8128 —-
Aus Mecklenburg.
Die mecklenburgische Verfassung ist wiederum
vo» den Rittern abgelehnt worden.
„Dunnerlüchting, Vetter, de Maltzahnschen hewt uns doch bannig vorn Buuk stött. Nu bliwt allens bi'm Ollen!"
„Will'n wi nich mal'» beten Mexiko speelen, Fritzing, un de Republik proklamieren? In vecrundtwintig Stun'n is denn keen Ridder
mehr im Land!"
-o o o-
Ein echter deutscher Mann.
Der Frühnebel ist niedergegangen. Vom tief-
blaüen Herbsthimmel schüttet die Sonne ihre
Strahlen durch die Wipfel der Maidriesen hinab
auf die Lichtung. Tausend Tauperlen blitzen
ans wie Diamanten. Um die letzten Brombeer-
btüten iviegt sich ein verspäteter Falter im Glück
seines kurzen Daseins.
Regungslos steht der hochgewachsene Waid-
mann hinter der jungen Fichte in Deckung. Es
ist ganz still um ihn. Nur von Zeit zu Zeit
geht ein leises Raune» durch die hohen Kronen
der Buchen, und eia paar Blätter tändeln vom
Windhauch getragen zu Boden, flüsternd be-
grüßt vo» den vorausgegangenen Gefährten.
Wohlig dehnt der Jäger die Brust. Die köst-
liche Morgenluft fließt wie ein erfrischender
Strom durch seine Lunge». Sei , Auge trinkt
die farbenglühende Schönheit des Herbstwal-
des. Über die nahen Hügel und Hänge schweift
es hinauf zu den im sonnige» Weiß des Neu-
s.hnees leuchtenden Kuppen des Hochgebirges.
O, ist das schön - jubelt es in der Seele
des Schauenden auf. Wie über alles schön und
herrlich ist doch die Allmutter Natur! Welch
ei» Glück, ganz in ihre erfrischende Reinheit
cintauchen und ihre crneuerndeKrast empfinden
zu dürfe». O, iver das immer dürfte, fernab
vom staubigen, lärmenden Getriebe der Stadt,
aller Unruhe, allen Sorge», allein Geiser des
„Kulturlebens" entrückt.
Und seine Phantasie schweift zurück in die
Zeit, wo der Mensch noch inmitten der freie»
Natur lebte. Er sieht die Kraftgestalten der
alten Germanen mit dein hochgebundrnen, blon-
den Haarschopf, das Tierfell um die Schultern
geheftet, durch diese Bergwälder streifen. Kühne
Jäger, tapfere, trotzige Gesellen, die die Frei-
heit über alles liebten und keines Herren Knechte
sein wollten; keines fremden Herren und auch
keines aus eigenem Stamme. Wohl wählte»
sie Führer und Fürsten,, aber nur als Erste
unter Gleichen. Dienerdemut in Wort oder Ge-
bärde, untertänige Knechtseligkeit war ihrem
ganzen Wesen zuwider. Solche „Sklaventugen-
deu" verachteten sie.
Die Gestalt des Waidmanns strafft sich em-
por. Die Hand hebt die Waffe. Erregt der
heroische Hauch der alten Zeit seine Mann-
haftigkeit? Rein, dort — aus dem Dickicht tritt
das eble Wild heraus, dem er auflauert. Ein
mächtiger Hirsch steht in der Lichtung. Das
Haupt mit dem stolzen Geiveih witternd er-
hoben. Da krachte schon der Schuß in die feier-
liche Stille hinein. Das schöne Tier springt jäh
in die Höhe und bricht röchelnd zusammen.
Der Jäger schrecket auf die Beute zu. Zivei
andere in grünen Uniformröcken eilen aus ihren
Verstecke» herbei und beglückwünschen ihn eifrig
und dienstbeflissen. „Ein Zwölfender!" konsta-
tiert der glückliche Schütze und betrachtete eine
Weile stolz sein Werk.
Er hat wirklich Glück. Vorgestern einen Acht-
ender, gestern hoch oben im Gebirge eine»
Gemsbock und heute diesen Prachthirsch! Vom
Hochgefühl des Erfolgs erfüllt tritt er den Rück-
weg zum Jagdhaus an. Und wie er so als
freier, kühner Jägersmann durch den hohen
Wald schreitet, die beiden Dienstbeflissene» in
respektvoller Entfernung hinter sich, da kehre»
seine Gedanken zu den alten Germanen zurück.
Es ist wahr, sie halten es nicht so leicht, das
große, wehrhafte Jagdtier zu erlegen. Mit
Speer und Keule mußten sie ihm auf den Pelz
rücken. Mit seiner guten gezogenen Doppel-
büchse hatte ers b quemer. Trotzdem — es war
das alte edle Waidwerk noch! Mit Recht auch
heute noch dem Freien und Edlen, dem Mann
von Besitz und Stand Vorbehalten. Und so sollte
cs bleibe»!
„Jawohl," sagteerhalblaut, „allerverruchten
Gleichmacherei zum Trotz! Wir wollen fest-
halten an Sitte und Eigenart unserer hoch-
gemuten Vorfahren." Er warf den Kopf zurück,
als ob er einen Haarschopf nach hinten zu diri-
gieren hätte, und unwillkürlich ruckte er mit
deu Schultern, wie um das verschobene Wolfs-
fell zurechtzurücken. So ganz fühlte er in diesem
Augenblick die edle selbstbewußte Art des echten
deutschen Mannes in sich aufleben.
Als er im Jagdhaus ankam, überreichte
ihm ein Diener ein Telegramm aus Berlin.
„Schade!" murmelte er, nachdem er es über-
flogen. Dann setzte er sich hin und schrieb fol-
genden Brief:
„Eure Königliche Hoheit bitte ich, für die
wundervollen Pirschtage in Linderhof meinen
ehr f ür ch ts v o l l st e n D a n k z u F ü ß en l e g e n
zu dürfen. Eurer Königlicher Hoheit huld-
vollste Erlaubnis, wiederum in diesem
einzig schönen Revier jagen zu dürfen, habe
ich in der Erinnerung an aklerhöchstdero
verewigten Herrn Vater als eine besondere
Gnade empfunden. Ich konnte einen gute»
Zwölfer, einen Achter und einen Gemsbock zur
Strecke bringen und würde untertänigst ge-
beleu haben, nieine» Dank noch persönlich in
Berchtesgaden abstatten zu dürfen, wenn ich
nicht wider Erwarten schön heute durch drin-
gende Amtsgeschäfte nach Berlin zurückberufen
worden wäre. Eurer Königlicher Hoheit dank-
barster und untertänigster
von B ethmann Hollweg."
Aus Mecklenburg.
Die mecklenburgische Verfassung ist wiederum
vo» den Rittern abgelehnt worden.
„Dunnerlüchting, Vetter, de Maltzahnschen hewt uns doch bannig vorn Buuk stött. Nu bliwt allens bi'm Ollen!"
„Will'n wi nich mal'» beten Mexiko speelen, Fritzing, un de Republik proklamieren? In vecrundtwintig Stun'n is denn keen Ridder
mehr im Land!"
-o o o-
Ein echter deutscher Mann.
Der Frühnebel ist niedergegangen. Vom tief-
blaüen Herbsthimmel schüttet die Sonne ihre
Strahlen durch die Wipfel der Maidriesen hinab
auf die Lichtung. Tausend Tauperlen blitzen
ans wie Diamanten. Um die letzten Brombeer-
btüten iviegt sich ein verspäteter Falter im Glück
seines kurzen Daseins.
Regungslos steht der hochgewachsene Waid-
mann hinter der jungen Fichte in Deckung. Es
ist ganz still um ihn. Nur von Zeit zu Zeit
geht ein leises Raune» durch die hohen Kronen
der Buchen, und eia paar Blätter tändeln vom
Windhauch getragen zu Boden, flüsternd be-
grüßt vo» den vorausgegangenen Gefährten.
Wohlig dehnt der Jäger die Brust. Die köst-
liche Morgenluft fließt wie ein erfrischender
Strom durch seine Lunge». Sei , Auge trinkt
die farbenglühende Schönheit des Herbstwal-
des. Über die nahen Hügel und Hänge schweift
es hinauf zu den im sonnige» Weiß des Neu-
s.hnees leuchtenden Kuppen des Hochgebirges.
O, ist das schön - jubelt es in der Seele
des Schauenden auf. Wie über alles schön und
herrlich ist doch die Allmutter Natur! Welch
ei» Glück, ganz in ihre erfrischende Reinheit
cintauchen und ihre crneuerndeKrast empfinden
zu dürfe». O, iver das immer dürfte, fernab
vom staubigen, lärmenden Getriebe der Stadt,
aller Unruhe, allen Sorge», allein Geiser des
„Kulturlebens" entrückt.
Und seine Phantasie schweift zurück in die
Zeit, wo der Mensch noch inmitten der freie»
Natur lebte. Er sieht die Kraftgestalten der
alten Germanen mit dein hochgebundrnen, blon-
den Haarschopf, das Tierfell um die Schultern
geheftet, durch diese Bergwälder streifen. Kühne
Jäger, tapfere, trotzige Gesellen, die die Frei-
heit über alles liebten und keines Herren Knechte
sein wollten; keines fremden Herren und auch
keines aus eigenem Stamme. Wohl wählte»
sie Führer und Fürsten,, aber nur als Erste
unter Gleichen. Dienerdemut in Wort oder Ge-
bärde, untertänige Knechtseligkeit war ihrem
ganzen Wesen zuwider. Solche „Sklaventugen-
deu" verachteten sie.
Die Gestalt des Waidmanns strafft sich em-
por. Die Hand hebt die Waffe. Erregt der
heroische Hauch der alten Zeit seine Mann-
haftigkeit? Rein, dort — aus dem Dickicht tritt
das eble Wild heraus, dem er auflauert. Ein
mächtiger Hirsch steht in der Lichtung. Das
Haupt mit dem stolzen Geiveih witternd er-
hoben. Da krachte schon der Schuß in die feier-
liche Stille hinein. Das schöne Tier springt jäh
in die Höhe und bricht röchelnd zusammen.
Der Jäger schrecket auf die Beute zu. Zivei
andere in grünen Uniformröcken eilen aus ihren
Verstecke» herbei und beglückwünschen ihn eifrig
und dienstbeflissen. „Ein Zwölfender!" konsta-
tiert der glückliche Schütze und betrachtete eine
Weile stolz sein Werk.
Er hat wirklich Glück. Vorgestern einen Acht-
ender, gestern hoch oben im Gebirge eine»
Gemsbock und heute diesen Prachthirsch! Vom
Hochgefühl des Erfolgs erfüllt tritt er den Rück-
weg zum Jagdhaus an. Und wie er so als
freier, kühner Jägersmann durch den hohen
Wald schreitet, die beiden Dienstbeflissene» in
respektvoller Entfernung hinter sich, da kehre»
seine Gedanken zu den alten Germanen zurück.
Es ist wahr, sie halten es nicht so leicht, das
große, wehrhafte Jagdtier zu erlegen. Mit
Speer und Keule mußten sie ihm auf den Pelz
rücken. Mit seiner guten gezogenen Doppel-
büchse hatte ers b quemer. Trotzdem — es war
das alte edle Waidwerk noch! Mit Recht auch
heute noch dem Freien und Edlen, dem Mann
von Besitz und Stand Vorbehalten. Und so sollte
cs bleibe»!
„Jawohl," sagteerhalblaut, „allerverruchten
Gleichmacherei zum Trotz! Wir wollen fest-
halten an Sitte und Eigenart unserer hoch-
gemuten Vorfahren." Er warf den Kopf zurück,
als ob er einen Haarschopf nach hinten zu diri-
gieren hätte, und unwillkürlich ruckte er mit
deu Schultern, wie um das verschobene Wolfs-
fell zurechtzurücken. So ganz fühlte er in diesem
Augenblick die edle selbstbewußte Art des echten
deutschen Mannes in sich aufleben.
Als er im Jagdhaus ankam, überreichte
ihm ein Diener ein Telegramm aus Berlin.
„Schade!" murmelte er, nachdem er es über-
flogen. Dann setzte er sich hin und schrieb fol-
genden Brief:
„Eure Königliche Hoheit bitte ich, für die
wundervollen Pirschtage in Linderhof meinen
ehr f ür ch ts v o l l st e n D a n k z u F ü ß en l e g e n
zu dürfen. Eurer Königlicher Hoheit huld-
vollste Erlaubnis, wiederum in diesem
einzig schönen Revier jagen zu dürfen, habe
ich in der Erinnerung an aklerhöchstdero
verewigten Herrn Vater als eine besondere
Gnade empfunden. Ich konnte einen gute»
Zwölfer, einen Achter und einen Gemsbock zur
Strecke bringen und würde untertänigst ge-
beleu haben, nieine» Dank noch persönlich in
Berchtesgaden abstatten zu dürfen, wenn ich
nicht wider Erwarten schön heute durch drin-
gende Amtsgeschäfte nach Berlin zurückberufen
worden wäre. Eurer Königlicher Hoheit dank-
barster und untertänigster
von B ethmann Hollweg."