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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0379
7708
Teufelaustreibung.
Erich Schilling
„Billiges Fleisch willst du haben, Michel? Siehe, dieses Verlangen ist die Frucht des bösen Geistes
der Begehrlichkeit, der in dich gefahren ist und dich verderben will! Darum wollen wir ihn beschwören
mit Beten und Singen, dann wirst du auch den Hunger nicht mehr spüren, der dich jetzt noch plagt!"
Oie seltsamen Menschen.
(Nach Lichtmer.)
Lin Kluger wann, der manches lahr
In weiter Welt umhergezogen war.
Kehrt' endlich heim von keiner Ueile.
vle freunde Kamen lcharenweile.
Begrüßten ihn mit kreud'ger 8eele
Und rielen: „Na, nun los! Erzählel"
was ward da nicht erzühlt! „hört," sprach ereinlt,
„ihr wiht,
wie weit von untrer Stadt bis zu den Raffern ist;
In allern-ichlter Nachbarlchaft von ihnen
Bemerkt'Ich Menfchen, die mir feitlam schienen:
Sie tragen meistens frack und Ordensstern
Und esten gut und trinken gern,
Sie heihen .Exzellenz* und ,fjerr Baron*
Und Kriegen rielig hohen Lohn;
Und dafür tun fie meist nicht viel.
Und was fie tun, scheint ohne 2weck und Ziel.
Oft fitzen fie an grllngedeckten Tafeln
In stolzer Haltung, steif und würdevoll,
Langweilen fich mit stundenlangem Schwafeln
Und unterzeichnen dann ein Protokoll:
Es folget ihres Herzens dunklen Trieben
Die feierlich-geheimnisvolle Schar,
Obwohl kein Menfch >e lieft, was fie geschrieben,
Und niemand ahnt, wozu das Ganze war.
Ihr vafein gleichet einem holden Traum,
was auf der Welt palfiert, berührt fie kaum.
Es scheint, dah fie in Wolken fchweben,
hoch über allem ird'fchen Leben.
Ob auf dem Balkan rings die Rriegesflamme loht.
Ob man fie feiblt mit prügeln auch bedroht,
was immer mag gefchehn: dieSchwarzbefrackten
Und Sterngefchmückten achten nicht darauf.
Sie lefen ahnungslos in ihren flkten
Und geben Telegramme auf.
was jedes Rind fd)vn kann mit fingern greifen,
was alle Spatzen von den VSchern pfeifen,
wovon feit Wochen man an jedem Stammtisch
lpricht:
Sie hören und lie lehen's nicht!" —
„wer find die Leute denn?" fo fragten hier die
freunde,
„vielleicht find es die weifen der Oemeinde?"
„flch nein!" — „So find es bllhendeflnachoreten.
Weitabgewandte Rünstier und Poeten?" —
„vas find lie nicht." — „So lag' uns Klipp und klar,
wer ist die lebensfremde Träumerlchar,
Vle weder hört noch lieht,
was rings um fie geschieht,
vie nicht zu helfen weih und nicht zu raten —
wer ilt's?" „Es lind die deutlchen Diplomaten!"
Depeschen vom Kriegsschauplatz.
Soeben trafen in Cettinje, Sofia, Ronstantinopel, Belgrad,
tlthen Feldzugspläne aus Berlin ein. Grdenssendungen wer-
den stündlich erwartet.
Unter den serbischen Truppen herrscht rebellische Stim-
mung, da der Pflaumenschnaps teurer wird.
vie ewigen Hammeldiebstähle an der montenegrinischen
Grenze haben mit einem Schlage aufgehört! Die Hammel
werden jetzt einfach — requiriert.
Rußland bietet sich als ehrlicher Makler an und will weiter
nichts für seine wertvollen Dienste als — Ronstantinopel.
vie Rientopp-Besitzer protestieren gegen den drohenden
Friedensschluß, da ihre Films noch nicht abgewickelt sind.
Die Balkanstaaten gründen eine G. m. b. H. mit einem
Grundkapital von lOO Millionen — Schulden.
Vie Rriegsgreuel nehmen kein Ende: Uikita und Carmen
Sylva besingen jetzt den Rrieg!
Der Blitz ins Kapital.
Auf der schiefen Ebene der Gewalt Poltern die
Börsenkurse in richtigen Purzelbäumen nach unten!
Wenn der Pleitegeier kräftig mitten zwischen das
Kapital stößt und ihm das „goldene Kalb" einfach
wegnimmt, artet der bewußte Tanz prompt in eine
wüste Panik aus. ,
Für die Verbrechen der europäischen Politik hat
die Börse eine feine Polizeihundsnase; leider aber
zieht sie jedesmal bloß den Schwanz ein und jault!
Geheimworte.
Bekanntlich wenden die diplomatischen Vertreter
im internationalen telegraphischen Verkehr Geheim-
worte an, hinter denen ein besonderer Sinn steckt.
Wir sind bei dem emsigen Depeschieren, das augen-
blicklich über die Balkankrisis stattfindet, hinter das
Geheimnis gekommen.
So bedeutet zum Beispiel
„Mumpitz" — Aussorderung zur Humanität.
„Rubel" — Vorstellungen in einer Gesandtschaft.
„Münchhausen" — Offizielle Berichterstattung.
„Ramponiert" — Die Einigkeit des Dreibundes.
„Schlafkrankheit" — EmsigeArbeitderDiplomatic.
„Tripolis" — Ihr seid gewarnt.
„Pleite" — Die Finanzen der kriegführenden
Staaten.
„Futschikato" — Die in Rußland für die Monte-
negriner gesammelten Hilfsgclder.
„Unabhängigkeit" — Teilung der Türkei zwischen
Österreich und Rußland.
„Minen" — Die Begrüßung fremder Flotten in
den Dardanellen.
„Bärenfell" — Der Zweck der militärischen Übung.
„Germania" — Kommt nicht in Betracht.
Berechtigter Zorn.
„Den, wenn ich derwlsch', der den Ballankrieg an-
gefangen hat! Glei nach der Kriegserllärung san mir
,wa Schlawiner von Zimmerherrn, wo zum Militär
ham einrücl'n müassen, mit der Miete durchbrennt!"
Teufelaustreibung.
Erich Schilling
„Billiges Fleisch willst du haben, Michel? Siehe, dieses Verlangen ist die Frucht des bösen Geistes
der Begehrlichkeit, der in dich gefahren ist und dich verderben will! Darum wollen wir ihn beschwören
mit Beten und Singen, dann wirst du auch den Hunger nicht mehr spüren, der dich jetzt noch plagt!"
Oie seltsamen Menschen.
(Nach Lichtmer.)
Lin Kluger wann, der manches lahr
In weiter Welt umhergezogen war.
Kehrt' endlich heim von keiner Ueile.
vle freunde Kamen lcharenweile.
Begrüßten ihn mit kreud'ger 8eele
Und rielen: „Na, nun los! Erzählel"
was ward da nicht erzühlt! „hört," sprach ereinlt,
„ihr wiht,
wie weit von untrer Stadt bis zu den Raffern ist;
In allern-ichlter Nachbarlchaft von ihnen
Bemerkt'Ich Menfchen, die mir feitlam schienen:
Sie tragen meistens frack und Ordensstern
Und esten gut und trinken gern,
Sie heihen .Exzellenz* und ,fjerr Baron*
Und Kriegen rielig hohen Lohn;
Und dafür tun fie meist nicht viel.
Und was fie tun, scheint ohne 2weck und Ziel.
Oft fitzen fie an grllngedeckten Tafeln
In stolzer Haltung, steif und würdevoll,
Langweilen fich mit stundenlangem Schwafeln
Und unterzeichnen dann ein Protokoll:
Es folget ihres Herzens dunklen Trieben
Die feierlich-geheimnisvolle Schar,
Obwohl kein Menfch >e lieft, was fie geschrieben,
Und niemand ahnt, wozu das Ganze war.
Ihr vafein gleichet einem holden Traum,
was auf der Welt palfiert, berührt fie kaum.
Es scheint, dah fie in Wolken fchweben,
hoch über allem ird'fchen Leben.
Ob auf dem Balkan rings die Rriegesflamme loht.
Ob man fie feiblt mit prügeln auch bedroht,
was immer mag gefchehn: dieSchwarzbefrackten
Und Sterngefchmückten achten nicht darauf.
Sie lefen ahnungslos in ihren flkten
Und geben Telegramme auf.
was jedes Rind fd)vn kann mit fingern greifen,
was alle Spatzen von den VSchern pfeifen,
wovon feit Wochen man an jedem Stammtisch
lpricht:
Sie hören und lie lehen's nicht!" —
„wer find die Leute denn?" fo fragten hier die
freunde,
„vielleicht find es die weifen der Oemeinde?"
„flch nein!" — „So find es bllhendeflnachoreten.
Weitabgewandte Rünstier und Poeten?" —
„vas find lie nicht." — „So lag' uns Klipp und klar,
wer ist die lebensfremde Träumerlchar,
Vle weder hört noch lieht,
was rings um fie geschieht,
vie nicht zu helfen weih und nicht zu raten —
wer ilt's?" „Es lind die deutlchen Diplomaten!"
Depeschen vom Kriegsschauplatz.
Soeben trafen in Cettinje, Sofia, Ronstantinopel, Belgrad,
tlthen Feldzugspläne aus Berlin ein. Grdenssendungen wer-
den stündlich erwartet.
Unter den serbischen Truppen herrscht rebellische Stim-
mung, da der Pflaumenschnaps teurer wird.
vie ewigen Hammeldiebstähle an der montenegrinischen
Grenze haben mit einem Schlage aufgehört! Die Hammel
werden jetzt einfach — requiriert.
Rußland bietet sich als ehrlicher Makler an und will weiter
nichts für seine wertvollen Dienste als — Ronstantinopel.
vie Rientopp-Besitzer protestieren gegen den drohenden
Friedensschluß, da ihre Films noch nicht abgewickelt sind.
Die Balkanstaaten gründen eine G. m. b. H. mit einem
Grundkapital von lOO Millionen — Schulden.
Vie Rriegsgreuel nehmen kein Ende: Uikita und Carmen
Sylva besingen jetzt den Rrieg!
Der Blitz ins Kapital.
Auf der schiefen Ebene der Gewalt Poltern die
Börsenkurse in richtigen Purzelbäumen nach unten!
Wenn der Pleitegeier kräftig mitten zwischen das
Kapital stößt und ihm das „goldene Kalb" einfach
wegnimmt, artet der bewußte Tanz prompt in eine
wüste Panik aus. ,
Für die Verbrechen der europäischen Politik hat
die Börse eine feine Polizeihundsnase; leider aber
zieht sie jedesmal bloß den Schwanz ein und jault!
Geheimworte.
Bekanntlich wenden die diplomatischen Vertreter
im internationalen telegraphischen Verkehr Geheim-
worte an, hinter denen ein besonderer Sinn steckt.
Wir sind bei dem emsigen Depeschieren, das augen-
blicklich über die Balkankrisis stattfindet, hinter das
Geheimnis gekommen.
So bedeutet zum Beispiel
„Mumpitz" — Aussorderung zur Humanität.
„Rubel" — Vorstellungen in einer Gesandtschaft.
„Münchhausen" — Offizielle Berichterstattung.
„Ramponiert" — Die Einigkeit des Dreibundes.
„Schlafkrankheit" — EmsigeArbeitderDiplomatic.
„Tripolis" — Ihr seid gewarnt.
„Pleite" — Die Finanzen der kriegführenden
Staaten.
„Futschikato" — Die in Rußland für die Monte-
negriner gesammelten Hilfsgclder.
„Unabhängigkeit" — Teilung der Türkei zwischen
Österreich und Rußland.
„Minen" — Die Begrüßung fremder Flotten in
den Dardanellen.
„Bärenfell" — Der Zweck der militärischen Übung.
„Germania" — Kommt nicht in Betracht.
Berechtigter Zorn.
„Den, wenn ich derwlsch', der den Ballankrieg an-
gefangen hat! Glei nach der Kriegserllärung san mir
,wa Schlawiner von Zimmerherrn, wo zum Militär
ham einrücl'n müassen, mit der Miete durchbrennt!"