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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0334
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8090 .-

Über die Ebenen Leipzigs brausten
(Uild die Schrecken der Uölkerschlacht,
Und die schmetternden Riebe sausten
Dieder auf des Eroberers Macht.
Schmählich sank sie in Glut und Kämmen,
Die die Erde vom Blut betaut —

Elend brach so ein Reich zusammen,

Das auf trug und Gewalt gebaut!

Menschen aus allen Zonen der Erde,

Die sich nie geschaut und gekannt,
UJiirgten wie (Dölfe in einer Rerde,

Don des Mordes Begier entbrannt.

Jener spien die Kanonenschlünde,
Brüllend ging er umher, der tod —

Ihre (Dellen hoch schlug die Sünde,

Ihre Mellen hoch schlug die Hot!

Edmund Vuchwald.

Hm 28. September starb im Hiter von 66 Jahren nach
längerer Rrankheit in HItenburg der Parteigenosse Edmund
Vuchwald, der 7903 als Vertreter des Hltenburger Wahl-
kreises in den Reichstag gewählt wurde, das Mandat aber
infolge einer durchaus unberechtigten Ungültigkeitserklärung
nur kurze Zeit ausüben konnte. Hm 4. November 1847 in
Dresden geboren, besuchte er die dortige Bürgerschule und
wurde dann Buchbinder. Nach seiner Wanderzeit gründete
er in Hltenburg ein Geschäft und erwarb durch seine eifrige
Tätigkeit für die Partei das vertrauen der dortigen Partei-
genossen, dieihnindieHltenburgerStadtverordnetenversamm-
lung und in den Landtag des Herzogtums Sachsen-Hltenburg
wählten. Die Partei wird sein Hndenken in Ehren halten.

& &

Albanien.

Es liegt am schönen Adriastrand
Ein armes, schwer bedrücktes Land;

An gänzlichem Muskelschwnnde
Geht dies Gebilde zugrunde.

Man heckte es aus am grünen Tisch.

Es war nicht Fleisch und war nicht Fisch.
Es konnte nicht leben und sterben —

Es lauern draus die Erben.

Von Lellas' Grenze bis Skutari,

In ganzen Scharen lauern sie;

Rings die Gewehre knattern
And Kriegesfahnen flattern.

Ein feines Bild! Es steht davor
Ratlos der Diplomaten Chor;

Sie ringen ohne Ende
Die wohlgepflegten Lände.

„Wie toll man's auch da unten treibt,

Als schlimmste aller Fragen bleibt:

Was machen wir nun mit dem Throne
Und der albanischen Krone?

& & Ccipxiff* ^ &

Freiheit sollt’ sie den Deutschen bringen,
Diese grässliche (Bürgern —

Kei von fränkischen Kugeln und Klingen,
Kei von fränkischer Tyrannei!

Kir die Freiheit, von oben gepriesen,
Stürmten die Braven in mordende Schlacht,
Dessen jauchzend ihr Rerzblut Messen,
Standen in Dot und Cod auf Macht.

Freiheit brachten sie wohl den Kirsten,
Rochgeboren und blauen Bluts —
Ungestillt blieb ihr eigenes Dürsten
Dach den Segnungen dieses Guts.

Kir die Rerrscher die blutige Ernte,

Kir die Schnitter die leere Spreu —

Mer nicht klüglich sich kuschen lernte,

Kam ins Gitter als wie ein Ceu.

Den Blick aufs Ganze.

5err v. 5eydebrand Tagte auf dem badischen konservativen
Parteitag: „wir müssen den Blick aufs Ganze richten!"

Herr ßeydebrand ritt ins Badener Land,

Das Herz voll Hoffnung und mutentbrannt.
Cr fchiug energisch empor das Difier
Und schrieb auf (ein bianlchwarz Panier:
„Den Blich aufs Ganze!“

„Ihr Braven," sprach er, „es geht uns mies
letzt in dem Innker-Paradies.

Doch pflanzet am Grab noch die Hoffnung auf
Und richtet, die Hand am Degenknauf,

Den Blick aufs Ganze!“

Cr fchweigi — ein feltfanr Ccho tönt
Don allen Seiten: man lacht und höhnt:

Den Blick aufs ganze Portemonnaie,

Nicht wahr, das nanntet ihr von je
Den Blick aufs Ganze?

wir aber haben ein beffer Ziel.

wir werfen euch — denn unfer find viel —

Nus Badener und Preußen Land.

So richten wir, Herr heydebrand.

Den Bück aufs Ganze! p.e.

Ein bayrisches Idyll.

Im Ministerium Hertling gibt's Radau: „Hie
Firma Echuckert!" schreit Soden. „Hie Braun-
kohlenwerte!" schreit Seidlein.

Der Streit greift bereits in das Zentrum hin-
über und der Papst soll zum Schiedsrichter ernannt
werden. Aber Pins X. hat Bedenken, sich auch noch
an einer elektrischen Überlandzentrale für Unterfranken
die Finger zu verbrennen.

Politische Glossen.

Neues über die Bienen.

Die Bienen --- die richtigen Bienen nämlich! —
bringen ihren Züchtern nicht nur Honig ins Haus,
sondern auch hohe sittliche Werte. Und zwar: Zu-
friedenheit, Verträglichkeit, Fleiß, Vaterlandsliebe
und Königstreue! Der Herr Lehrer Möhring aus
Birlich hat das festgestellt und neulich auf der Tagung
rheinischer Landwirte in Düsseldorf mitgeteilt.

Außerdem aber haben die Bienen einen Stachel,
womit sie die Drohnen abstechen. Sie dulden näm-
lich keine Schmarotzer in ihrem Staat. Wovon der
Herr Lehrer aber nichts gesagt hat.

Bebel - ein Christ!?

Jawohl, der schweizerische Pfarrer Sutcrmeistcr
behauptet, Bebel sei infolge seiner lebendigen Nächsten-
liebe ein echter und rechter Christ gewesen, und darum
müsse man ihm nachstreben.

Immer noch wurde das Uolk betrogen,
Ging’s für die Rcrrn in den Opfertod,

Immer noch hat man’s geprellt und belogen,
Gab ihm Steine statt Keisch und Brot.

Doch nun wird es balde versagen,

Denn das getretene Uolk erwacht —

Dimmer wird’s, wie in Leipzig, schlagen
Solch verlogene „Keiheitsschlacht“.

Schon nach weiteren fünf Jahrzehnten
Sprosste dort andere Keiheitssaat,
Riesenkräfte sich redeten und dehnten,
forderten kühn ihr Recht am Staat.
Donnernd rufen sie in die Schranken
Mieder die todgeweihte Mell —

Uor dem neuen Keiheitsgedanken
Jäh der Sieger von gestern fällt! e.w.

Das geht den Frommen denn doch über die Hut-
schnur. Sie weisen zornig daraus hin, daß Bebel
ein Feind der Kirche war, der das Volk aufsässig
machte gegen die Herrschenden.

„Gerade wie Christus!" antwortete darauf der
Pfarrer aus der Schweiz.

Eine kniffltchc Frage»

Erst die Ehre, dann die Liebe — sagte Ernst
August von Cumberland, als man ihn zum Ver-
zicht auf Hannover bestimmen wollte. Da ließ mau
ihm seine Ehre und gab ihm die Liebe in Gestalt
der Prinzessin Viktoria von Preußen.

Erst der Verzicht auf Hannover, dann die Krone
von Braunschweig - sagte der kaiserliche Schwieger-
vater. Da schwur ihm der Schwiegersohn den Treu-
eid und versprach dem Reichskanzler, „nichts zu tun
und nichts zu unterstützen, >vas darauf gerichtet ist,
den derzeitigen Besitzstand Preußens zu verändern".

Das bedeutet den Verzicht auf Hannover, be-
haupten nun die einen. Haben sie recht, dann hat
Ernst August seine Ehre geopfert.

Nein, es bedeutet nicht den Verzicht, behaupten
die anderen. Haben diese recht, dann kann der Welfcn-
prinz nicht Herzog von Braunschweig werden.

Warten wir nun ab, wie der hohe Bundesrat
entscheidet! W

Festkonimers.

Vor ben Türen riesiges Gedränge,

Gute Patrioten ohne Zahl.

Lästig eilt die schwarzbesrackte Menge
In den festlich dekorierten Saal.

And der Präsident mit ernster Miene
Redet Worte, schneidig stramm und barsch;
Wuchtig schmetternd schallt von der Tribüne
Irgend ein gewalt'ger Siegesmarsch,

And ein Redner, band» und sterngezieret
Klettert stolz zum Podium hinauf.

Was sein Patriotengeist gebieret.

Wühlt die heiligsten Gefühle auf.

Leidenschaftlich stampft er auf die Bretter,
Spricht von König, Leer und Vaterland.
Seine Stimme klingt wie Donnerwetter,

Wie zum Schwur erhebt er seine Land.

Völlig hingerissen und entzücket
Längt an seinen Lippen alt und jung.

And aus tausend Männeraugen blicket
Lohe, flammende Begeisterung.

And die Tat? Erst zwei Sekunden Stille;
Daun schwingt man das Glas und brüllt hurra,
— Gegen zwölfe sind die meisten knülle,

And es wird gek— pro patria. Cyprian.
 
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