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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0050
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7806 --

Ging wohl ans, das Glück zu suchen.
Wunderte gar frisch und froh
Anker Eichen, unter Buchen —

Ach, es lebt schon irgendwo.

Treff ich's heut nicht, trcff ich's morgen.
Jung mein Mut und neu mein Kleid —
Lachend trug' ich meine Sorgen
And der Tage kleines Leid.

Ging ja aus, das Glück zu fangen,
Frühling, Frühling, blühst du bunt!
Staarc, Fink und Amsel sangen.

And cs sang mein froher Mund.

And cs sangen meine Sinne
Jauchzend, frei von Fron und Joch:
Fernes Glück, ja, ich gewinne.

Ich gewinne dich ja doch!

Km Vahnhof.

Das ist ein Drängen und ein kjasten,

Ein Jagen wie nach fernem Glück,
vorüber Reisende und Lasten,

Und stille Ivehmuvbleibt zurück.

Noch brennt ein Nuß auf meinen Lippen,
Ein pfiff erklingt wie Schmerzensschrei;

Vas Eisentier hebt seine Rippen,

Nun braust schon Zug und Zeit vorbei.

Um Straßenrand vor dem Portale
Streckt sich mir eines Bettlers ffand
verwelkt entgegen, die im Tale
Des Schicksals keine Stütze fand.

INit Zügen, unbewegt, ergeben,
vom überlauten Tag umkreischt,

Gleicht er dem seelenlosen Leben,

Das starr den Zoll des Leides heischt.

Otto Krille.

Die Verlobungsanzeige.

Don Paulus.

Es gingrechtfidelzuauf dem großen Fasching-
ball, den die „Ressource" im größten Saal der
Stadt veranstaltete. Es gab einige Mißver-
gnügte, denen es sogar etivas zu fidel war.

Assessor Schmaucher gehörte nicht zu diesen
Krittlern. Er feuerte seine Lustigkeit mit immer
erneuter Zufuhr von Sekt an.

Assessor Schmaucher nahm Abschied vom
Junggesellentum. Ende des Monats sollte Ver-
lobung mit der Tochter des Kommerzienrats
Goldmann sein. Sie war nicht schön. Sie ge-
hörte zu denen, deren einziger Reiz der —
Hustenreiz ist. Aber ihre „metallischen" Vor-
züge ließen gerne darüber hinwegsehen.

Durch den Saal klang das schöne Lied:

„Reißt dem Kater den Schwanz aus.

Reißt ihn aber nicht ganz aus!"

Der Handwerksbursche.

Von Ernst Preczang.

Brauchst ja nicht im Lenz zu kommen.
Der mir reichlich Lust gebar.

Nein, ich heiß dich einst willkommen
Mit dem Ährenkranz im Haar.

Wenn die Nächte golden glühen
And die Luft wie Blut so warm.
Segnest du mir meine Mühen,

Halt ich jubelnd dich im Arm.

And ich ging durch grüne Auen,

And ich schlief auf weichem Moos,
Durfte Ährcnsegeu schauen.

Sah die Ernte reif und groß.

Vor mir schwankten schwer die Wagen
Auf dem Weg, von Staub rimwallt.
And mir kam ein leises Fragen:

Wird auch dir die Ernte bald?

-o o o-

Der Assessor ninfing die kleine Tirolerin,
der er sich diesen Abend gewidmet hatte, und
drehte sich mit ihr im allgemeinen Wirbel, in
den menschenfreundlichen Refrain einstimmend:
„Laßt 'neu kleinen Stummel dran.

Daß er wieder wachsen kann!"

Es durfte niemand erfahren, daß er hier
war. Aber seine Maske war so gut und echt,
daß ihn keiner erkennen konnte. Und bis zur
Demaskierung wollte er nicht bleiben. Er mußte
soivieso morgen einen klaren Kopf haben; denn
die Frau Schwiegermama in spe wollte ihn
am nächsten Vormittag.aufsuchen und die Frage
der Verlobungsanzeige besprechen.

Mit einem Juchzer schrie er die Aussicht auf
die bevorstehende Zeit der Ehekrüppelei fort
und ging mit seiner kleinen Tirolerin nach den
Buden, die längs des Saales standen.

Die Tirolerin schien das Motto ihres Landes
beherzigen zu wollen, daß es auf der Alm
„ka Sünd" gibt; sie ivollte durchaus alle Ge-
nüsse dieses Abends auskosten. Und Schmaucher
machte beseligt alles mit.

Eine Würfelbude zeigte die verführerischsten
Gewinne. „Jeder Wurf über zwölf gewinnt",
stand dort in lebensgroßen Buchstaben. Sie
würfelten, bis ihnen die Finger iveh taten
und bis er fünf Mark verwürfelt hatte. Da
merkte er erst, daß im Würfelbecher nur zwei
Würfel vorhanden waren, init denen man auch
beim besten Willen nicht mehr als zwölf werfen
konnte.

Von da an machten sie sich an die reelleren
Genüsse: die Kaviarbrötchen und die sonstigen
Leckerbissen des Büfetts. Endlich strandeten sie
in einer der kleinen Nischen. Es war die einzige,
die noch unbesetzt war. Aus alle» anderen
klang verdächtiges Rascheln und Gläserklirren
und Gekicher. Und dazwischen knallten Küsse
und Sektpfropfen. Ja, es ging recht fidel auf
deni Ball der „Ressource" z».

. Assessor Schmaucher konstatierte es mitWohl-
behagen, und er kostete dies Gefühl ganz und
gar aus. Nur ab und zu stiegen — wie Wölk-
chen am blauen Himmel — die schwarzen Ver-
lobungsgedanken auf. Aber die kleine Tirole-
rin, die durchaus nicht schüchtern, ivar, ver-
scheuchte sie bald.

Es, ivurden Ansichtskarten zum Kaufe an-
geboten, die recht saftig waren und die Fa-
schingslust in nicht mißzuverstehenden Zeich-
nungen verdeutlichten.

Der Assessor kaufte die ganze Serie und
schrieb ans eine seine Adresse, damit die Kleine
ihn doch mal besuchen könne.

Wird dir bald das Glück sich zcigcn?
Braucht ja nicht im Sommer sein:
Auch im Herbste tanzt man Reigen,
Liebt und trinkt den jungen Wein.
Buntes Laub anstatt der Veilchen
Auf dem wcttergrünen Hut.

Mädchen, lvarte noch ein Weilchen —
Auch bei Sturmsang ruht sich's gut.

Ging wohl aus, das Glück zu suchen.
Glaub, mich packt ein lciscs Weh.

Auf den Eiche», auf den Buchen
Lastet weiß und schwer der Schnee.
Sonne stirbt, die weit verloren
Nur in mattem Feuer glüht. . . .

Ach, mein Lied ist eingefroren,

Lind mein Fuß ward wund und müd.

Es kränkte ihn etwas, daß sie ihm den
„Assessor" nicht glaubte. Aber dies Gefühl
hielt nicht lange an, da sie ihm Treue schwor
und da — eine neue Pulle entkorkt Ivurde.

Er demaskierte sich, vergaß alle guten Vor-
sätze und kam erst beim Morgengrauen in
einem Zickzackkurs nach Hause. Er entsann sich
nur noch dunkel, daß die kleine Tirolerin ihn
bis zu einem Nachtcafe begleitet und daß er
dort irgend eine ihm vorgelegte Ansichtskarte
unterschrieben hatte. An wen sie gerichtet war,
ivußle er nicht mehr.

Er erfuhr eS bald.

Um die elfte Stunde klingelte nämlich Frau
Kommerzienrat Goldmann bei ihrem zukünf-
tigen Schwiegersohn.

Die Wirtin sagte, der Herr Assessor sei noch
nicht auf.

Sie bat, ihn zu wecken. Er sei doch nicht
etiva krank?

Frau Kommerzienrat nahm im Wohnzimmer
Platz und wartete. Sie hörte aus dem Neben-
zimmer eine wohlbekannte Stimme fürchter-
liche Grobheiten sagen. Wahrscheinlich schalt
er die Wirtin. Gleich darauf gröhlte er mit
furchtbar heiserer Stimme etwas von einem
Kater, dem man den Schwanz ausreißen solle.

Frau Kommerzienrat erhob sich indigniert,
um diesen Schauplatz zu verlassen. Ihr Blick
fiel auf die Post, die für Herrn Assessor ab-
gegeben war und auf dem Tische lag. Ganz
zu oberst lag eine Karte, deren Inhalt sie er-
starren machte.

Da stand: „Als Verlobte, Verliebte, Ver-
lebte cinpfchlen sich Resi Kußmaul, Adolnr
Schmaucher, Assessor."

Es waren seine Schriftzüge; sie kannte sie
genau. Mechanisch drehte sie die Karte ui»;
es war eine jener saftigen Faschingskarten,

„Huh!!" schrie sie auf und glitt ohnmächtig
in den Plüschfauteuil.

An diesem Tage ivurde es Nichts mit der
Bestellung der Verlobnngsanzeigen,

Und auch später nicht.
 
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