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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0390
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— 8146

Zum Wehrbeitrag.

„Unglaublich, was unsereins aus dem Altar des Vater-
landes alles opfert! Fünfhundert Mark habe ich für
meinen Nechtsbeistand ausgegeben, bis er amtlich fest-
gestellt hat, daß mein Betrieb mir nichts einbringt!"

Der gelbe Diktator.

Oen Juanfcbikai — wir sehen es jetzt —

Oen Heiden wir nicht genügenct geschätzt.

Oas ist ein ganz vortreststcher Mann,

Oer etwas wist unc! etwas kann!

Lr geht mit unverhehitem Oroh'n
Energisch zu Leide der Opposition:
er ruft jetzt gegen die Bande herbei
Lhinas Juftiz und die Polizei.

verbot, Verfolgung, dis er zuletzt
Sie alle in das Kittchen fetzt —

Oie preuhifche Pegierungsmethode
wird am ende in china Mode.

Man merkt, der Mann hat was gelernt
Und sich nicht weit vom Vorbild entfernt,

Oas find — wir fagen's mit lauten Lungen —
echt preuhifche Eroberungen.

Mir find auf diesen Lchüler stolz:
er ist geschnitzt aus ostelbifchem Holz,

Man sollte ihn feiern in jedem Oau,
vom jangtfe-fiuh bis — janufchau.

Deutsche Kultur.

Der Baron lehnte sich ans dem Fenster und
ries dein Lehrer nach: „Also die Schule fällt
morgen ans. Der Herr Landrat kommt; da
hat die Bande Spalier zu bilden und ein Fest-
lied zu singen. Deutschland, Deutschland über
alles oder so was. Und machen Sie mal schleu-
nigst ein Gedicht zur Feier des Tages, ver-
standen?"

lind ohne eine Antivort abzuivarten, warf
er das Fenster zu und sprach zu seinem Gast:
„Der Landrat kommt wegen der verfluchten
Geschichte mit der inneren Kolonisation."

„Hche", lachte der Gast und gos; sich einen
Kognak ein. „Und Sie haben doch selbst für
das Gesetz gestimmt."

„Hab' ich", gestand der Baron. „Da ivar
nichts zu machen. Aber das war nur die
Theorie. In der Praxis gedenke ich ganz an-
ders zu handeln."

„Da bin ich neugierig."

„Ganz einfach. Ich ziviebele jeden Bauern,
der so frech ist, sich in der Nähe meiner Guter
niederzulasse», so lange, bis er froh ist, wenn
er möglichst geräuschlos verschwinden kann."

„Bravo!" Und beide stießen auf das Ge-
klingen des feinen Planes an.

„Schließlich sind wir das auch dem Deutsch-
tum schuldig: nur der Großgrundbesitz bildet
einen festen Wall in der Ostmark gegen die
heranbrausende slawische Welle."

„Das haben Sie fein gesagt. Ist das nicht
aus Ihrer Landtagskandidalenrede?"

„Natürlich. Aber es kann ja trotzdem wahr
sein!"

Beide blickten eine Weile gedankenvoll den
blauen Wölkchen ihrer Importen nach.

„Wenn mir ein Pole für meine Klitsche zehn-
tausend Emchen mehr gibt als ein Deutscher",
sagte der Gast, „dann schlage ich sofort ein,
Baronchen."

Der Baron lachte kurz auf, aber er unter-
brach sich schnell: „Sagen Sie so was bloß
nicht laut."

„Werde mich hüten. Geben Sie übrigens
Ihren Arbeitern morgen zum Mitsingen auch
frei?"

„Fällt mir nicht ein! Ich habe doch nur
Russen bei mir, die kein Deutsch verstehen!"

„Ach so, Saisonarbeiter!"

„Natürlich. Das einzig Wahre! Kerls haben
kein Recht, und wenn sie eins haben, wissen
sie es nicht zu gebrauchen. Und wenn sie frech
werden, werden sie ausgeiviesen. Nee, mein
Bester, daß ich Deutsche anstelle, können Sie
mir doch nicht zutrauen."

Der Gast knipste die Asche ab. „Das wird
aber bald geschehen müssen."

„Nanu?"

„Ja. Die russische Regierung will die Land-
arbeiter nicht mehr aus dem Lande lassen. Sie
braucht die Vierhunderttausend, die jährlich
über die Grenze zu uns kommen, allein."

Der Baron sprang auf. „Das ist unmöglich!
Ohne die Saison-Russen sind wir ja alle auf-
geschmissen!"

„Na, vielleicht wird's auch nicht so schlimm
werden: schließlich haben wir doch unsere Re-
gierung. Und Rußland ivürde mit solcher Maß-
regel ja direkt einer Germanisierung unseres
Ostens dienen, und daß das nicht geschieht —"

„ — dafür werden wir schon sorgen", be-
endete der Baron den Satz. „Schließlich müsse»
wir doch Herren im Hans bleiben."

„Natürlich!"

Vom anderen Ende der Dorfstraße klang
monotoner Gesang. Dort übten die Schulkin-
der für den morgigen Feiertag: „Deutschland,
Deutschland über alles" —-

Allerlei Anzeigen.

K.'in bayerischer Familienvater sollte es versäumen,
sich ein

liebenswertes nettes Haustier

in Gestalt von ein, zwei oder noch mehr Exemplaren meines

„Ztaatszeitung"-Neptils

baldmöglichst zuzulegen. Für Stubenreinheit übernimmt
Garantie. Freiherr v. Bertling.

vorgekommene Mitzbräuche veranlassen mich, die in
meinem Besitz b.fiudlicheu

Katakomben von Berlin

besteh.nd aus meinen „unterirdischen Verbindungen" mit
dem Rriegsministerium und dem lleichsmarineamt nun-

Eh" strengstens zn sperren!

Jeder Unbefugte, der in Zukunft seine Nase da hinein-
steckt oder gar Schristtafeln daraus entfernt, wird von mir
strafrechtlich verfolgt werden. Krupp.

Komponift gesucht,

der mir mehrere Dutzend

Kornwalzer

so in Musik setzt, datz ich sie täglich während des Mittag-
schläfchens auf einer Drehorgel vor der „Villa Hügel"
andachtsam Vorspielen kann.

Offerten sieht entgegen Herr v. Metzen.

Gesichert.

,Jetz lennna wir wieder eh in Himmi eini, hat der
Pfarrer g'sagt, im Fegfeuer ts z'erscht la Platz mehr
vor lauter Sozi."

Lin schlechtes Geschäft.

Ls gibt in unfern Lagen
Gewerbe allerhand,

Die ihren Mann ernähren
Im deutschen Vaterland;

Vas eine lohnt sich reichlich,

Vas andere nur knapp —

Doch der Patriotismus warf
Noch stets das meiste ab.

Drum strebet jeder brave
Und wahrhaft weise sttann,
vaß er's in dieser Branche
Zn etwas bringen kann;

Lr läßt sein Lämpchen leuchten
In möglichst hellem Schein
Und wirkt für Thron und Vaterland
Und steckt sein Trinkgeld ein.

So war es bis vor kurzem,

Doch leider jetzt nicht mehr,

Venn eine bittre Kunde
Kam jüngst von Leipzig her:

Ts wirkte Clemens Thieme
Uls Patriot allda,

Sein zweites Wort war „Vaterland",

Sein drittes war „kjurra".

ver hat mit List und Tücke
Tin Denkmal dort erricht't,

Damit der Feind, der böse,

Vas Grausen vor uns kriegt;

Und zur Enthüllung kamen
Kings aus dem ganze Land
ver Kaiser und die Könige
Und sonst noch allerhand.

Und we ches war die Löhnung,

Die man dem Wackern bot?

Zwar drückten höchste ksände
Die seine blutig rot,

Doch auf die Brust, die treue,

Hing man als Grdenszier
Ihm den gemeinen preußischen
Piepvogel Uumro vier!

Da ward der Clemens traurig,
tlnd mit umflortem Blick
Schickt den Kommunen Udler,

Den rotcn, er zurück,

In seinen t landen ksabp

Die Männerzähre rinnt

Und durch das leere Knopfloch pfeift

Ihm der Uovemberwind.

Doch jeder Gutgesinnte
Knurrt mürrischen Gesichts:

„Man ist doch Patriot nicht
Für nichts und wieder nichts!

Bringt das Geschäft, das faule,

Uur solchen Tinnef ein,

Dann möchte man am Ende ja

Schon lieber Koter sein!" r-hmann.
 
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