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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0086
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— 7842

Türkische Finanznot.

Die türkische Regierung unterhandelte mit einem aus-
ländischen Syndikat über den Verkauf des alten kost-
baren Thronsessels, für den sie achthunderttausend
Pfund haben will.

Wie's jetzt leider überall is',

Lat auch die Türkei den Dallis.

Und der Sultan — am empörtsten —
Muß vernehmen mit Entsetzen:

Man will den Respekt verletzen
Und ihm gar den Stuhl versetzen
Unterm Allerwertsten.

'Dieser Stuhl -- hier sei's vermoldcn —
Ist der Thron, massiv und golden.
Wertvoll unermeßlich.

Soll des Sultans Rückenseite,

Gleich dem Podex andrer Leute,

Leiden bei des Staates Pleite?

So was wäre gräßlich!

Banken, Sammler, Milliardäre
Feilschen um des 'Ankaufs Ehre,

Zahlen ohn' viel fackeln.

Anders als auf andren Stühlen
Mögen des Gesäßes Schwielen
Sich auf einem Throne fühlen.

Mag er längst auch wackeln.

Alfred Scholz.

v. Below-Pleitenburg

an v. Arnim-Schnodderheim.

Mein Allerwertester! Erklärung von Exzel-
lenz v. Tirpitz, daß Verhältnis der deutschen
zur englischen Schlachtflotte in Zukuilft gleich
10:16 sein solle, hat bei Ihnen schwere patrio-
tische Besorgnisse hervorgerufen. Meinen, daß
bei Ausbau von deutscher Flotte jeder Versuch,
Schranke zu ziehen, als nationales Verbrechen
an Panzerindustrie und Marineoffizierkorps
zu verwerfen sei. Brauche natür-
lich nicht zll versichern, daß darin
vollkommen beistiinme. Kriegerische
Hoffnungen dürfen nicht getäuscht,
Avancementsaussichten von Seeoffi-
zieren nicht verschlechtert, Schiver-
industrielle, die nationale Mission
haben, Goldfische für unsere Söhne
zu stellen, in Zahlungsfähigkeit
nicht mutwillig beeinträchtigt wer-
den. Scheint mir aber doch, ver-
zeihen gütigst, daß Chose nicht rich-
tig verstanden haben. Tragweite
von Tirpitzscher Erklärung Ihrer-
seits irrtümlich aufgefaßt. Verhält-
nis von 10:16 bedeutet nicht, daß
wir auf 10, Engländer auf 16 fest-
genagelt sind. Im Gegenteil, können
Flotte egal weiter ausbauen, und ge-
ben damit England Recht, sich eben-
falls entsprechend zu vergrößern,
und umgekehrt. Nehmen an, daß
England Seemacht von 16 auf 32
erhöht, dann sind wir sogar mora-
lisch verpflichtet, uns ebenfalls zu
verdoppeln. Verstehen? Bis jetzt
war Regierung gezwungen, Bau
jedes lumpigen Panzerkastens vor
Reichstagsproleten umständlich zu
motivieren, um filzige Nörgler platt
zu schlagen. In Zukunft heißt eS
einfach: England stellt neue Kreuzer
ein, folglich auch wir, auf Grund
internationaler Vereinbarung, die
von liberaler Seite so oft verlangt
und so freudig begrüßt worden ist.

Fertig, kehrt! Abtreten! Betrachten,
bitte, Geschichte mal von diesem
höheren politischen Gesichtspunkt.

Werden dann anerkennen, daß Exzellenz v. Tir-
pitz mal wieder bezaubernd schlau operiert hat
und schmieriges Bürgerpack glänzend geleimt ist!

Preußisches Jubeljahr sehr befriedigend ein-
geleitet. Mit Adlern und Kronen niederer Ord-
nung nicht gespart. Gibt kaum noch konser-
vativen Schuster und christlichen Sargtischler,
der nicht dekoriert ist. Volk kann daraus sehen,
daß auf wirklich berechtigte Bedürfnisse der
gutgesinnten Bevölkerung von oben noch immer
Rücksicht genommen wird. Königsberger Jubel-
tage, wie ich höre, leider nicht ganz ungetrübt
verlaufen. Viel zu viel lästige Zivilisten auf
Straße und Kriegervereinler zu besoffen. Soll
für Polizeiorgane schwer gewesen sein, wenn
Schwein in Rinnstein fanden, zu unterscheiden,
ob Kerl oder Kavalier. Daher zahlreiche be-
dauerliche Atißgriffe. Kleiner Baron v. Pupritz,
der Zylinder und Johanniterkreuz verloren und
Namen vergessen hatte, wegen Einschlagen von
Fensterscheiben ans Wache geschleppt, luib, da
sich tätlich widersetzte, häßlich verdroschen.
Leugnet zwar peinliches Ereignis, weil unange-
nehme Folgen für militärische Karriere fürchtet
- steht gerade vor Rittmeister d. R. —, läuft
aber mit blauem Auge, Riesenbeule auf Glatze
und zwei erledigten Backzähnen herum, Haben
unter uns vielen Spaß damit gehabt, dürfen
ihm gegenüber aber natürlich nichts merken
lassen, da totsicherer Pistolenschlitze.

Bisheriger Glanzpunkt von Jubeljahr un-
streitig Berliner Nniversitätsrede von Majestät.
Sehr erfreulich, daß gelehrten Eseln Glauben
einzudrillen versucht hat. Auch meine heilige
ltberzeugung, daß lieber Gott sehr aktuell und
mit ihm noch glanzvolle Geschäfte für uns zu
machen sind. Wenn Plebs mehr Hochachtung
vor himmlischemJenseits hat, wird in irdischem
Jammertalweniger großmäulig und anspruchs-
voll auftreten. Hoffe, daß heilsame Folgen von
ausgezeichneter Jubel-Bnßpredigt sich schon bei

Bewilligung von neuer Militärvorlage doku-
mentieren werden, indem Kanaille Opferfreudig-
keit beweist, und Edelste und Beste nicht mit
verfluchterErbschaftssteuer belästigt, sondern in
freudiger Zuversicht auf himmlische Vergeltung
Kosten von ganzem Krempel aus eigener Tasche
berappt.

Das walte Gott! Ihr Below.

Der Patriot.

Mit dem Maule, ja, da ist er
Für die Militärvermehrung,
von dem Reichstag heischt er tapfer
Jegliche Rreditgewährung.

Rber geht'; ans Steuerzahler?,

Mird ihm die Begeist'rung kärger,

Und er spielt beim Deklarieren
Unverschämt den — Drückeberger! ,,,.

Politische Gedanken eines Primaners.

Den Beinamen „Der Große" erhalten in der Ge-
schichte immer diejenigen Herrscher, welche große Kriege
geführt haben. Danach scheint der Krieg die Zweck-
bestimmung der Völker zu sein.

Der Reichskanzler bezieht als höchster Beamter
des Staates auch das höchste Gehalt. So was muß
man erlebt haben, um die Bedeutung dieser Stel-
lung würdigen zu können.

Der Beruf eines Neichstagsabgeordueten muß sehr
schwer sein, weil alles, was er sagt, in die Zeitung
kommt. Tic Klügsten schiveigeu deshalb auch immer.

Die Politik verdirbt den Charakter. Deshalb haben
wir auch keine aus dem Stundenplan.

Die Soldatenbraut.

In einer kleinen Hütte am Dorfweg sitzen drei
Menschen in trautem Gespräch. Ein altes Pärchen
und ein junges, hoffendes Mädchen,
eine liebende Braut. Unter der Türe
steht der Briefträger.

' „Hier, ein Bricj! Grüß Gott beisam-
men!" sagt freundlich der Landbrief-
träger und gibt den Brief ab. Eilig
geht er weiter.

„Jedenfalls von unserem Fritz!" meint
mit stolzem Mutlcrglück die alle Frau.

„Lies ihn halt vor, Anna, hast noch
gute Auge», bist noch jung," sagt der
Alle zu feiner zukünftigen Schwieger-
tochter.

„Ist der Fritz vielleicht gar Unter-
offizier gelvordeu?" kichert neugierig die
Mutter.

„Freilich, warum nicht gar Haupt-
mann!" witzelt der Baker, klopft die
Pfeife und stillt sich eine neue Lage aus.

„Der.. Brief ist .. vom Regiment...
da unten steht... Oberst — ich kann's
kaum lesen — Allmächtiger. .!" Aus
des Mädchens gequälter Brust ringen
sich die Worte.

„Dummes Zeug! Rede deutlich!"
mahnt der Alte.

„Was ist's nnt Fritz?" fragt ängstlich
die Mutter. Die Runzeln ihres alten,
ehrlichen Gesichts spannen sich straff.

„Fritz .. ist .. verunglückt — im Ma-
növcr!.." flüstert tonlos Anna. Das
weiße Papier zittert in ihrer Hand.

„Tot?" fragt der Vater. Es klingt
wie der unterdrückte Schrei eines Ge-
folterten. Die Mutter hat die knochigen
Hände gefaltet; ihr zahnloser Mund
murmelt unverständliche Worte.

Die Soldatcnbraut stiert wortlos ins
Leere .

»nd draußen im Sonnenlicht blinken
Helme, stampfen stramme Schritte, lär-
men Trommeln und Pfeifen. Der Abgott
einer barbarischen Kultur kündet seine
Einquartierung im Dorfe an. L. P.

Zwischen zwei Feuern.

W. Steinert

Fräulein Fortschritt: Ich liebe diesen alten Depp Ivirklich nicht, lieber
Genosse, aber ich'schätze sein Geld-
 
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