A. Fiebiger
Die mode für 1913.
Der kugelsichere Mensch.
W Iwvelfpäne. eT
Den richt'gen Patrioten,
Den deutschen, kennt ihr schon,
Der haute in die Pfanne
Den Wicht Napoleon.
Grimm die Franzosen spießt er
Nach urgerman'schem Brauch
Und frißt sie ungebraten
Und ungesalzen auch.
Säuft zur Jahrhundertfeier
Und brüllt auch um die Welt'
Und — kriecht dann vor der Alten
Zu Haus wohl unters Belt.
„Der Mai ist ein Lump!" sagt Wilhelm Raabe. Ach, wie viel glück-
licher wären wohl die Menschen, wenn es keine anderen Lumpen in
der Welt gäbe als den Monat Mai!
„Im wunderschönen Monat Mai" sind heuer nicht bloß alle Knospen
aufgesprungen, sondern auch gewisse Eiterbeulen des heiligen Kapi-
talismus. „
Preußen krankt auch heute noch daran, daß sich das Bürgertum des
Jahres Achtundvierzig von den Märzerrungenschaften weg ... in den
April schicken ließ! ,
Preußens Adler kommt allmählich in die Jahre, wo man „aus-
wärts" nicht mehr viel „erobert". Seit 1871 konzentriert er seine
Heldentaten bloß noch auf den Reichsadler, dem er von Zeit zu Zeit
ein paar Federn ansreißt! .
Dame Borussia ist offenbar von ganz ungemein altem Adel; denn
jeder ihrer „Wahlrechtsreformvorschläge" ist eine Mißgeburt!!
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Der Pfarrer Gaigalat.
Ts wirbt der Pfarrer Gaigalat
mit Umsicht, Kraft und Fleiß
Für seiner Lchäflein Seelenheil
Im frommen Mem'ler Kreis;
Unt Thristi Lehr' und Gottes wort
Ist rastlos er bemüht,
Oer Keuschheit pflege aber gilt
• Als sein Spezialgebiet.
Uns daß die Unzucht er studiert,
Oie seinem Herzen fern,
Nützt jegliche Gelegenheit
Tr pflichtgemäß und gern;
3m Mem'ler Kreise leider gibt's
Nicht viel der Urt - darum
Erwählt Berlin, den Sündenpfuhl,
Lr sich zum Studium.
Uls ernster Volksvertreter sitzt
Cr im vreiblassenhaus
Bei Kanitz, Kreth und Heydebrand,
Doch abends geht er aus;
Man kennt ihn schon in jedem Bums
Und Unimierlokal,
Und insbesondre weilt er gern
3m Lass National.
Jedoch mit scheelem Uug' voll Neid
Und Mißgunst sahen dies
Zwei Wähler aus dem Mem'ler Kreis,
Kaitinnis und Strekqs;
Und in die Presse brachten sie
Zur Zeit der Landtagswahl,
was unser Heil'ger still vollbracht
3m Lase National.
3n Memel hat das Sottvcrtraun
Noch nicht die rechte Höh',
Drum glaubt man an Kein Studium dort
3n einem Uachtcafö;
Und eh' er mußt', wie ihm geschah,
Sah unser Tugendheld
Sich plötzlich als ein Schweinepelz
vor Memel bloßgestellt.
Ja, ja: mit vornen ist bepflanzt
Oer Tugend rauher Pfad —
Behcrz'ge dies und tröste dich,
G Pfarrer Gaigalat!
Dein Fall ist ja der erste nicht
3n dieser Welt allhier:
Schon manchem frommen Dottesmann
Ging's gradeso wie dir! Tobias.
Lieber Jacob!
Ick bin immer janz traurig, wenn keen
Herrenhaus »ich is, un et jibt for mir keenen
stärkeren jeistijen Jennß, als wie de Berichte
von de Verhandlungen dieses unbeschreiblichen
Parlaments in de Zeitungen zu lesen. Da steckt
doch noch Bulljong drin, un man merkt, bet
da Leite sitzen, die wissen, wat se wert sind,
un die sich, abjesehen von ihr steierflichtijes
Einkommen, »ich zu unterschätzen flejen. Zum
Beispiel der Jraf Mirbach! Wo jibt et selbst
in'n Reichstag uff de eißerste Linke ’n Volks-
vertreter, der jejen die von Jott einjesetzte
Obrigkeit sonne Töne riskiert wie dieser Jraf
in't Herrenhaus? Der Finanzminister könne
ihn ieberhanpt nischt mehr beibringen, hat er
jesagt, da wäre er schon ville zu alt zu! Un
wenn eener et wagt un von de Erbschafts-
steier zu reden anfängt, denn schimpft er ihm
eenfach „Bebel" un so. Un dabei is bet ’n
Mann, verstehste, der sich sonst nich lumpen
läßt un der sojar seine zum notwendigsten
Lebensunterhalt jeheerigen Luxusferde nn Ekli-
paschen versteier» tut wat, nach seine stolzen
Worte zu schließen, bei de ajrarischen Kame-
raden im alljemeinen »ich ieblich iS.
Un denn wieder uff de andere Seite diese
edle Bescheidenheit! Wie se neilich ieber de
Verlängerung des Schulzwangs verhandelt
haben, da jestand eener von den Allerhoch-
jeborensten: „Wenn wir nich bis zu unser
zwanzigstes Lebensjahr de Jimnasialbänke je-
drickt hätten, denn wäre aus uns allen nischt
jeworden!"
Male Dir diesem schrecklichen Jedanken
mal jefälligst ans, wenn Dein Mut un Deine
Fantasie kräftig jenug dazu sind: bet janze
scheenepreißesche Herrenhaus wejen mangelnde
Schulzucht schon mit fuffzehn Jahren rettungs-
los verwahrlost! Sämtliche Jrafen, Ferschten,
Jeneräle, Oberburjermeester un Konsistorial-
räte in de Zivangserziehung, oder jar jeneetigt,
in't Zuchthaus Schafswolle zu krempeln, statt
in't Herrenhaus de Minister zu verwalken!
Wat for 'n Jlick is et doch, det diese Leite
bei de Wahl ihrer Väter de neetige Sorgfalt
haben obivalten lassen nn in die anjenehme
Lage waren, ihr Eintrittsjeld for de heheren
Bildungsstätten zu berappen! Sonst hätten
wir am Ende ieberhanpt jar keen Herrenhaus
nich, un keen ausjedienter Feldmarschall könnte
dort 'ne tollkiehne Attacke jejen de abwesende
Sozialdemokratie kommandieren, un keene nein-
unneinzigjährije Exzellenz könnte in ihr jugend-
liches Unjestiem ihr Bedauern dadrieber aus-
sprechen, det der Kriegsminister partuh »ich
mobil machen ivill!
Un da jibt et trotzdem noch immer welche,
die for dieses Parlament keene Hochachtung
nich besitzen nn seine jottjeivollte Wirksamkeit
for'» Nasenpopel erachten! Ick kann mir det
bloß so erklären, det det Leite sind, die jar
keenen Sinn for Humor nich haben.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
Die mode für 1913.
Der kugelsichere Mensch.
W Iwvelfpäne. eT
Den richt'gen Patrioten,
Den deutschen, kennt ihr schon,
Der haute in die Pfanne
Den Wicht Napoleon.
Grimm die Franzosen spießt er
Nach urgerman'schem Brauch
Und frißt sie ungebraten
Und ungesalzen auch.
Säuft zur Jahrhundertfeier
Und brüllt auch um die Welt'
Und — kriecht dann vor der Alten
Zu Haus wohl unters Belt.
„Der Mai ist ein Lump!" sagt Wilhelm Raabe. Ach, wie viel glück-
licher wären wohl die Menschen, wenn es keine anderen Lumpen in
der Welt gäbe als den Monat Mai!
„Im wunderschönen Monat Mai" sind heuer nicht bloß alle Knospen
aufgesprungen, sondern auch gewisse Eiterbeulen des heiligen Kapi-
talismus. „
Preußen krankt auch heute noch daran, daß sich das Bürgertum des
Jahres Achtundvierzig von den Märzerrungenschaften weg ... in den
April schicken ließ! ,
Preußens Adler kommt allmählich in die Jahre, wo man „aus-
wärts" nicht mehr viel „erobert". Seit 1871 konzentriert er seine
Heldentaten bloß noch auf den Reichsadler, dem er von Zeit zu Zeit
ein paar Federn ansreißt! .
Dame Borussia ist offenbar von ganz ungemein altem Adel; denn
jeder ihrer „Wahlrechtsreformvorschläge" ist eine Mißgeburt!!
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Der Pfarrer Gaigalat.
Ts wirbt der Pfarrer Gaigalat
mit Umsicht, Kraft und Fleiß
Für seiner Lchäflein Seelenheil
Im frommen Mem'ler Kreis;
Unt Thristi Lehr' und Gottes wort
Ist rastlos er bemüht,
Oer Keuschheit pflege aber gilt
• Als sein Spezialgebiet.
Uns daß die Unzucht er studiert,
Oie seinem Herzen fern,
Nützt jegliche Gelegenheit
Tr pflichtgemäß und gern;
3m Mem'ler Kreise leider gibt's
Nicht viel der Urt - darum
Erwählt Berlin, den Sündenpfuhl,
Lr sich zum Studium.
Uls ernster Volksvertreter sitzt
Cr im vreiblassenhaus
Bei Kanitz, Kreth und Heydebrand,
Doch abends geht er aus;
Man kennt ihn schon in jedem Bums
Und Unimierlokal,
Und insbesondre weilt er gern
3m Lass National.
Jedoch mit scheelem Uug' voll Neid
Und Mißgunst sahen dies
Zwei Wähler aus dem Mem'ler Kreis,
Kaitinnis und Strekqs;
Und in die Presse brachten sie
Zur Zeit der Landtagswahl,
was unser Heil'ger still vollbracht
3m Lase National.
3n Memel hat das Sottvcrtraun
Noch nicht die rechte Höh',
Drum glaubt man an Kein Studium dort
3n einem Uachtcafö;
Und eh' er mußt', wie ihm geschah,
Sah unser Tugendheld
Sich plötzlich als ein Schweinepelz
vor Memel bloßgestellt.
Ja, ja: mit vornen ist bepflanzt
Oer Tugend rauher Pfad —
Behcrz'ge dies und tröste dich,
G Pfarrer Gaigalat!
Dein Fall ist ja der erste nicht
3n dieser Welt allhier:
Schon manchem frommen Dottesmann
Ging's gradeso wie dir! Tobias.
Lieber Jacob!
Ick bin immer janz traurig, wenn keen
Herrenhaus »ich is, un et jibt for mir keenen
stärkeren jeistijen Jennß, als wie de Berichte
von de Verhandlungen dieses unbeschreiblichen
Parlaments in de Zeitungen zu lesen. Da steckt
doch noch Bulljong drin, un man merkt, bet
da Leite sitzen, die wissen, wat se wert sind,
un die sich, abjesehen von ihr steierflichtijes
Einkommen, »ich zu unterschätzen flejen. Zum
Beispiel der Jraf Mirbach! Wo jibt et selbst
in'n Reichstag uff de eißerste Linke ’n Volks-
vertreter, der jejen die von Jott einjesetzte
Obrigkeit sonne Töne riskiert wie dieser Jraf
in't Herrenhaus? Der Finanzminister könne
ihn ieberhanpt nischt mehr beibringen, hat er
jesagt, da wäre er schon ville zu alt zu! Un
wenn eener et wagt un von de Erbschafts-
steier zu reden anfängt, denn schimpft er ihm
eenfach „Bebel" un so. Un dabei is bet ’n
Mann, verstehste, der sich sonst nich lumpen
läßt un der sojar seine zum notwendigsten
Lebensunterhalt jeheerigen Luxusferde nn Ekli-
paschen versteier» tut wat, nach seine stolzen
Worte zu schließen, bei de ajrarischen Kame-
raden im alljemeinen »ich ieblich iS.
Un denn wieder uff de andere Seite diese
edle Bescheidenheit! Wie se neilich ieber de
Verlängerung des Schulzwangs verhandelt
haben, da jestand eener von den Allerhoch-
jeborensten: „Wenn wir nich bis zu unser
zwanzigstes Lebensjahr de Jimnasialbänke je-
drickt hätten, denn wäre aus uns allen nischt
jeworden!"
Male Dir diesem schrecklichen Jedanken
mal jefälligst ans, wenn Dein Mut un Deine
Fantasie kräftig jenug dazu sind: bet janze
scheenepreißesche Herrenhaus wejen mangelnde
Schulzucht schon mit fuffzehn Jahren rettungs-
los verwahrlost! Sämtliche Jrafen, Ferschten,
Jeneräle, Oberburjermeester un Konsistorial-
räte in de Zivangserziehung, oder jar jeneetigt,
in't Zuchthaus Schafswolle zu krempeln, statt
in't Herrenhaus de Minister zu verwalken!
Wat for 'n Jlick is et doch, det diese Leite
bei de Wahl ihrer Väter de neetige Sorgfalt
haben obivalten lassen nn in die anjenehme
Lage waren, ihr Eintrittsjeld for de heheren
Bildungsstätten zu berappen! Sonst hätten
wir am Ende ieberhanpt jar keen Herrenhaus
nich, un keen ausjedienter Feldmarschall könnte
dort 'ne tollkiehne Attacke jejen de abwesende
Sozialdemokratie kommandieren, un keene nein-
unneinzigjährije Exzellenz könnte in ihr jugend-
liches Unjestiem ihr Bedauern dadrieber aus-
sprechen, det der Kriegsminister partuh »ich
mobil machen ivill!
Un da jibt et trotzdem noch immer welche,
die for dieses Parlament keene Hochachtung
nich besitzen nn seine jottjeivollte Wirksamkeit
for'» Nasenpopel erachten! Ick kann mir det
bloß so erklären, det det Leite sind, die jar
keenen Sinn for Humor nich haben.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.