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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0011
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•• 7767 • •

»er, der ihm ohnehin nicht sehr grün war,
bat n»i Ruhe.

Aber Waldemar Pachulke duldete keinen
Widerspruch und keine Befehle. Er rief etwas
von „Schnauze halten" und ähnliche Freund-
lichkeiten und schlug dröhnend mit der Faust
auf den Tisch, das; das Geschirr klirrend in
die Höhe sprang.

Der Kellner eilte ans Buffet, der Wirt ging
zum Telephon, und ehe noch der Wütende
sein Bier geleert hatte, traten zwei Schutzleute
in das Lokal.

„Schwerer Dienst heute am Silvester, nicht
wahr, meine Herren?" ivollte Pachulke zu den
beiden Ordnungsmännern sagen. Aber er kam
nicht dazu, den Satz zu vollenden; denn auf
einen Wink des Wirts traten die Beiden auf
ihn zu und forderten ihn auf, zur Feststellung
seiner Personalien auf die Wache zu kommen.

Er glaubte seinen Ohren nicht traue» zu
dürfen.

„Ich bin Fleischcrmeister Pachulke," schrie
er. „Was erlaube» Sie sich?"

„Das wird sich ja auf der Wache Heraus-
stellen," sagte der eine Uniformierte. „Oder
kennt Sie hier jemand?"

„Jawohl. Der Herr dort kennt mich."

Und er deutete auf seinen einstige» Mieter.

Aber der lächelte boshaft und beteuerte,
keine blasse Ahnung zu haben...

Es half Waldemar Pachulke nichts. Nach Er-
legung der Zeche mußte er zur Wache folgen.

Auf diesem Transport wurde er an allem
irre, sogar an seinem Heiligsten: dem Ord-
nungssinn. Warum waren diese uniformierten
Kerle nicht damals in der Markthalle gewesen,
als er die peinlichste Stunde seines Lebens
durchmachen mußte? In ihm kochte beinahe
etwas wie revolutionärer Grimm.

In der Zelle, in der er jetzt untergebracht
wurde, kühlten sich seine Gefühle etwas ab.

Dazu kam, daß der reichlich genossene Alkohol
seine Wirkung ansübte und er einzuschlafcn
begann.

Im Traume stand er an seinem Präsidenten-
sitz vor den Vereinsbrüderu vom Kegelklub
„Gut Holz, Wedding" und hielt seine Rede.
Neben ihm standen die beiden Polizisten von
vorhin — aber nicht als schmähliche Wache,
sondern als Ehrenposten.

Und es waren nicht nur die bekannten Hand-
werksmeister da, sondern auch alle die Guts-
besitzer und Rittergutsbesitzer, mit denen er
jemals geschäftlich zu tun gehabt hatte, und
klatschten wütend Beifall. Die erlauchte Ver-
sammlung beschloß einstimmig, ihn als Neichs-
undLandtagskandidaten aufzustellen und einige
anwesende Parlamentarier erklärten sich auf
der Stelle bereit, ihm ihre bombensicheren Sitze
abzutreten.

Waldemar Pachulke wunderte sich gar nicht
darüber, sondern dankte einfach und erklärte,
nur noch ein wenig überlegen zu wollen. End-
lich stand der Gutsbesitzer von Hohenfinow

auf und sprach: „Pachulke, du bist mein
Mann, du bist homogen im wahrsten Sinne
des Wortes. Tritt in mein Ministerium ein!"
Das gefiel ihm schon besser. Denn da war nicht
viel zu tu», sodaß er sein altgewohntes Fleischer-
gewerbe gut hätte fortsetzen können. Er wollte
eben die Bedingung stellen, daß er dann nach
seinem Gutdünken die Fleischpreise selber be-
stimmen könne-

Da erwachte er von einem furchtbaren Ge-
töse. Auf den Straßen lärmte es und rief es.

Im ersten Moment dachte er, die Berliner
ließen ihrem großen Mitbürger Pachulke end-
lich die entsprechende Ehre angedeihen und
er glaubte a» einen Triumphzug.

Dann aber durchfuhr ihn ein Schreck: sie
ivollte» ihn lynchen! Die Erinnerung an die
Markthallenkrawalle überwältigte ihn wieder.

Allmählich jedoch wurden die Rufe deut-
licher: „Prost Neujahr! . . . Prost Neujahr!"
klang es.

Und gleich darauf trat ein Beamter ein und
sagte, daß die Recherchen die Richtigkeit seiner
Angaben ergeben hätten und daß er nach Hause
gehen könne, und er wünschte ihm gleichfalls
„Prost Neujahr!"

Waldemar Pachulke eilte, so schnell er konnte,
nach Hause und legte sich zu Bette. Er war
noch in keiner Silvesternacht so früh zur Ruhe
gekommen.

Frau Pachulke aber begriff ihren Herrn Ge-
mahl absolut nicht.

Gesammelte Reden des Hauptmanns v. Krachwitz an seine Kompagnie.

VI. Unterm Christbaum.

Na, nun macht jefälligst, daß ihr fertig werdet
mit dem Lichtcranstecken! Denkt ihr, ich will
mich hier bis Mitternacht in eurer anjenehinen
Jesellschaft aufhalten? Das dauert doch, weiß
Jott, 'ne halbe Ewigkeit, ehe der Kerl die paar
Lichter ansteckt! Sehn Se mal, Feldwebel, was
dieser polnische Saubengel für Anstalten macht,
um wieder von dem Tische runter zu kommen!
Na, warte man, mein Junge, ich jede Dir mein
Wort darauf, daß du es noch lernst. Du sollst
mir noch springen wie ’» Flohbock! Da is doch
wahrhaftig der Wriedt jewandter! Seht mal,
wie er sich freut, wenn man ihn mal 'n bißchen
'rausstreicht! Na, nun endlich! Nun macht, daß
ihr an euren Platz kommt! Nee, Feldwebel, das
lassen Se man sein! Jesnngen soll mich erst
werden. Das können die Kerls nachher noch
jenug, wenn ich weg bin. O ja, das fehlte jrade
noch, auch noch euer Jejröhle anhören! Nee,
wir wollen nu man jleich mit der Feier an-
sangen.

Also so wird in der Kaserne Weihnachten
jefeiert! Das is natürlich 'n bißchen anders als
zu Hause. Da hat die Mutter dem Jungen
Kuchen gebacken un 'n Seelwärmcr jestrickt, un
die Braut'» Paar Pantoffeln oder 'ne Schlum-
merrolle, un ihr könnt dann schnurren wie 'n
Kater hinterm Ofen. Aber wer nich janz un
jar verwöhnt is, dem wird es hier auch schon
jefallen. Die Kompagnie tut alles, was in ihren
Kräften steht. Ihr habt euren Baum un habt
auch Lichter dran un kriegt nachher warme
Wurst un auch Bier un denn noch kleine Je-
schenke. Viel is es natürlich nich, aber ihr könnt
schon damit zufrieden sein, un wenn etwa doch
einer Bemerkungen macht, der wird mir je-
meldet nn ich will ihn mir schon vornehitien.

Das will ich also nich hoffen. Dajejen er-
warte ich, daß ihr euch erkenntlich zeigt für
diese Wohltaten un Jeschenke, un nachher, wenn
der Dienst wieder losjeht—Feldwebel! schreiben

Se mal diesen Lümmel hier znm Nachexerzieren
auf! Guckt mich das Aas an un jähnt janz un-
scheniert! So 'n Viehbengel! Un nun noch dazu
so 'n Kerl! Nich bloß Pole is das Schwein,
sojar noch Jude dazu! Reiß dich zusammen,
mein Junge, sonst sollst du mal sehen! Dann
lasse ich 'ne Laterne znrechtmachen nn denn
jeht's jleich mal 'n bißchen auf deu Kasernen-
hof! Jawoll! U» so»e» Kerl soll man nun was
von Weihnachten erzählen! Ter kann einem

Patriotisch. EmU Erk

„Na, Ede, lüste ooch for'u Krieg?"
„Allemal, jeder gute Alldeutsche' is dafor!"

wahrhaftig die janze Weihnachtsstimmung ver-
derben! Wahrhaftig! Na, abjesehn von diesem
Kerl hier erwarte ich von der Kompagnie, daß
sie sich dankbar zeigt für das, was sie von der
Truppe hat. Kerls, ich kann euch bloß sagen:
nehmt die Sache mit deni Dienst jetzt ernst!
Es steht jetzt verdammt kitzlich! Es kann jetzt
jeden Tag heißen: ausrücken un in den Krieg!
Jawoll! Un lange kann es überhaupt »ich mehr
dauern. Denn die Herren Engländer werden
ejal frecher, un den Franzosen juckt das Fell
auch mal wieder. Nn, sie können's ja bloß sagen.
Wir wollen ihnen den Zimmt janz jerne mal
ivieder besorjen. Das heißt: wir hier hätten's
ja nun hauptsächlich mit den Russen zu tun,
nn das wäre eigentlich recht schade, denn
mit denen sind wir ja immer janz jut Freund
jewesen. Aber mitjejangen — mitjehangen, un
wen» sie's nich anders haben wollen, dann
werde» sie eben in Jottes Namen verhauen.

Also darauf müßt ihr euch nun jeden Tag
jefaßt machen. Aber das sage ich euch: wcnn's
los jeht, dann jeht's um eure Haut! Strengt
euch an, damit ihr euch nachher keine Vorwürfe
machen müßt, wenn ihr eins vor die Plantze
-ekriegt habt. Dann denkt ihr: Hätte ich doch
.n der Jarnison besser aufjcpaßt! Hätte ich
mir doch mehr Mühe jejeben, wenn mir mein
Hauptmann sagte: Ruhig abkrümmen beim
Schießen! Oder wenn mich mein Unteroffizier
das Bajonettieren lehrte! Dann seht ihr erst
ein, wie jut man's immer mit euch jcmeint hat.
Aber dann hilst's nichts mehr, wenn man erst
so ’n Ding weg hat. Darum sage ich euch das
jetzt.

Na ja! Also nun feiert tüchtig Weihnachten.
Es jibl Freibier, da könnt ihr ordentlich einen
trinken, un zu essen jibt's auch. Es fehlt euch
also an nichts. Also nun trinkt un ammesieri
euch nn singt eins dabei, aber erst, wenn ich
weg bin. Jin ibrijen wünsche ich euch ver-
jnügte Feiertage!
 
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