8122
Chronik.
flu; Aiilafj des Unglücks des Marinsluftschiffs UN telegraphierte der Naher an das Marineamt: .. Uber die Trauer über das Geschehene wird,
davon bin ich überzeugt, nur zu erneuten Anstrengungen anspornen, die so wichtige Luftschiffwaffe zu einem zuverlässigen Uriegsmittel zu entwickeln."
Man greift zur Zeitung. Nicht um sie zu lesen,
Nur um zu überfliegen, was sie bringt:
Lind siegreich wir in Hamburg I gewesen?
bat schon der Sohn dem Vater abgewinkt,
Nicht panzerfäustig, sondern liebevoll,
lvie es der Vater seinem Sohne soll?
Ist man in Leipzig trotz den vielen Dichtern
Noch halbwegs bei verstand und leidlich nüchtern?
Und sind, wie jüngst beim deutschen Turnerseste
In den bekannten Straßen reichlich Gäste?
Tin Blick — man läßt das Blatt betroffen sinken.
Man starrt ins Leere. Die Gedanken schweigen —
Natürlich will ich heute Kaffee trinken! —
Und wieder tanzt der Lettern toller Neigen.
Tin amtlich Telegramm! Nicht leere Fama!
Und deutlich sieht im Geiste man das Drama:
Der Motor knattert und das Luftschiff zittert,
Tin Niesenaar, der seine Freiheit wittert,
von starken Fäusten erst hinaufgeleitet
Und stolzen Fluges dann zur Höhe gleitet.
Nein Tücherwinken, wie das früher Mode,
Bis wir wie Kinder noch das Ivunder priesen,
Und Nbschied nahmen wie zum sichern Tode,
lvenn man betrat die Gondel solches Niesen.
Geschäftlich kühl, mit dienstlich strengen Mienen,
Tin halber Blick den knatternden Maschinen,
Tin anderer den sausenden Propellern -
Zu Mittag sitzt man wieder vor den Tellern,
Trzählt der Gattin, wie die Neise war,
Und lächelt ihrer Neden von Gefahr.
Schon ist's geschehn! Tin Kreuz und Cfuer von Flammen -
Tin Feuerchaos — und die Sinne platzen!
So bricht des Himmels Firmament zusammen
Im Tanz von tausend Teufel-Feuer-Fratzen-
Das ist des roten Todes heißer Flug,
Den her von Tardiff ein Nordweststurm trug.
Dort war's in abgrundtiefer Gruben Nacht,
hier in den Lüften, wo die Sonne lacht.
Doch hier wie dort: ein jähes Gelb und Not
Und dann das Nichts - das ist der rote Tod.
Doch unwillkürlich meldet sich ein Fragen:
Was hat die Welt zu diesem Werk der Flammen,
Das Lebende betäuben kann, zu sagen?
Sie tut's, wie heute Brauch, in Telegrammen:
„Die neue Waffe forderte ihr Leben.
„Vas gebe neuen Nnsporn unserm Streben
„Und sorge, daß wir nimmermehr erschlaffen
„In unsrer Arbeit für des Luftkriegs Waffen!"
Da erst erhielt mein Blick der Rührung Glanz.
Ich sang bewegt: heil dir im Siegerkranz! w.
Karl Höger.
'Km 17. Oktober starb in Wien im Klter von 66 Jahren
Barl Höger, der in der österreichischen Krb.iterbewegüng eine
hervorragende Bedeutung erlangt hatte. Schon in jungen
Jahren verschaffte ihm sein Organisationstalent bei den Kn»
gehörigen seines Berufs, den Buchdruckern, eine führende
Stellung, aber auch ln der politischen Bewegung trat er in-
folge seiner volkstümlichen Beredsamkeit bald in den vorder-
gründ und wurde 1907 in Graz in den Beichsrat gewählt. 1911
mußte er aus Gesundheitsrücksichten eine Wiede.wähl ableh-
»cn. Gr genoß eine hohe Verehrung in der österreichischen Kr-
beiterschaft, die seiner stets mit Liebe gedenken wird.
Lichtspender und Lichtfeinde.
Kaiser Wilhelm II. wünscht, das! die Llclstfeindc
durch das blitzende Schwert der Lichtspcnder über-
ivuudcn werden. Ja er hat es wirklich gesagt,
neulich bei der Einweihung eines Instituts für
Baktcrienforschung.
Ihr dachtet wohl schon, kr hätte den „edlen Herren
der Kirche" oder seinen Freunden vom Kloster Beuron
den Fehdehandschuh hingeivorfe»? I wo! Es bleibt
bei der Freundschaft zwischen Krone und Krinmn-
stnb, Und nach wie vor werden die Lichtspcnder die
Macht der Dunkelinänner zu spüren bekoinnien. K
Deutsche Justiz.
Ein Streikbrecher ging an zwei Streikenden vor-
bei. Sie beachteten ihn nicht im geringsten. Diese
Nichtbeachtung versetzte den Streikbrecher in Wut.
Er stürzte sich ans die beiden und verletzte sie-mit
einem Brotmesser.
Gegen die beiden Streikenden und gegen den Streik-
brecher wurden.Anklagen erhoben. Die erstercn wur-
den zu je einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil sie
den Arbeitswilligen durch ihre offenkundige Nicht-
achtung beleidigt und zu einer strafbaren Handlung
angereizt hatten. Der Streikbrecher dagegen wurde
srcigcsprochen, da er eine Beleidigung ans der Stelle
erwidert hatte. So.
Entschuldbarer Irrtum!
Frau Oberst Klosterberg gab ihr gewohntes Kaffee-
kränzchen für die Regimentsdamcn. wobei unter an-
dercm auch die neueste Nummer jener „Illustrierten
Zeitung" einer lebhaften Betrachtung unterzogen
wurde, in' dcr die Einweihung des Leipziger Denk-
mals auf der ersten Seite abgebildet war, während
für die letzte Seite sich die Polizeiinannschaft der
Plcißcstadt, soweit sid an der grossen Löwenjagd be-
teiligt war, voll edlen Stolzes hatte „konterfeien"
lassen! Und zwar ganz und gar hofjagdbildmäßig:
imposant in Linie anfmarschiert . . . und vor der
Front am Boden die bedauernswerte „Strecke" jener
sechs vom Pech verfolgten zahmen Katzentiere.
Gerade diese Aehnlichkeit mit einem Hofjngdbild
aber gab Veranlass^« z.ch einem neuen, selbst hier
in der Ferne noch entstehenden Malbpiff: denn die
junge und noch unerfahrene 'Frau Hauptman»
Hühnerbein wurde durch besagte Aehnlichkeit zu fol-
gender „Sentenz" verleitet:
„Gott, wie reizend! Bloß ... ich finde ans der
langen Reihe unseren Kaiser nicht so recht heraus!"
Frau Oberst Klofterbcrg bemerkte daraufhin ver-
nichtend kühl zur Sache:
„Unser Kaiser hat noch niemals bei der Schutz-
nianuschaft gestanden, meine Liebe . . . und schießt
Löwen nirgends anders als in Afrika!"
So ein Frechdachs!
Winston Churchill heißt der Mann! Seines Zei-
chens erster Lord der Admiralität, auf deutsch: eng-
lischer Marincministcr. Der bringt es -fertig, allen
Ernstes den Kulturstaaten, Deutschland und England
voran, ein Weltfeierjahr für Flottenrüstungen vor-
zuschlagen. Und er hat die Stirn dazu, folgendes
zu bemerken: „Ich bin für Gegengründe, die große
Waffenfirmen zweifellos erheben werden, völlig un-
zugänglich; sie müssen Diener sein, nicht Herren!"
Ist das nicht unerhört? Die armen Panzcrplatten-
und Kanonenfabrikanten sollen ein Jahr keine Divi-
denden haben, und ihren edlen Sachwaltern in der
vaterländischen Presse will man das patriotische Brot
nehmen. Da sieht man wieder, wessen man sich von
dem perfiden Albion zu gewärtigen hat. Gegen solche
Attentate auf die heiligsten Güter gibt es nur ein
Mittel: Wir müssen mehr Schisse bauen! ®
Lloyd George.
Ein Klagelaut klingt dumpf und hohl:
Ein Minister gegen das Landmonopol!
Ein Minister? Ich verhörte mich wohl?
Hoch nein, in England ist einer so frei
And reitet gegen die Iunkerei
And schlägt ihre letzte Schranke entzwei:
Llohd George, dank du dem Herrn als Christ,
Daß du nicht deutscher Minister bist!
Du wärst ei» verlorner Mann zur Frist.
Durchs ganze Land klang' das Gefauch:
Revolte von oben! Ein frecher Gauch
Stößt unsre Edelsten vor den Bauch!
Wer das gewohnte Wohlergehn
Der Junker stört, um den ist's geschehn.
Roch ehe er sich recht vcrsehn.
And sucht man dich jetzt etwa aus
Als „Austauschminister" bei uns zu Haus,
Sei klug und schlage die Stelle aus!