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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0023
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*—» 7779 » -

Heute Martin Luther — morgen Pater FiluziuS. Wic'S trefft!

^ iwveltpNne. rs

Ein Märlein ist beliebt zur Frist,

Das ist so alt wie Deutschland ist.

Man sagt es immer von neuem her:

Es ist die abgeleierte Mär

Vom unpolitischen Landrat!
Inzwischen ward in Pommern gewühlt
Und an der Linken das Mütchen gekühlt
Und Wahlvorsteher „instruiert"

Und Wahlen „verbessert" und schikaniert
Vom unpolitischen Landrat!

Vorm Reichstag steht naiven Gesichts
Der Herr Minister und weiß von nichts:
„Ihr müßt mir glauben, ihr dummen Kälber,
Ich muß es wissen — ich war ja selber
Ein unpolitischer Landrat!"

Süddeutschland ist der fürchterlichen Gefahr eines Bruderkriegs noch
glücklich entgangen. Infolge des badischen Redeverbots an den Jesuiten
Cohauß war Freiherr v. Hertling fest entschlossen, Baden mit Krieg zu
überziehen. Er hatte bereits Erzberger mit Mundwerk und Repetier-
schreibmaschine als Oberfeldherrn engagiert. Nur die plötzlich eingetretene
Landestrauer hat den Nusmarsch der bayerischen Truppen vereitelt.

Die Staatsminister beider Mecklenburg fuhren nach Berlin, um den
dortigen leitende» Staatsmann wegen der Verfassungsfrage des Ochsen-
kopslandes zu interviewe». Sie trafen aber nur den preußischen Minister-
präsidenten an, der momentan aufs „Parlamenteln" sehr schlecht zu
sprechen ist. Der Reichskanzler war dienstlich verhindert: er ließ gerade
seinen Krieg mit dem Zentrum kinematographisch für die Weltgeschichte
aufnehmen. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Das Arbeiterlied.

Dem Deutsche» Arbeitersängerbund zur Feier der eisten
hunderttausend MilgUeder gewidmet.

Das Lied ist mehr als Klang und Spiel *—
O denke dra», du Arbeitsmann!

Es nehm' die Sterne sich zum Ziel
!lnd flieg' zum Wolkenrand heran
!lnd bring' den Simmel uns zum Tausch —
Das Lied sei Rausch!

Das Lied ist mehr als Spiel und Klang —
Es brause hi» ohn' Rast und Ruh',

Das Lied aus deiner Seele drang.

Du deutscher Proletarier, du!

Schöpf' aus des Leides tiefem Born -
Dein Lied sei Zorn!

!lnd wenn du singst, d>l Arbeitsmann,
Vergiß es nicht, vergiß es nicht:

Laß steige» hoch zum Simmel an
Das Lied, das deine Ketten bricht.

Es rüttle an Zwing Llris Turin —

Dein Lied sei Sturm! D. s.

Lieber Jacob!

Also ick bin krank, ick habe 'n lahmes Veen
un 'n Loch im Kopp, von bet verknaxte Kreiz
janich zu reden. Außerdem hat mir der Staats-
anivalt vorjeladen. Det kam nämlich so. Ick
hatte Jagoiv'n seine »eisten Vorschriften for
dem Fußjängerverkehr nff de Berliner Straßen
jelesen — ivat sage ick, jelesen? — studiert hatte
ick se, denn det is 'ne dustere un verivickelte
Sache, un et is »ich so leichte, ihr richtig zu
kapieren. Wie ick »n niit fertig ivar, wollte ick
mir mit meine neien Kenntnisse zeigen un be-
jab mir nach de Friedrichstraße, Ivo det Men-
schenjewiehl am dicksten is. Ick hielt mir, wie
W BotsMift is, immer so, det ick de andern
Fußjänger zu meine linke Hand hatte, un mußte
daher ejal dichte an de Häusermauern lang
loofen, wobei ick mir dein rechten Ellenbogen
bald janz wund jeschrammt hatte. Aber da
machte ick mir weiter nich ville draus, denn
det Jesetz jehorsam zu sind, is det jreeßte Ber-
jniejen for jedem treien Untertanen.

Indessen uff eenmal jing et nich weiter. Vor
een Schaufenster an de Ecke Leipziger standen
zwee Herren so dichte vor, det ick zwischen sie
un de Jlasscheibe bei'» besten Willen nich durch
konnte, un links ausbiejen is nicht crloobt.
Nachdem ick ne janze Weile verjeblich jelanert
hatte, det se mir freiivillig Platz machten, sagte
ick im heeflichsten Tone zu ihnen: „Billeicht
haben Se jetz woll de Jiete un machen sich
dinne, det ick hier durch kann." „Nanu," kriegte
ick zur Antwort, „is denn for Ihnen »ich je-
nng Platz nff't Trottoar? Belästigen Se uns
jefälligst »ich!" Nu ivnrde ick aber falsch. In
det sichere nn erhebende Bewußtsein, Jagoiv'n
nff meine Seite zu haben, rannte ick die beeden

Berliner Gelehrtenschicksal.

„Kollege Grübelmaier mußte in ein Sanatorium ge-
bracht werden —der Ärmste wollte den Sinn derJagow-
schen Belanntmachungen und Verfügungen entdecken."

Verkehrshindernisse mit den Schlachtruf: „Im
Namen des Jesetzes!" ieber'n Haufen. Wat
soll ick dir sage»? Im selben Oogenblick war
ooch schon '» Schutzmann zur Stelle un hatte
mir bei'» Schlafittchen. Ick protestierte un berief
mir uff meine» pollezeilichen Rechtsstandpunkt,
aber et half nischt, ick mußte mit nff't Revier.

Der Blaue wollte mit mir quer ieber'n Fahr-
damm, aber det ließ ick mir, iveil et nnjeseh-
lich is, nich jefallen, sondern bestand druff, det
ick bis an de neechste Querstraße transportiert
wurde un dann rejlementsmäßig jenau recht-
ivinklig in de Fahrtrichtung lieber. Det jing
ziveenial janz jut, aber bei de dritte Ecke wurde
ick von'» Auto anjefahren, det mir zu Fall
brachte mir det linke Been quetschte, ’» Loch
in Kopp schlug un det Kreiz verstauchte. An-
statt mir zil beiveinen, wurde der Schutzmann
nu aber jrob un erklärte, wenn ick schon ver-
rückt wäre, er wäre et janz jewiß nich, un wollte
mir unvorschriftsmäßijer Weisein schräje Rich-
tung uff de andere Seite bugsieren. Ick machte
ihm nff de jesetzlichen Foljen seiner Jbertretnng
uffmerksam, nn ivic er trotzdem dadruff be-
stand, widersetzte ick mir uff det nachdricklichste.
Dabei verlor er leider seine» Helm, kriegte 'ne
kleene Schramme uff de rechte Backe un fiff sich
schließlich '» Kollejen zu Hilfe, worauf se mir
mit Jemalt nach de Wache schleppten.

Nachdem dort meine Perseenlichkeit festjestellt
worden ivar, wurde ick zwar wieder entlassen,
aber nach acht Tagen kriegte ick 'n Strafmandat
jeder zwanzig Meter, weil ick die zwee Herren
im Namen des Jesetzes anjerenipelt hatte, nn
'ne Woche später kam noch die oben besagte
Vorladung vor deStantsan waltschaft von wejen
tätlichen Widerstand jejen de Pollezeijewnlt un
Beamtenbeleidijung. Ick habe aber keeneBange
»ich, sondern sehe dem Strafprozeß mit det
jreeßte Jottvertrauen entjejen, indem det ick
Jagoiv'n als Zehen vorladen lassen werde un
fest ieberzcijt bin, det er mir 'rausschwören
wird.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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