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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0397
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7726 —-

Ferdinand der Siegreiche.

In Sofia hat sich ein Komitee gebildet, das die Anlage einer Siegesallee nach dem Berliner Muster
anstrebt. Als erster in der Reihenfolge der hier zu verewigenden „Helden" ist Ferdinand, der moderne
„Kreuzfahrer" gegen den Islam, auserfehen. Als „Paladine" sind ihm seine Verbündeten beigegeben.

O

Heine in Köln.

Der Verlag der „Kölnischen Volkszcitung" bereitet
eine „gereinigte"Heine-Ausgabe vor. Wir geben hier
bereits einige Proben daraus wieder:

„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,

Daß ich so traurig bin.

Das hat bei den heutigen Zeiten
Doch wirklich gar keinen Lin».

Die Luft ist schwül und e; dunkelt
Gar herrlich auf deutschem Gebiet;

Im Hintergründe munkelt
vergnügt der Jesuit ..."

Täglich ging der Volksvertreter
Hin zum Parlament nach München.

Täglich dreht' er seinen Mantel,

Täglich drehte er ihn anders.

Und die Zentrumswähler fragten:

„Warum stimmst du heute gegen,

Warum morgen für dieselbe,

Ganz genau dieselbe Those?"

Und es sprach der Volksvertreter:
„G'scheerte Rammei, laßt das Fragen!
Seht: mein Stamm sind jene Nsra,
Welche mogeln aus Gewohnheit!"

„Saphire sind die klugen dein,

<v himmlische Madonne.

Sie strahlen aus dem Heil'genschrsin
Mit überird'scher Wonne.

Sie strahlen in süßem Himmelsblau
Und brennen heiß wie Uohlen —

Und wären sie in Tzenstochau,

Hält' man sie längst gestohlen!"

„Uns alten Märchen winkt es
Hervor mit Priesterhand:

Da qualmt es und da stinkt es
vom Scheiterhaufenbrand.

klch, jenes Land der Frommen
Ist halb vergessen schon.

Heut kann man höchstens kommen
Mit 'ner Denunziation ..."

Aus dem Tagebuch
eines großen Staatsmannes.

. . . Mit Kant ist es nichts. Es ist bei ihm so
viel von Pflichten die Rede. Das höre ich im Reichs-
tag von den Sozialdemokraten ohnehin schon genug.
Der Oberhosprediger meinte, ich solle es mit der
Bibel versuchen, man fände darin für alle Situa-
tionen etwas Passendes.

... In der Bibel las ich den 44. Psalm, Vers 14
und 15: „Du machst uns zumHohn unscrcrNachbarn,
zum Gespött und Gelächter unserer Umgebungen. Du
machst uns zum Sprichwort unter den Völkern, zuin
Kopsschütteln unter den Menschen." Nein, mit der
Bibel ist es auch nichts.

... Ich ging heute durch die Leipzigerstraßc; denn
man muß sich öfter unter das Volk mischen. Auch
Heydebrand tut das bisweilen. In einem einzigen
Schaufenster eines einzigen Warenhauses lagen dorn
Schinken, Würste, Ochsenzungen, Rippspcer, Hasen,
Wildschweine, Rehe, Gänse, Fasanen, Lachse, Karpfen,
Hechte, Hühner! Und da reden die Leute von Fleisch,
not? Man sollte sie wirklich auf dies Geschäft auf-
merksam machen. .

. . . Auf dem Balkan scheint Krieg zu sein. Wenig-
stens bot mir jemand ein Extrablatt an, in dem
davon die Rede war. Ich habe veranlaßt, daß das
Extrablatt unfern Botschaftern auf dem Balkan zn-
geht, damit sie über das Wichtigste informiert sind.

. . . Warum die Leute nur durchaus Gefrierfleisch
haben wollen? Es ist doch jetzt wirklich schon ka.l
genug!

... Ich bekam eine Einladung zur Jagd ans
Schwarzwild. Muß aber danken: die Sache könnte
in Bayern mißverstanden werden, man ist dort sehr
empfindlich. «

. . . Meine Stellung ist jetzt unerschütterlich, wie
meine Gegner auch gegen mich Hetzen und intri-
guiercn: ich habe nämlich mein Arbeitszimmer mit
Cadincr Kacheln austegen lassen!

„Kaninchen kann jeder halten!"

Lieber Jacob! Ich bin jetzt fein heraus. Für
mich ist die Fleischnotfrage glücklich gelöst. Und
die soziale Frage überhaupt!

Das verdanke ich dem preußischen Landwirt-
schaftsininister. Was für ein tüchtiger und ge-
scheiter Mann das ist! „Kaninchen kann jeder
halten" — hat er im preußischen Abgeordneten-
haus erklärt. Das Wort war mir eine Erleuch-
tung. Ich sagte mir sofort, daß, wenn jeder sich
Kaninchen halten könne, ich es natürlich auch
könne» müsse.

Es ist ein zu goldiges Tier, lieber Jacob.
Du solltest es nur mal sehen! Jetzt, wo ich das
schreibe, sitzt es neben meinem Nachttischche»
und schnuppert so allerliebst mit seiner gespal-
tenen Schnauze. Dabei hält es das eine Ohr
in die Höhe gestreckt und das andere hängt ihm
bis auf den Fußboden herunter. Die putzige
Kruke. Leider ist sie noch nicht ganz stubenrein.
Aber das werde ich ihr bald anerziehen.

Es ist eine Zibbe. So heißen nämlich die
Weibchen von den Kaninchen, falls Tu das
noch nicht wissen solltest. Sie sind sehr frucht-
bar, weshalb man sie ja auch bekanntlich Kar-
nickel nennt. Das heißt natürlich nicht ohne
die Rammler, was der landwirtschaftliche Aus-
druck für die Männchen ist.

Vorläufig brauche ich aber keinen Rammler.
Die Bauersfrau, von der ich die Karnickel-
mutter gekauft habe, hat mir hoch und heilig
erklärt, daß sie — die Zibbe meine ich — trächtig
sei. In drei bis vier Wochen hätte ich ganz be-
stimmt zehn junge Karnickel, versicherte sie.

Davon werde ich dann alle Weibchen be-
halten und einen Rammler zur weiteren Zucht.
Auf zehn Zibben braucht man nämlich nur ein
 
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