu,
daß es durch ihn hindurch ging und auf den
Fels wieder aufstieß! Wie Schweine stachen
wir sie ab. Wir sind doch Helden, Brüderchen!

Stojan: Ljuba, du weißt ja so viel. Sag'
mir doch auch: Wofür verrecken wir hier
eigentlich?

Ljuba: Ganz genau weiß ich das auch nicht.
Du hättest Väterchen Nikitas Proklamation
lese» sollen!

Stojan: Ich kann nicht lesen.

Ljuba: Man las sie ja überall vor.

Stojan (nach einer Weile): Bevor ich sterbe,
möchte ich noch einmal mein Töchterchen sehen.
Es ward erst vor acht Tagen geboren.

Lj u b a: Du bist kein rechter montenegrinischer
Held, Stojan!

Stojan: Mag sein!... Wasser... Wasser!...

(Der Mond verschwindet hinter den Wolken.)

Vassermanns Entdeckung.

Herr Bassermann kriegte die Zeder beim Wickel
Und schrieb einen prächtigen Leitartikel:

„Mit der sozialdemokrat'schen Partei,

Lieber Leser, ist es fast ganz vorbei!

Dies wurde soeben von mir entdeckt
— Bitte, halten Sie sich bedeckt —;

3u sagen, ihr Weizen sei ganz abgeblüht,
vier allerdings, ja, dies wäre verfrüht,

Doch ist sie mit ihrem jetzigen Treiben
Eifrig dabei, sich aufzureiben.

(Wie man, nicht wahr, Herr Bassermann?

Bus den letzten Wahlen ersehen kann!)

Und was sich nicht aufreibt, verärgert und grämlich,
Geht doch kaputt: es zersetzt sich nämlich,
verehrter Leser! In meinen Gedanken
Scheint die Partei mir auch zu schwanken,

Und zwar im Prinzip, w i r schwanken nur taktisch.
Jedenfalls wird nun die Zrage praktisch:

Wenn die Genossen in hellen Haufen
Oie Zahne verlassen, wohin soll'n sie laufen?

Denn dieses sagt mir mein Udlerblick:

Sie kehren zum Bürgertum zurück!

Schließen sie rechts oder links sich an?
Beiläufig: Sch wäre für Bassermann."

Herr Bassermann, ich sag' Ihnen bloß:

Ihre Entdeckung ist famos!

Was Sie hier zogen aus Ihrer Tinte,

Erfreut die stärksten Männer und Stinte.

Die Zeiten sind ernst. Sie aber sind heiter.
Schreiben Sie weiter! Schreiben Sie weiter! Lp.

Gedankenblitze eines Polizeigenies.

„Polizei" ist die wissenschaftliche Beobachtung des
Staatsbürgers; und zwar erreicht man seinen Zweck
am besten, indem man das betreffende Exemplar
sestnimmt und einsperrt!

Der Staatsbürger muß so erzogen werden, daß
er die Polizei für allmächtig, allgegenwärtig und all-
wiffend hält. — Nichtgesaßle Verbrecher schweige
man daher krampfhaft tot; denn ihnen gegenüber
hat sich die „höhere Vorsehung" leider nur als
„höhere Hinterhersehung" erwiesen.

Auch die Polizei ist an den Buchstaben des Ge-
setzes gebunden; zum Glück aber braucht sie nicht
die Würde der Justiz zur Schau zu tragen, sondern
darf Spektakel machen wie ein Kettenhund!

jagows Kampf mit der feuerwehr.

Jagoro’n juckt der ßeldenkopf
Längst nach neuem Corbeerkranz,

Und er greift mit Eleganz
Die Gelegenheit beim Schopf.

Ra(d) den Säbel umgefcbnailt —

Er besteigt den schnellsten Renner
Und alsbald

Gebt es auf die feuermänner.

Denn wo soll er Lorbeer pflücken?
Moabit ist Ni». Schon lange
Ättert er im Tatendrange.

Mit den Roten roill’s nicht glücken,
fllfo schleudert er die Blitze
In das feuermebrdepot
Mit hallo,

Er, der erste an der „Spritze“.

Und er wirst von oben her
Ihres Bundes Bau zulammen —
fleh, die lo entfachten flammen
Löscht wohl keine feuerwehrü
Und die lagowpreste meckert:

!a, er hat sich wieder mal
Kolossal

In Berlin mit Ruhm bekleckert
 
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