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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0046
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— 7802

Graf Iveftarp meldet sich zum Wort,
Oer Rampe, hochgeboren,

Da wird das ganze Haus mobil
Und alles spitzt die Obren;

Die Roten grinsen schadenfroh,
hebt sich von feinem Sitz' er.

Der hehre Ruhm und Stern von Dornst
Und Stolz der meferitzer.

„Den Umsturz zu vernichten gilt’s,“

So spricht der edle Recke,

„Und schärfste Wittel fordern mir
Dom Reich zu diesem Zmecke!

Der Kampf mit geift’gen Waffen war
Stets untre schwächste Seite,

Der Junker, der auf ihn vertraut.

Der ist unrettbar pleite.

Preußische Regierungskunst.

was lagen Sie? „Das Volk" und (o?
Bedaure, ift mir unbekannt.

£s exiftiert? Ich frag Sic: wo?

Bei uns? In unterm Preußenland?

6s lieht in unferm Lexikon

Zum flmtsgebrauch gar nichts davon

Und alfo ift es eine Fabel —

Indiskutabel!

Der Junker und der Pfaffe, ja.

Das weih ich: diele, die find da!

Ja, lehr, o weh, gar voll und rund
Und kräftig, laut und kerngefund.
wenn man mal nicht wie diele tut,
firiegt man fofort eins auf den ßut;

Doch was da unten murrt ift Babel —
Indiskutabel!

warum ums Wahlrecht das Oefchrei?

Die beiden ftehn fid) gut dabei.

Und Millionär und Schlotbaron
Sind gleichfalls für die Tradition,
was auf der linken Seite fpricht,

Mein Freund — wie einfach! — das ersticht
Man flugs mit feiner Rede Sabel:
Indiskutabel!

sich, hat man nur der Großen Ounft,

Ift das Regieren keine ftunft,

Um's allgemeine Publikum
Oeht man mit Eleganz herum,
hat es die ftärkften Gründe auch.

Man flöht es einfach vor den Bauch
Und fchreit: Ihr haltet euren Schnabel!
Indiskutabel!

tzähä, dies ift ein freies Wort;

Man kommt damit ein Weilchen fort,
wie meinen Sie? Ein Weilchen bloß.

Dann aber fei der Teufe! los?

Mag fein, hm, hm, in diefem Fall
Ift untre fiunft nur Rauch und Schah.

Sie flüchtet zu Gewehr und Sabel;

Die find uns immer diskutabel! p-,».

Politische Glossen.

Maffeiikatqstroph?,

Bcp Dchssilsregm ging diesmal in Berlin mit
geradezu wolkenhrnchartigcr Heftigkeit nieder. An
Hänsprn, PKnmpn »Nh Strqßmlaternen wurde glück-
licherweise kein nennenswerter Schaden angerichtet.

W Orak weltarp. es

„Dmm nehmen unsre Zuflucht wir
Zu anderen Methoden
Und suchen jetzt mit Muskelkraft
Den Roten auszuroden;

Den Broroning halten wir parat
Und schleifen unfern Säbel
Und kämpfen stolz und ritterlich
Mit Knute und mit Knebel.

„Ihren, port'monnale und Lhristentum
Sind unsre höd)ften Guter,
Zuchthausgesetz und Polizei
Der Ideale Hüter,

Das Dolk, das Brot und freiheit heischt,
Das hauen wir in Klumpen —

Den teuern flrbeitswill'gen Schutz!

Und Schutz jedwedem Lumpen!"

Dagegen erlitten zahlreiche Menschen Gehirnerschütte-
rungen und Rückgratverkrümmungen. Einer der Un-
glücklichen biß sich dabei in die große Zehe mit dem
Jnbelrus: Es ist erreicht!

Meschugge!

Die Redaktion der antisemitischen „Staatsbürger-
Zeitung" hat beschlossen, den unverfälschten Glauben
unserer germanischen Altvordern wieder einzuflihren.
Sie schreibt:

„Wir sind glücklicherweise noch so weit Deutsche,
daß wir int Weihnachtsmann unseren alten Wodan
begrüßen können. Und de» lassen wir uns auch
von keine!» Christen nehmen. Wurde doch zu-
allererst unter christlicher Flagge in deutschen Landen
mit Feuer und Schwert und religiösen Schreckmitteln
alles den Vätern Heilige herabgewürdigt."

Bekanntlich hatten die Germanen auch keine Erb-
könige von Gottes Gnaden, sondern gewählte Herzoge
von Volkes Gnaden. Die „Staatsbürger-Zeitung"
will, nach glücklicher Dnrchführung der religiösen
Reform, auch die Umgestaltung des irdischen Regi-
ments in altgermanischem Sinne in Angriff nehmen.
Welche Wendung durch Wodans Fügung!

Wunder über Wunder!

Klerikale Blätter melden, daß Papst Pius X. in
letzter Zeit zahlreiche wunderbare Heilungen bewirkt
habe. Das nimmt bei wunderbaren Heiligen durch-
aus nicht wunder. *

Etn Held.

Der Staatssekretär Kühn getraut sich nicht, eine
Erbschastsstcuervorlage einzubringen, weil er sich vor
den Konservativen fürchtet. Eine Reichsvermögens-
steuer vorzuschlagen wagt er nicht, weil er vor den
Finanzministern der Bundesstaaten Angst hat. Da-
her der Name „Kühn"! - M

Freisinnige Wahltaktik.

„Lilf, Gott im .Himmel, deinem Knechte,
Dem qrg bedrängten Freisinnsmann:

Der Rote reicht mir feine Rechte
sind bietet mir et» Bündgis ggl

,7Ö Herr, bewahr mein Äerz vor Sünde,
Errett' mich aus des Teufels Klau'n;

Eh' ich dem Roten mich verbinde.

Mag Rot und Schwarzblau mich verhau'»!

„Es sei gewagt! Am eigne» Zügel
Sporn ich mein Rößlein in die Wahl:

Ich kriegte schon so viele Prügel,

Warum denn nicht auch dieses Mat?

„Selbst ist der Mann! Mit stolzem Nacken
Beut unsre wackre Streiterschar

Nachdem er so gesprochen hat,

Nimmt Platz aut seinem Sitz' er.

Der hehre Ruhm und Stern von Bomft
Und Stolz der Meferitzer;

Und auf des haufes linker Seit'
herrscht inniges vergnügen —

Doch auf der rechten seufzt man schwer:
„O hättest du gefd)wiegen!

„Zwar deine Rede, edler Graf,
flieht lieblich, gleich dem Öle,

Und was du da gesprochen Haft,
Sprachst du uns aus der Seele —

Und doch liegt deine Rede schwer
Uns Junkern in dem Magen:

Denn, Bester, fo was denkt man wohl.
Doch darf man es nicht sagen!" cehm-nn.

Die Vorder- und die Hinterbacken
Dem Feind als Angriffsfläche dar.

„Zum Kampfe wollen wir uns stellen.
Einsam int Wirbel des Gefechts,

Von allen Seiten regnen Schellen,
Fußtritte gibt's von links und rechts.

„And sind vorbei die bösen Wochen,

Des wilden Wahlkampfs Mut und Grans,
Dann schleppen die zerdroschnen Knochen
Befriedigt wir im Sack nach Laus."

So ward's gehakten, seit auf Erden
Des Freisinns edles Reis gedieh —

And diese Art, verbimst zu werden.

Nennt man Zweifrontenlheorie. Tobias.

Glosse.

Der endlich gefaßte Raubmörder Sternickel
war, wie man hört, ein begeisterter Tauben-
liebhaber.

Die „Sternickels" der hohen Politik frönen
ähnlichen Leidenschaften. Sie haben die Welt-
friedenstaube zum — Fressen lieb.

Fremde Sitten.

Der Minister Millerand dankte ab, um einem Mist,
trauensvolum der Avgeordnetenkaminer z» entgehen.

Zn Frankreich stolpern die Minister,

Weil es das Parlament verlangt
And weil cs ihnen vor dem Votum
Der freien Volksvertreter bangt.

Seltsames Land! Seltsame Sitte»!

Der gute Deutschs glaubt es kaum.

Er reibt sich die yerschtaf'neg Augen
And hält es fast für einen Traum.

Ssa ja, so geht's in einem Lande,

Wo man dynastisch nicht entflammt
And wo man seinen Lerrscher wählet,

Der nicht ein bißchen „angestammt".

Bei uns ist heilig ein Minister
And sei er noch so lang bezopft;

Er ist wie 'n Nagel: er sitzt fester.

Je mehr der Reichstag auf ihn klopft!

Er stürzt nur in des Loses Glätte
And nicht durch Parlamentskritik
Wie gut, daß wir in Deutschland leben
And nicht in einer Republik!
 
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