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Ein motivierter Pumpvcrsuch.
ich mn ein Darlehen von zehntonsend Mark-"
o
Die heiligsten
und die allerheiligsten Giiter.
Serenissimus: Wa—a— §!? (®aot roütcnb
das Zeitungsblatt zusammen, sclNendcrt es in die Ecke
und trippele erregt zue Tier,) Kind ermann, bitte
fof oi t — Kindermann!
Kinder IN a n n (aus dein Vorzimmer her eistiir-
zend): Durchlaucht geruhen zu befehlend
Serenissimus (hat sich stöhnend in einen Sessel
niederfalle» lassen. Mit matter Handbcmcguug): Ich
bin sprachlos, Kindermann, — äü — vollkom-
men sprachlos.
Kindermann (sicht ihn besorgt an): Befehlen
Durchlaucht, höchstdero Leibarzt zu beordern?
Serenissimus (ärgerlich abwehcend): Aber
Sie hören doch — äü — bin vollkommen
sprachlos! Was soll mir da der Leibarzt?
Kindermann (unsicher): Durchlaucht befeh-
len einen Spezialarzt für Sprachstörungen?
Serenissimus (wütend): Kindermann, Sie
sind ein ... äü . . . (Ringt nach Fassung.)
Kindermann (verbeugt sich schweigend).
Serenissimus (nach einer Weile dumpfen Hin-
brütcns): Sagen Sie, Kindermann - äü —
>vas verstehen Sie unter den heiligsten Gütern?
Kindermann (eifrig):, Thron und Altar,
Durchlaucht, selbstverständlich Thron und Altar.
Serenissimus (mit mißbilligendem Kopfschür-
tcln): ...und Altar?
Kindermann (sich lorrigterend): In erster
Linie natürlich den Thron, als Inbegriff der
monarchische» Hoheitsrechte, Durchlaucht.
Serenissimus: Na also, Kindermann.
Alles andere wie Religion, Sitte, Ordnung,
— ää — können doch nur unter dem starken
Schuh der monarchischen Gewalt existieren.
(Sich in Positur sei end.) 21 üe diese idealen Güter
— ää — gedeihen doch nur in dem — ää —
befruchtenden Schatten des Thrones.
Kindermann (in devoter Bewunderung):
Durchlaucht drückten eben so schön wie treffend
aus, was jeder Edeldenkende empfindet.
Serenissimus (geschmeichelt, gnädig herablas-
send): Na also, mein lieber Kindermann! (Dann
verfinstert sich sein Blick wicder. Zeigt in die Ecke, wo
das zcrtnilterte Zeitungsblatt liegt.) Lesen Sie inal
das!
Kindermann (faltet den Knäuel auseinander.
Es ist die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung".)
Serenissimus (zeigt auf eine Notiz): Hier,
hier, lesen Sie nur n>al das! Unerhört ist das,
geradezu un—er—hört!
Kindermann (liest): „Damit ist Juanschikni
der erste verfassungsmäßige Präsident der Re-
publik China geworden. Beim Antritt seines
hohen Amtes, das er dem Vertrauen seiner
Mitbürger in seine erprobte Tüchtigkeit ver-
dankt, wird er in Deutschland mit aufrichligen
Glückwünschen begrüßt."
Serenissimus: Verstehen Sie da?, Kinder-
mann? lMit höhnischer, vor Wut zitterudcr Stimme.)
Also mit aufrichtigen Glückwünschen — ää —
begrüßt das Organ der preußischen Regierung
— ää — den Kerl, der Seine Majestät bat
Kaiser von China vont Throne gestoßen hat,
um sich an seine Stelle zu setzen. Übersteigt
das nicht — ää — lvie soll ich sagen, Kinder-
mann — ää — jedes Maß der erlaubten
Begriffe?
Kindermann: Auch ich bin vollkommen
sprachlos, Durchlaucht!
Serenissimus (sieht ihn mißbilligend an): Das
wäre ganz verkehrt, Kindermann! Im Gegen-
teil — ää — da müssen wir eine ganz eiier-
gische Sprache führen!
Kindermann: Gewiß» Durchlaucht, ganz
wie Durchlaucht befehlen!
Serenij simlls: Also gehen Sie nial sofort
daran, Kindermann! Entiversen Sie mal ein
Schreiben an Seine Majestät, meinen Herrn
Vetter in Berlin — ää — erinnern Sie ihn an
sein herrliches Wort — ää—: „Völker Europas,
schützt eure heiligsten Güter!" Und »lachen Sie
Seine Majestät aufmerksam auf diese ganz lin-
erhört ungehörige Notiz in dem ministeriellen
Organ! Wie ich meinen Herrn Vetter kenne
— ää —, wird er wie ein — ää — Donner-
keil dazwischenfahren und den elenden Skri-
benten sofort — ää — hinausjagen.
Kindermann (zögernd): Durchlaucht mögen
mir gnädigst gestatten, höchstdero Einsicht ein
Bedenken zu unterbreiten.
Serenissimus (ungeduldig): Was tväre denn
da noch zu bedenken?
Kindermann (mit ftaatsmännischem Bedacht):
China ist ein reiches Land, Durchlaucht. Für
unseren Handel und namentlich für unser an-
lagesuchendes Kapital bietet sich dort ein wei-
tes, fruchtbares Feld. Sollten die Berliner
Herren das nicht vielleicht im Auge gehabt
haben, als sie die für das neue Regime in
China so freundliche Notiz inspirierten?
Serenissimus (nach längerem, angestrengtem
Nachdenk.n, löffelweise): Hm, Kindermann—ää —
es kommen da in der Tat vielleicht hohe wirt-
schaftliche Werte in Bett acht. Vom Standpunkt
einer weisen Staatsraison aus — hm — äü —
kann man zuweilen sehr wohl — hin — ää —
wenn eS sich tim matetielle Güter von wirk-
licher Bedeutung handelt, — hm — ää —
Bedenken ideeller Natur zurückstellen. «Mitlnütz-
licher Entschlossenheit.) Kindermann, das erscheint
mir in diesem Falle sogar direkt geboten zu
sein!
Kindermann (froh zustimmcnd): Durchlaucht
treffen den Nagel ans den Kopf. Ich schätze
mich glücklich, höchstdero Auffassung durchaus
teilen z>t lönnen.
Serenissimus (sehr jovial und fröhlich): übri-
gens, mein lieber Kindermann, die Überschüsse
meiner Domänen- und Hallsgutverwaltung aus
dem letzten Quartal sind ja sehr erfreulich. Man
wird sich überlegen müssen — .ää,—, wie man
sie am vorteilhaftesten anlegt.
5t in der mann: Vielleicht empfiehlt sich,
Durchlaucht, eine Beteiligung an der zu er-
wartenden neuen chinesischen Alileihe? Das
neue Regiment dort scheint sehr gut fundiert
zu sei».
Serenissimus: Sehr wohl, mein lieber
Kindermann. Auch ich halte Fuanschi'ai für
einen sehr vertrauenerweckenden Staatsmann
von erprobter Tüchtigkeit. Ein ganz kapitaler
Kerl ist das — ää — wirklich ein ganz kapi-
taler Kerl! A
&C3
Steuerflucht.
Droh des großen „Opferjahrcs"
Ist der Opfersinn doch eitel —
Ach, die Lieb' zum Vaterlande
Reichet nur bis an den Beutel!
Kommt der Fiskus, opferheischcnd.
Mit den weiten, offnen Lände»,
Schleunigst sich die „Patrioten"
In das böse Ausland wenden.
Ganz besonders aus dem Reichsland
Flieht man zu den Eidgenossen,
Doch auch flüchten nicht zli wenig
Mit dem Geld zu den — Franzosen!
Dieses sind die „Patrioten",
Die dem Vaterland „was malen"
And zum „Erbfeind" überschwenken.
Statt den Mehrbeikrag zu zahlen! Kl.
Ein motivierter Pumpvcrsuch.
ich mn ein Darlehen von zehntonsend Mark-"
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Die heiligsten
und die allerheiligsten Giiter.
Serenissimus: Wa—a— §!? (®aot roütcnb
das Zeitungsblatt zusammen, sclNendcrt es in die Ecke
und trippele erregt zue Tier,) Kind ermann, bitte
fof oi t — Kindermann!
Kinder IN a n n (aus dein Vorzimmer her eistiir-
zend): Durchlaucht geruhen zu befehlend
Serenissimus (hat sich stöhnend in einen Sessel
niederfalle» lassen. Mit matter Handbcmcguug): Ich
bin sprachlos, Kindermann, — äü — vollkom-
men sprachlos.
Kindermann (sicht ihn besorgt an): Befehlen
Durchlaucht, höchstdero Leibarzt zu beordern?
Serenissimus (ärgerlich abwehcend): Aber
Sie hören doch — äü — bin vollkommen
sprachlos! Was soll mir da der Leibarzt?
Kindermann (unsicher): Durchlaucht befeh-
len einen Spezialarzt für Sprachstörungen?
Serenissimus (wütend): Kindermann, Sie
sind ein ... äü . . . (Ringt nach Fassung.)
Kindermann (verbeugt sich schweigend).
Serenissimus (nach einer Weile dumpfen Hin-
brütcns): Sagen Sie, Kindermann - äü —
>vas verstehen Sie unter den heiligsten Gütern?
Kindermann (eifrig):, Thron und Altar,
Durchlaucht, selbstverständlich Thron und Altar.
Serenissimus (mit mißbilligendem Kopfschür-
tcln): ...und Altar?
Kindermann (sich lorrigterend): In erster
Linie natürlich den Thron, als Inbegriff der
monarchische» Hoheitsrechte, Durchlaucht.
Serenissimus: Na also, Kindermann.
Alles andere wie Religion, Sitte, Ordnung,
— ää — können doch nur unter dem starken
Schuh der monarchischen Gewalt existieren.
(Sich in Positur sei end.) 21 üe diese idealen Güter
— ää — gedeihen doch nur in dem — ää —
befruchtenden Schatten des Thrones.
Kindermann (in devoter Bewunderung):
Durchlaucht drückten eben so schön wie treffend
aus, was jeder Edeldenkende empfindet.
Serenissimus (geschmeichelt, gnädig herablas-
send): Na also, mein lieber Kindermann! (Dann
verfinstert sich sein Blick wicder. Zeigt in die Ecke, wo
das zcrtnilterte Zeitungsblatt liegt.) Lesen Sie inal
das!
Kindermann (faltet den Knäuel auseinander.
Es ist die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung".)
Serenissimus (zeigt auf eine Notiz): Hier,
hier, lesen Sie nur n>al das! Unerhört ist das,
geradezu un—er—hört!
Kindermann (liest): „Damit ist Juanschikni
der erste verfassungsmäßige Präsident der Re-
publik China geworden. Beim Antritt seines
hohen Amtes, das er dem Vertrauen seiner
Mitbürger in seine erprobte Tüchtigkeit ver-
dankt, wird er in Deutschland mit aufrichligen
Glückwünschen begrüßt."
Serenissimus: Verstehen Sie da?, Kinder-
mann? lMit höhnischer, vor Wut zitterudcr Stimme.)
Also mit aufrichtigen Glückwünschen — ää —
begrüßt das Organ der preußischen Regierung
— ää — den Kerl, der Seine Majestät bat
Kaiser von China vont Throne gestoßen hat,
um sich an seine Stelle zu setzen. Übersteigt
das nicht — ää — lvie soll ich sagen, Kinder-
mann — ää — jedes Maß der erlaubten
Begriffe?
Kindermann: Auch ich bin vollkommen
sprachlos, Durchlaucht!
Serenissimus (sieht ihn mißbilligend an): Das
wäre ganz verkehrt, Kindermann! Im Gegen-
teil — ää — da müssen wir eine ganz eiier-
gische Sprache führen!
Kindermann: Gewiß» Durchlaucht, ganz
wie Durchlaucht befehlen!
Serenij simlls: Also gehen Sie nial sofort
daran, Kindermann! Entiversen Sie mal ein
Schreiben an Seine Majestät, meinen Herrn
Vetter in Berlin — ää — erinnern Sie ihn an
sein herrliches Wort — ää—: „Völker Europas,
schützt eure heiligsten Güter!" Und »lachen Sie
Seine Majestät aufmerksam auf diese ganz lin-
erhört ungehörige Notiz in dem ministeriellen
Organ! Wie ich meinen Herrn Vetter kenne
— ää —, wird er wie ein — ää — Donner-
keil dazwischenfahren und den elenden Skri-
benten sofort — ää — hinausjagen.
Kindermann (zögernd): Durchlaucht mögen
mir gnädigst gestatten, höchstdero Einsicht ein
Bedenken zu unterbreiten.
Serenissimus (ungeduldig): Was tväre denn
da noch zu bedenken?
Kindermann (mit ftaatsmännischem Bedacht):
China ist ein reiches Land, Durchlaucht. Für
unseren Handel und namentlich für unser an-
lagesuchendes Kapital bietet sich dort ein wei-
tes, fruchtbares Feld. Sollten die Berliner
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China so freundliche Notiz inspirierten?
Serenissimus (nach längerem, angestrengtem
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es kommen da in der Tat vielleicht hohe wirt-
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kann man zuweilen sehr wohl — hin — ää —
wenn eS sich tim matetielle Güter von wirk-
licher Bedeutung handelt, — hm — ää —
Bedenken ideeller Natur zurückstellen. «Mitlnütz-
licher Entschlossenheit.) Kindermann, das erscheint
mir in diesem Falle sogar direkt geboten zu
sein!
Kindermann (froh zustimmcnd): Durchlaucht
treffen den Nagel ans den Kopf. Ich schätze
mich glücklich, höchstdero Auffassung durchaus
teilen z>t lönnen.
Serenissimus (sehr jovial und fröhlich): übri-
gens, mein lieber Kindermann, die Überschüsse
meiner Domänen- und Hallsgutverwaltung aus
dem letzten Quartal sind ja sehr erfreulich. Man
wird sich überlegen müssen — .ää,—, wie man
sie am vorteilhaftesten anlegt.
5t in der mann: Vielleicht empfiehlt sich,
Durchlaucht, eine Beteiligung an der zu er-
wartenden neuen chinesischen Alileihe? Das
neue Regiment dort scheint sehr gut fundiert
zu sei».
Serenissimus: Sehr wohl, mein lieber
Kindermann. Auch ich halte Fuanschi'ai für
einen sehr vertrauenerweckenden Staatsmann
von erprobter Tüchtigkeit. Ein ganz kapitaler
Kerl ist das — ää — wirklich ein ganz kapi-
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Steuerflucht.
Droh des großen „Opferjahrcs"
Ist der Opfersinn doch eitel —
Ach, die Lieb' zum Vaterlande
Reichet nur bis an den Beutel!
Kommt der Fiskus, opferheischcnd.
Mit den weiten, offnen Lände»,
Schleunigst sich die „Patrioten"
In das böse Ausland wenden.
Ganz besonders aus dem Reichsland
Flieht man zu den Eidgenossen,
Doch auch flüchten nicht zli wenig
Mit dem Geld zu den — Franzosen!
Dieses sind die „Patrioten",
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Statt den Mehrbeikrag zu zahlen! Kl.