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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0350
—» 8106
Nationalliberale Konferenz.
And also dachten sie in Wiesbaden:
Wenn wir wieder mal reden, was kann es schaden?
Wenn Friedberg spricht oder Bafsermann,
Sind wir noch da: das merkt man daran.
Wir können des ferneren konstatieren.
Daß uns die alten Prinzipien regieren.
Die wir verschied'ne Jahrzehnte bereits
Kräftig Hochhalten einerseits.
Ohne doch, andererseits besehen.
Eigensinnig darauf zu bestehen.
Ansere heiligste Sorge und heftigste Wonne
Ist aber Deutschlands Platz an der Sonne;
In dieser Beziehung nämlich, mein Lieber,
Sind wir gradezu Wolkenschieber.
Über Soldaten, Kanonen, Fregatten
Dulden wir nicht den mindesten Schatten;
Denn unsre Weltmachtstellung und so
Ruht auf den Bajonette» — oho!
And daß sie nicht etwa zu wenig kosten.
Darum stehen wir hier aus dem Posten.
Nachgehend diesen leitenden Sähen
Lassen wir uns von niemand verhetzen;
Die kommende Zolltarifnovelle
Findet uns dementsprechend Helle:
Das Volk hak Anspruch auf billiges Brot,
And wenn ihm etwa Verteuerung droht.
Werden wir Nationalliberalen
Äeftig ausgießen des Zornes Schalen;
Dann drehn wir uns um und stehen alsdann
Vor den Mauern der Zölle wie ein Mann!
Jedoch in der inneren Politik
Machen wir eine andre Musik.
Da sind wir — das weiß man von Straßburg bis Gnesen —
Ja immer ziemlich gelenkig gewesen.
And macht es sich grade, dann allemal
Sind wir aufs heftigste liberal,
ööart wie die Eichen, weich wie die Pinie
Stehen wir so auf der mittleren Linie.
Dort bleiben wir stehn, wertes Publikum —
Das heißt: wenn es sein muß, fall'n wir auch um! Pan.
Wilhelm Gewehr.
In Wilhelm Gewehr, der am 29. September stllrb, hat die
deutsche Sozialdemokratie einen ihrer eifrigsten Werber ver-
loren. 6m 29.Dezember 1858 in Klem-Rechtenbach im Kreise
Wetzlar geboren, hat Gewehr sich schon als junger Schreinsr-
geselle die Sporen im politischen und gewerkschaftlichen Kampf
verdient, so daß er unter anderem auch im Llberfelder Ge-
heimbundprozeß von 1888/89 mit auf der Anklagebank saß.
von 1892 ab bis zu seinem Gode war er Redakteur des Llber-
felder Parteiorgans und kandidierte von 1893 ab, zuletzt in
Essen, zum Deutschen Reichstag. Seit einigen Jahren gehörte
er der Llberfelder Stadtverordnetenversammlung an. Seiner
rastlosen Rrbeit wird stets ein ehrendes Rndenken bewahrt
werden.
Panama.
Die deutsche Reichsregierung hat eine offizielle
Beteiligung au der demnächst stattfindcnden ameri-
kanischen Panamaausstellung abgelchnt.
Um trotzdem die Ehre der deutschen Industrie zu
retten, hat sich, wie wir hören, daraufhin die Firma
Krupp entschlossen, aus ihren eigenen reichhaltigen
Mittel» (Kornwalzer nsw.) eine private „Panama"-
ansstellung zu veranstalten. Armlnius.
Politische Glossen.
Zur bayerischen Königsfrage.
König sein ist das einzige öffentliche Amt, das
auch ein unheilbar Geisteskranker bekleiden kann.
Das Bildnis König Ottos ans den in Bayern ge-
prägten Reichsmiinzen legt seit Jahrzehnten Zeugnis
dafür ab. Neuerungssüchtige Menschen wollen das
jetzt auf einmal ändern. Wollen dem guten Otto
die Krone, die er doch von Gottes Gnaden trägt,
vom Haupte nehmen und sie einem andern anssetzen.
Ja, dieser frevle Eingriff in Gottes Willen und
weisen Ratschluß wird von feilten geplai t, die sich
sonst als besonders fromme Menschen hinstellen.
Und da wundert man sich noch, wenn der liebe
Gott der Zentrumspartei zürnt und es zuläßt, daß
ein Priesterskandal nach dem andern ans Licht der
Öffentlichkeit dringt.
Eine halbe Maßnahme.
Der Generalinspekleur der Kavallerie, General
v. d. Marwitz, hat den deutschen Offizieren verboten,
fürderhin bei Rennen Pferde zu reiten, die fran-
zösischen Rennstallbesitzern gehören.
Schön! Aber wie ist's nun mit den französischen
Kokotten, die sich bei internationalen Rennen ein-
finden? Und dazu der französische Sekt und Kognak,
Herr General!?
Knittel!
Ja, das ist eine böse Geschichte, meine Herren
vom Zentrum! Ein katholischer Amtsrichter wählt
bei der Landtagswahl so, wie seine Partei es ihm
befiehlt, und wird dafür mit dem Verlust der Rc-
serveoffizierswürde bestraft! Und als die Sozialdemo-
kraten im Reichstag den Antrag stellten, der den
Angehörigen der Armee die Freiheit der politischen
Gesinnung und ihrer außerdienstlichen Betätigung
gewährleisten sollte, da stimmte das Zentrum da-
gegen. Ja, das ist eine sehr böse Geschichte, meine
Herren vom Zentrum!!
Fernwirkung.
In Baden hat man den Sozialdemokraten ge-
stattet, rote Fahnen zu schwenken. Das hat die Wut
aller junkerlichen Ochsen in den Gefilden Ostelbiens
erregt. Und da behauptet man noch, die hätten einen
zu engen Horizont.
Russisch-orthodoxer Stoßseufzer zum Kicwcr Prozeß.
Wenn ein Jude ein Christenkind schlachtet, so ist
das schon an sich verwerflich. Noch verwerflicher
ist es, wenn er vor Gericht noch obendrein leugnet,
die Tat begangen zu haben. Am verwerflichsten aber
ist es, wenn er gar noch den schlüssigen Beweis
liefert, daß er sie wirklich nicht begangen hat. Da
hört denn doch alles aus! M
Die albanische Thronfrage.
Das nach dem Allmächt'gen Willen
And der Diplomaten Rat
Neugegründete Albanien
Ward ein souveräner Staat,
And als letzter Schmuck und Firnis
Fehlt dem Kunstgebilde itzt
Irgendwas von Gottes Gnaden,
Das aus einem Throne styt.
Wie der Schafspelz zum Albanier,
And zum Pelz gehört die Laus,
So gehört zum neuen Staate
Ein erhab'nes Fürstenhaus;
And, Gottlob, da herrscht kein Mangel:
Sieh, es meldeten sich schon
Fünfundzwanzig Kandidaten
Für den ncugeback'nen Thron!
Jeder bringt für das Gewerbe
Mit, was man für nötig hält:
.Hohe Tanten hat der eine
And der and're hat viel Geld,
M ästig nur ist ihre Bildung
And noch mäß'ger ihr Genie,
Was geleistet hat noch keiner —
Doch regieren können sie!
Der Albanier steht und seufzet:
„Wer die Wahl hat, hat die, Qual!
Sagt, wen engagier' ich von dem
Gottesgnadenpersonal?"
Löre, edler Lirt der Berge,
And beherz'ge, eh's zu spät.
Was, gewitzigt durch Erfahrung,
Dir ein wahrhaft Weiser rät:
Lol', kannst du sie billig kriegen.
Aus dem Ausland Schwein und Kuh —
Gegen die Monarcheneinsuhr
Aber sperr' die Grenzen zu!
Nimm die Wehr, die oft erprobte,
Drum noch einmal jetzt zur Land
And beschütz' vor Krön' und Zepter
Dein bedrohtes Vaterland! Sulla.
Nationalliberale Konferenz.
And also dachten sie in Wiesbaden:
Wenn wir wieder mal reden, was kann es schaden?
Wenn Friedberg spricht oder Bafsermann,
Sind wir noch da: das merkt man daran.
Wir können des ferneren konstatieren.
Daß uns die alten Prinzipien regieren.
Die wir verschied'ne Jahrzehnte bereits
Kräftig Hochhalten einerseits.
Ohne doch, andererseits besehen.
Eigensinnig darauf zu bestehen.
Ansere heiligste Sorge und heftigste Wonne
Ist aber Deutschlands Platz an der Sonne;
In dieser Beziehung nämlich, mein Lieber,
Sind wir gradezu Wolkenschieber.
Über Soldaten, Kanonen, Fregatten
Dulden wir nicht den mindesten Schatten;
Denn unsre Weltmachtstellung und so
Ruht auf den Bajonette» — oho!
And daß sie nicht etwa zu wenig kosten.
Darum stehen wir hier aus dem Posten.
Nachgehend diesen leitenden Sähen
Lassen wir uns von niemand verhetzen;
Die kommende Zolltarifnovelle
Findet uns dementsprechend Helle:
Das Volk hak Anspruch auf billiges Brot,
And wenn ihm etwa Verteuerung droht.
Werden wir Nationalliberalen
Äeftig ausgießen des Zornes Schalen;
Dann drehn wir uns um und stehen alsdann
Vor den Mauern der Zölle wie ein Mann!
Jedoch in der inneren Politik
Machen wir eine andre Musik.
Da sind wir — das weiß man von Straßburg bis Gnesen —
Ja immer ziemlich gelenkig gewesen.
And macht es sich grade, dann allemal
Sind wir aufs heftigste liberal,
ööart wie die Eichen, weich wie die Pinie
Stehen wir so auf der mittleren Linie.
Dort bleiben wir stehn, wertes Publikum —
Das heißt: wenn es sein muß, fall'n wir auch um! Pan.
Wilhelm Gewehr.
In Wilhelm Gewehr, der am 29. September stllrb, hat die
deutsche Sozialdemokratie einen ihrer eifrigsten Werber ver-
loren. 6m 29.Dezember 1858 in Klem-Rechtenbach im Kreise
Wetzlar geboren, hat Gewehr sich schon als junger Schreinsr-
geselle die Sporen im politischen und gewerkschaftlichen Kampf
verdient, so daß er unter anderem auch im Llberfelder Ge-
heimbundprozeß von 1888/89 mit auf der Anklagebank saß.
von 1892 ab bis zu seinem Gode war er Redakteur des Llber-
felder Parteiorgans und kandidierte von 1893 ab, zuletzt in
Essen, zum Deutschen Reichstag. Seit einigen Jahren gehörte
er der Llberfelder Stadtverordnetenversammlung an. Seiner
rastlosen Rrbeit wird stets ein ehrendes Rndenken bewahrt
werden.
Panama.
Die deutsche Reichsregierung hat eine offizielle
Beteiligung au der demnächst stattfindcnden ameri-
kanischen Panamaausstellung abgelchnt.
Um trotzdem die Ehre der deutschen Industrie zu
retten, hat sich, wie wir hören, daraufhin die Firma
Krupp entschlossen, aus ihren eigenen reichhaltigen
Mittel» (Kornwalzer nsw.) eine private „Panama"-
ansstellung zu veranstalten. Armlnius.
Politische Glossen.
Zur bayerischen Königsfrage.
König sein ist das einzige öffentliche Amt, das
auch ein unheilbar Geisteskranker bekleiden kann.
Das Bildnis König Ottos ans den in Bayern ge-
prägten Reichsmiinzen legt seit Jahrzehnten Zeugnis
dafür ab. Neuerungssüchtige Menschen wollen das
jetzt auf einmal ändern. Wollen dem guten Otto
die Krone, die er doch von Gottes Gnaden trägt,
vom Haupte nehmen und sie einem andern anssetzen.
Ja, dieser frevle Eingriff in Gottes Willen und
weisen Ratschluß wird von feilten geplai t, die sich
sonst als besonders fromme Menschen hinstellen.
Und da wundert man sich noch, wenn der liebe
Gott der Zentrumspartei zürnt und es zuläßt, daß
ein Priesterskandal nach dem andern ans Licht der
Öffentlichkeit dringt.
Eine halbe Maßnahme.
Der Generalinspekleur der Kavallerie, General
v. d. Marwitz, hat den deutschen Offizieren verboten,
fürderhin bei Rennen Pferde zu reiten, die fran-
zösischen Rennstallbesitzern gehören.
Schön! Aber wie ist's nun mit den französischen
Kokotten, die sich bei internationalen Rennen ein-
finden? Und dazu der französische Sekt und Kognak,
Herr General!?
Knittel!
Ja, das ist eine böse Geschichte, meine Herren
vom Zentrum! Ein katholischer Amtsrichter wählt
bei der Landtagswahl so, wie seine Partei es ihm
befiehlt, und wird dafür mit dem Verlust der Rc-
serveoffizierswürde bestraft! Und als die Sozialdemo-
kraten im Reichstag den Antrag stellten, der den
Angehörigen der Armee die Freiheit der politischen
Gesinnung und ihrer außerdienstlichen Betätigung
gewährleisten sollte, da stimmte das Zentrum da-
gegen. Ja, das ist eine sehr böse Geschichte, meine
Herren vom Zentrum!!
Fernwirkung.
In Baden hat man den Sozialdemokraten ge-
stattet, rote Fahnen zu schwenken. Das hat die Wut
aller junkerlichen Ochsen in den Gefilden Ostelbiens
erregt. Und da behauptet man noch, die hätten einen
zu engen Horizont.
Russisch-orthodoxer Stoßseufzer zum Kicwcr Prozeß.
Wenn ein Jude ein Christenkind schlachtet, so ist
das schon an sich verwerflich. Noch verwerflicher
ist es, wenn er vor Gericht noch obendrein leugnet,
die Tat begangen zu haben. Am verwerflichsten aber
ist es, wenn er gar noch den schlüssigen Beweis
liefert, daß er sie wirklich nicht begangen hat. Da
hört denn doch alles aus! M
Die albanische Thronfrage.
Das nach dem Allmächt'gen Willen
And der Diplomaten Rat
Neugegründete Albanien
Ward ein souveräner Staat,
And als letzter Schmuck und Firnis
Fehlt dem Kunstgebilde itzt
Irgendwas von Gottes Gnaden,
Das aus einem Throne styt.
Wie der Schafspelz zum Albanier,
And zum Pelz gehört die Laus,
So gehört zum neuen Staate
Ein erhab'nes Fürstenhaus;
And, Gottlob, da herrscht kein Mangel:
Sieh, es meldeten sich schon
Fünfundzwanzig Kandidaten
Für den ncugeback'nen Thron!
Jeder bringt für das Gewerbe
Mit, was man für nötig hält:
.Hohe Tanten hat der eine
And der and're hat viel Geld,
M ästig nur ist ihre Bildung
And noch mäß'ger ihr Genie,
Was geleistet hat noch keiner —
Doch regieren können sie!
Der Albanier steht und seufzet:
„Wer die Wahl hat, hat die, Qual!
Sagt, wen engagier' ich von dem
Gottesgnadenpersonal?"
Löre, edler Lirt der Berge,
And beherz'ge, eh's zu spät.
Was, gewitzigt durch Erfahrung,
Dir ein wahrhaft Weiser rät:
Lol', kannst du sie billig kriegen.
Aus dem Ausland Schwein und Kuh —
Gegen die Monarcheneinsuhr
Aber sperr' die Grenzen zu!
Nimm die Wehr, die oft erprobte,
Drum noch einmal jetzt zur Land
And beschütz' vor Krön' und Zepter
Dein bedrohtes Vaterland! Sulla.