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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0413
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* * Weihnachten. * *

Die Dacht, da Christ geboren ward,

Die tUeibnacbt, kehrte wieder!

Dun preist, ihr Gläub’gen, Gott den Herrn
Und singet fromme Lieder!

Den Heiland, der am Kreuze starb,
Inbrünstig zu verehren,

Beugt heute betend euer Knie
Uor Kanzeln und Altären!

Cüas einst der Gottessohn gelehrt,

Die Saaten, die er streute,

Tn euren Herzen keimten sie
Und tragen Früchte heute!

Die frohe, feste Zuversicht
Kann euch kein Zweifel rauben:

Denn offenkundig winkt der Lohn
Dem echten Christenglauben.

Hermann Förster.

flm 25. November verstarb in Hamburg nach kurzer Krank»
heit Hermann Förster, der Abgeordnete für Neuß ä. L., im
Älter von 59 Jahren. (Er stammte aus Zinna in Preußen
und wurde nach dem Besuch der Volksschule Zigarrenarbeiter.
Zeit seinem siebzehnten Jahr betätigte er sich in der Sozial-
demokratie. Im Jahre 1890 wurde er in den Reichstag ge-
wählt, dem er mit Ausnahme einer Legislaturperiode bis
zuletzt angehörte. Sein Andenken wird in Ehren gehalten
werden.

Lirtenbrief

des Evangelischen Oberkirchenrats.

„Geliebte Getreue, den Jatho haben wir aus-
getrieben, seinen Berteidiger Traub dimittiert. Dessen
BerteidigerBaumgartenistbereils angeklagt. Brauchen
wir euch noch zu sagen, was mit denen geschähe,
so Traub iu den Landtag wählten? Nicht hiuaus-
geschmissen würden sie, oh nein, aber mit der Hundert-
sachen Kirchensteuer belegt, tjawoll! Der Herr sei
mit Euch!" ,,

Landelsnachrichten.

Das Kaufhaus „Zum goldneu Horn" steht im
Konkurs. Aktiva: zwei Sultane und etwas altes
Eisen. Die Konkursverwalterin, Madame Europa,
ist au Altersschwäche gestorben. Die Stelle wird
bald besetzt. »

Papieraklien steigen andauernd, da Jagows Bor-
schristenfabrikaiion einen riesigen Papierverbrauch
erzeugt.

„Reichsverbandsakticn" fallen beständig - iu der
Achtung der Politiker. ,

„Blau-schwarze Blockobligationen" saul, da keine
„Masse" vorhanden. Wir warnen Kauflustige!

Blickt hin ins ferne Morgenland!
Dort fechten gläub'ge Heere
Im Damen der Dreieinigkeit
Zu eures Heilands 6bre;
Blutüberströmt verreckt der Feind
Durch eures Schwertes Hiebe!

Herr Jesu Christ, wir loben dich,
Hab' Dank, du Gott der Liebe!

Und vorwärts geht es mit Gebet,
Uorwärts durch Mord und Leichen,
Und über der Uerwiistung Graus
Ragt fromm des Kreuzes Zeichen!
Der Allerbarmer lieh euch Kraft,
Die Feinde auszumerzen —

Und wer daran zn zweifeln wagt,
trägt Jesu nicht im Herzen!

Flocken.

Flocken fallen, wirbeln, schweben.

Ist's ein Spiel des Windes? Weben
Sie der Well ein Leichentuch?

Soll's verhülle» alles Kämpfe»?

Soll es dämpfen

Der Belad'nen Schrei und Fluch?

Geht ein Raune», geht ein Sagen
Von des Menschheitsfrühlings Tagen
Durch das winterliche All.

Träume wandern durch die Flocke»,

Und die Glocken

Tönen drein mit leerem Schall.

Ach, der Traum wird nicht erfüllet
Und die Sehnsucht nicht gestillet
^In des Mammons Lerrscherzeit.

Und die Flocken, sie verdecken
Und verstecken

Nicht der Menschheit altes Leid. P. s.

Statt besonderer Anzeige.

f f t

Die Unterzeichneten Hinterbliebenen zeigen hier-
mit den Tod ihres vielgeliebte», vor kurzem »och
so frischen, plötzlich an einem Schlaganfall im
Aller von 459 Jahren zwischen Kirkkilisse und
Liile Burgas verschiedenen

Lerrn Status Quo, Diplomat

a», mit der Bitte, sich an seiner Beisetzung be-
teiligen zu wolle».

Was Allah tut, ist wohlgeta». Koran I.

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Evangelium.

Der Hauptgottesdieust wird in der christlichen
Kirche der Heiligen Sophia in Konstantinopel
stattsinden, die Beerdigung iu Kleinasien.

Seine trauernde Witwe: Die Türkei.
Seine Tante: Oesterreich.

Seine Schwiegermutter: Rußland.

Seine Schwägerin: England.

Seine Vettern und Kusinen: Deutschland,
Frankreich, Italien usw.

Die Kapelle des „Europäischen Konzerts" wird
die Trauermusik spielen.

Drum Fluch der glaubenslosen Schar,
Den roten Antichristen,

Die tiefverderbt zu Basel jüngst
Des Friedens Banner hissten,

Die Uölkerstreit und Kriegesgreu’l
Beschimpften und verfluchten,

Den gottgewollten Massenmord
Glich zu verekeln suchten!

0 haltet fest am Christentum,

Ihr gläub’gcn Millionen,

Und dienet eurem Heiland fromm
Mit Säbeln und Kanonen,

Und mordet, schändet, brennt und raubt
Getrost in Jesu Damen
Und tanzt um euren lUeibnacbtsbaum
Und singt Hosiannah! Amen, c-vm-nn.

Der internationale Kongreß
zu Basel.

Klagelied eines echt preußischen Mannes.

Sagt, Freunde, wach' ich oder träum' ich?
Ist Ernst es oder blut'ger Spaß,

Was ich von Basel, dem verruchten,

In meiner Zeitung eben' las?

Daß internationale Banden,

Von Roten selbstverständlich, dort
Mit frechem Munde lästern durften
Den dreimal Heil'gen Massenmord?

Der ganze Umsturz von Europa —

Mein preuß'sches Lerze, faste dich —
Versammelte in der Kaserne,

Denkt euch, in der Kaserne sich!

Die Stätte, seit Urvätertagen
Des Molochs heil'gem Dienst geweiht.
Ward durch die Friedenswüteriche
Geschändet so für ew'ge Zeit!

Ein Festzug drängt sich durch die Straßen,
Kein Iagow hemmet seinen Schritt,

Und ein Regierungspräsidente,

Ein richtig gehender, zieht mit!

Ein Präsident in diesem Zuge,

Vor dem die rote Fahne wallt —

Bestreu' dein Laupt mit Asche, Dallwitz,
Verhüll' dein Antlitz, Theobald!

Und jetzt — was sehen meine Augen?

Wo endet dieses Zuges Lauf?

Es nimmt des Münsters heil'ge Lalle
Den Troß der Schandgesellen auf!

Und Orgeltöne rauschen nieder
Auf Bebels graues Sünderhaupt —

Und nichts läßt sich dagegen machen:

Der — Kirchenrat hat es erlaubt!

Was sich dann weiter dort begeben,

Die Greuel, wüst und schauderhaft,

Sie aufzuzählen und zu schildern
Gehl weitaus über meine Kraft,

Vergebens ringe ich nach Atem,

Das Wort erstickt im Seelenschmerz,

Es wird mir schwarzblau vor den Augen —
Stumm bricht ein edles Preutzenherz! Tobias.

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ver Dausbefiber zu wetynachleu. w.k,™

.Was kann da sein. Alte, das Armband kaufe ich dir auch noch! In acht Tagen
ne ich ja doch bei meinen Mietern um Erhöhung ineiner Zivillifte ein!"

^ Dobelfpäne. eT .

Was soll uns der Weihnachtsglockcn
Feierliches Festgeläute?

Gießt sie uin zu Mordskanonen,

Denn der Mars regiert ja heute!

Rauhe Bomben und Granaten,

Schlvere Vierundzwauzigpfünder
Sind in einem Christenstaate
Jetzt die wahren Heilsverkünder.

Wenn mit Sausen und mit Brausen
Sie in hoher Luft krepieren,

Wird auch selbst der dümmste Heide
Unsere „Nächstenliebe" spüren.

Christus lag bei seiner Geburt in einer Krippe. Seine Nachfolger
liegen in der Staatskrippe.

Die Kinder der ostelbischen Landarbeiter gleichen dem Kinde Jesu;
ivie dieses werden auch sie in einem Stalle geboren.

Viele Monarchisten schätzen das Bild des Monarchen auf den in
ihrem Besitz befindlichen Geldstücken höher als ihn selbst; man sollte
sie daher eigentlich Mammonarchisten nennen.

Die Brandstiftung ain Gebäude der menschlichen Kultur lvird in ihren
Plänen.geradezu gefördert, ivcil die Brandstifter wissen, daß die meisten
Räume in diesem Gebäude ein wohlgefülltes Pulvermagazin enthalten.

Der Weltfriede scheint der nächste „kranke Manu" zu sein, den ein
Kollegium von diplomatischen Ärzten gründlich zu Tode kurieren niöchte.

Die Propaganda der Kriegshetzer für einen allgemeinen großen
Aderlaß ist längst nicht mehr heldenhaft genug. Es würde hundertmal
mehr Eindruck machen, wenn sie alle miteinander stillschweigend Harakiri
begingen. ' Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Der „Sabberbecher"
von Letzlingen.

Zu Letzlingen im Schlosse
Wird ein Gefäß bewahrt,

Das ist ein Silberbecher
Von ganz besondrer Art:

Denn wer daraus zu trinken
Vermag den edlen Wein,

Der muß ein starker Recke
Und ganzer Künstler sein.

Gar viele es versuchten,
Zechkundig und gewandt.

Jedoch die allermeisten
Berührten kaum den Rand;

Gar viele es versuchten.

Doch aus der Trinker Zahl
Leert' keiner ohne Sabbern
Bis dato den Pokal.

Jüngst zog mit seinen Rittern
Auf's stolze Waidmannsschloß,
Den Lirschen dort zu jagen.

Der ält'ste Kaisersproß.

Und als die Jagd zu Ende,

Da rief des Thrones Zier:

„Nun bringt einmal ihr Knappen.
Den ,Sabbcrbecher' mir!"

Den Becher tat man holen
Und füllt' ihn bis zum Rand
Und gab dem jungen Lewen
Das Kunstwerk in die Land,

Und aus der Ritter Mienen
Die bange Frage winkt:

Ob er, ivas keiner konnte,

Ohn' Sabbern wohl vollbringt!

Schon hat er ihn ergriffen,

Schon hebt er ihn empor —
Stumm, ohne Atemholen
Lauscht rings der Ritter Chor

Er setzt ihn an die Lippen
Und leert ihn spielend leicht!

Da ward vor Stolz und Freude
Manch Leldenauge feucht.

Und: „Leil dem Vaterlande,"

Klingt's von der Etsch zum Belt,
„Wenn, was der Prinz versprochen.

Der Kaiser einst uns hält.

Wenn heiß ersehnten Zeiten
Er uns entgegenführt
Und ohne viel zu sabbern
Sein deutsches Volk regiert!"

Arminius.

Lieber Jacob!

Ick bin man bloß froh, bet ick nich der liebe
Jott bin. Del muß jetz wahrhaftig keen Je-
nuß nich sind. Ick meene, von wegen dem
Balkankrieg. Da schlagen sich de Leite jejen-
seitig zu Dausenden bot un jede Partei ivill
dein lieben Jott inreden, det et ihm zu Ehren
jeschieht, un de Miletärpsaffen belästigen ihm
von morjens bis abends mit ausverschämte
Jebete um Hilfe un Beistand. De eenen schnei-
den ihre Feinde Neesen un Ohren ab un
schicken se in diesein unmanierlichen Zustand
vor dein Thron des Ewigen, de andern spießen
kleene Kinder uff ihre Plempe» un lassen ehr-
wirdije Jrcise an langsames Feier knusprig
braten — un zu det alles verlangen se den
Sejen des Himmels. Un unsre Staatserhalten-
den un Ordnungsfreilide, die ja ooch mit den
lieben Jott uff Du un Du stehen, erklären,
det diese Jreiel von Rechtsivejen jeschehcn u»
det et nu mal im Krieg nich anders is, un
det der Krieg sehr wat scheenes un erstrebens-
wertes is, weil er de jlorreichsten Tugenden
in de Meuschenseele wachruft, die in Friedcns-
zeiten leider verkimnicrn tun. Un wer dein
Krieg zu tadeln ivagt, der ivird iu't preißesche
Junkerhaus zur Ordnung jerufen, und wer

jejen den Krieg protestiert, dem soll der Deubel
holen! Ooch der Pfarrer Naumann, wat 'n starker
Engel un 'ne beriehmte Leichte der freisinnigen
Partei is, bestreitet de Sozjaldemokraten det
Recht, jejen det Massenmorden uff dem Balkan
Jnspruch zu erheben. Er predigt in de „Hilfe",
det dieser Krieg de Roten ieberhaupt janischt
angehe, weil et keen kapitalistischer Krieg nich
sei, sondern 'n Feldzug, der im Interesse von
Handel un Jroßindustrie von de menschen-
freindlichen Balkanstaaten jefiehrt werde. Un
et sei 'ne Unjerechtigkcit von de Jenossen, wenn
se de deitsche Rejierung tadeln, weil se de öster-
reichische Kriegshetzerei nich energisch entjejen-
tritt, denn de Österreicher hetzten ieberhaupt
jarnich zum Krieg, sondern se wollten sich man
bloß durch Waffenjeivält Einiges erobern, wat
ihnen freiwillig nich 'rausjerickt wird.

. Wenn ick, statt Schuster zu lernen, 'n paar
Jahre Theologie studiert hätte, denn ivirde ick
Naumann seine Spitzfindigkeiten villeicht ver-
stehen, aber so bin ick zu dämlich zu. Un de
Roten haben ooch leider Naumann'n vorher
nich um Erlaubnis jebeten, sondern se haben
uff eijeiie Faust in alle eiropäesche» Weltstädte
jroßartije Friedeusdemonstrationen veranstal-
tet. Ooch hier bei uns in Berlin, wo de Sache
janich so eenfach ivar, iveil Iagow dafor je-
sorgt hatte, det de Friedfertigkeit nich ieber-
hand nimmt, un seine scharf bewaffneten Blauen
zum Schutze unserer heiligsten Jieter an alle
Straßenecken postiert hatte. Ooch durften de
ausländeschen Redner, die in de Berliner Ver-
sammlungen sprachen, sich nich ihrer Mutter-
sprache bedienen. So war zum Beispiel Jaurös
jezwungen, mit unsere schivarzblaue Rejierung
mal ordentlich hochdeitsch zu reden, un er hat
det in de Neie Welt »ich zu knapp besorgt!

Womit ick verbleibe mit ville Jricße Dein

Jotthils

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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