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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0035
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- 7791

(fss liolielfpane.^

O könnt' ich doch so glücklich
Auch einmal sein und froh,

Als wie an Grönlands Küste
Der biedre Eskimo.

Er zapft von seinem Trane,

Er schneidet seinen Speck,

Und dieses zu verteuern
Kein Junker ist so keck.

Es kümmert auch kein Weltkrieg
Solch freien Erdensohn,

Weil er doch gar so ferne
Der — Zivilisation.

Die Zentrumspolilik ist streckenweise sehr verwickelt. Zwar wird das
grobe Kasperletheater für die Wähler immer noch spielend beherrscht;
aber zwischen den feinen Fäden des Zentralmarionettentheaters richtet
selbst ein Mathias Erzberger von Zeit zu Zeit Konfusion an.

Delbrück ist Major geworden!

Hat man nicht den Schneid verspürt.

Damals, als er attackiert
Forsch des roten Umsturz' Horden!

Dem Verdienste seine Krone:

Finster wird die Stirne runzeln.

Der Major jetzt... Listig schmunzeln
Unsre Industrie-Barone!

Ein Narr fragt mehr, als zehn Weise beantworten können. Wenn
sie aber alle elf zusammen eine schwarze Redaktion bilden, läßt sich
sogar eine zweimal täglich erscheinende Zeitung darüber herausgeben.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Zeitgemäßer vorfchlag.

„Se woll'n sich duellieren mit Ihren Hausfreund? Js'n mießes Geschäft,
Herr Baron! Lassen Se 'n lieber als Aviatiker ausbilden!"

Die Verschleppungskommission.

Juli 1912: Es wird beschlossen, eine Kommission
zu ernennen, die die Höhe der Fleischpreise unter-
suchen und Vorschläge zu ihrer Herabminderung
machen soll.

November 1912: Die Kommission tritt zusammen.
Einziger Punkt der Tagesordnung: „Vertagung".

Januar 1913: Die Kommission tritt zusammen
und beschließt, Sachverständige aus Agrarier- und
Fleischerkreisen zu befragen.

1. April 1913: Es werden 100 Sachverständige
ernannt. Da man aber nicht alle aus einmal hören
kann, wird beschlossen, alle Vierteljahr eine Sitzung
anzubcraumen, in der je ein Sachverständiger ge-
hört werden soll.

November 1937: Der letzte Sachverständige ist
gehört: Die Kommission feiert ihr 25. Jubiläum
und konstatiert bei dem Jnbiläumsdiner, daß in
Deutschland eine Teuerung nie existiert hat, nicht
existiert und nie existieren wird — wenigstens nicht
in den Akten der Kommission, woraus es allein an-
kommt. Man trennt sich unter den Klängen der
Nationalhymne: „Immer langsam voran!"

hygienische heimstätten-Lektüre.

Von MedtcuS.

In der Lungenheilstätte Beelitz ist den dort unter-
gebrachten Berliner Arbeitern das Halten sozialisti-
scher Blätter untersagt worden. Dagegen werden
ihnen täglich der Scherlsche „Lokalanzciger" und die
„Vossische Zeitung" dargeboten.

Die Nörglerpresse hat natürlich an diesen Maß-
nahmen wieder allerhand auszusetzen. Sie begreift
nicht, daß die Direktion der Lungenheilstätte dabei
lediglich von hygienischen Gesichtspitnltcn ausgeht.
Als die wichtigsten Heilmittel gelten bekanntlich
Schlaf und gesunde Verdauung. Der Herbei-
führung des crstcrcn dient, wie jeder Kenner gern
bestätigen wird, in hervorragendem Maße die Lektüre
der „Tante Voß". In der Regel ist der Patient,
sobald er die ersten Zeilen des Leitartikels gelesen
hat, in eine» tiefen, gesunden Schlummer versunken.
Der Kranke aber, der in seinen Eingeweide» den
ersehnten, unwiderstehlichen Drang verspürt, greift,
bevor er sich in die Einsainkeit zurückzieht, mit
Vorliebe zum „Lokalanzeiger", der unter sämtlichen
Berliner Zeitungen das fpjderstandssähigste Papier
besitzt.

Schwarzweißes.

In einem Baugeschäst in Groß-Lichterfelde bei
Berlin ist ein Neger tätig, der unter anderem auch
einige weiße Angestellten zu beaufsichtigen hat. Da-
durch ist die alldeutsche „Tägliche Rundschau" in
große Aufregung versetzt worden. Sie fürchtet, daß
unseren deutschen Landsleuten in den Kolonien cs
nicht begreifen werden, wie ein Schwarzer der Vor-
gesetzte von Weißen sein könne!

Was werden unsere überseeischen Kulturpioniere
aber erst dazu sagen, wenn sie hören, daß bei uns
sogar schon die stolzen Leiter der deutschen Reichs-
Politik gezwungen sind, die „Schwarzen" als ihre
höchsten Vorgesetzten zu respektieren, deren Wünschen,
Befehlen und Launen sie sich in gottgewollter Ab-
hängigkeit demütig und bedingungslos fügen müssen?

—— Arminius.

Ein neuer Iagow.

Wird bei uns ein Mintsterlcin
Ernannt von feinem Meister,

Dann grüstt ihn gleich das Hurraschrei'n
Der Scherlsche« Preffegcister.

Und wen» der neue Zagvw heisst
Wie der Berliner Detter,

Dann hüpft Herr Schmock verzückt und preist
Ihn schon als Deutschlands Retter.

Wird er — wie jener — Lieblingskind
Der Karikaturisten?

Wir, die wir arge Zweifler sind.

Wir — warnen Optimisten!

Lieber Jacob!

Ebent lese ick in de „Deitsche Tageszeitung",
in die mir mein Hoflieferant meine Leber-
ivurst injewickelt jehabt hatte, von een jrauen-
errejendes Bejebnis, dessen Schauplatz de Stadt
Friedberg in't Jroßherzogtum Hessen jewesen
is. Da haben se nämlich vor kurzem'ne Blinden-
anstalt uffjenzacht un bei de Einweihungsfeier
verjessen, 'n Hoch uff dem dortigen Landes-
vater auszubringen. Haste Worte? De „Deitsche
Tageszeitung" is janz außer sich ieber diese
Zustände, »» Ortel innßte erst 'ne janze Pulle
Konjack zu sich nehmen, ehe er so weit jefaßt
war, det er Jift un Jalle speien konnte. Un
ooch ick muß sagen: wenn man bei sonne
frehlichen Jelejenheiten nich mal mehr 'n bisken
Hurra quietschen derf, denn «rechte man schon
lieber jar keen blinder Hesse nich sind. Aber

so sin heitzudage de Leite in Süddeitschland!
Alle Ehrfurcht vor det Erhabene is ver-
schwunden, un als eenzigster Trost bleibt uns
bloß noch det stolze Bewußtsein, det et da-
neben Jottseidank doch ooch noch Preißen jeden
tut! Bei uns in Berlin zum Beispiel steijert
sich de Liebe zu't Herrscherhaus in de hand-
jreiflichste Weise. Et verjeht beinahe keen Tag,
wo nich irjendeener von'n Hofauto dotjefahren
wird, der sich in seine monarchische Bejeiste-
rung zu dichte 'ran jetraut hat. De Leite schei-
nen sich jeradezu in de Jummiräder zu stirzen,
um uff diese Weise bejlickende Fiehlung mit
det Jottesjnadentum zu kriejen. De Pollezei
konnte bis jetz zu ihrein Bedauern nischt da-
jejen machen, denn de Hofautos führten in so'n
rasendes Tempo, det de bekannte Fixigkeit
unserer Blauen nich dazu langt, um det Un-
jlick in flajranti zu verhieten. Hoffentlich ivird
aber Jagow jetz endlich enerjische Maßrejeln
jejen dem Jbelstand erjreifen; denn wenn det
noch länger so fortjeht, is Berlin in fiinf
Jahren jänzlichst entvölkert. Zunächst mißte,
scheint mir, de Pollezei druff bestehen, det de
preißeschen Prinzen, wenn se zu irjend'n un-
abkömmliches Jeschäft in't Theater oder uff'n
Rennplatz sausen, sich janich verbliffen lassen,
sondern ihre Jeschwindigkeit noch mehr ver-
stärken. Der Luftdruck von de vorbeijagende
Hofbenzinkarre muß so mächtig sind, det er
jedem Unbefugten beiseite schleidert. Sollte
aber doch eener unter'» Jummi jeraten, denn
mißten dem Frevler de allerstrengsten Pollezei-
strafen treffen. Denn de Liebe un Ehrfurcht
vor't Herrscherhaus is 'ne scheene un einträg-
liche Sache, aber se darf nich in't Lebens
jefährliche ausarten, verstehste. Un so riehreud
un schmeichelhaft et im alljemeenen is, so hat
et andererseits doch ooch seine Schattenseiten
for de hohen un hechsten Herrschaften, wenn
ihnen bei ihre Spazierfahrten ejal abjeräderte
Arme un Beene von jetreie Untertanen um
de Ohren fliejcn. Da muß ebent de Pollezei
jejen inschreiten!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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