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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0006
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8178 -

s Lum neuen ^ahs.

Nun ging äas ^ubeljabr ru Lnäe,
Lin slol^es^akr voll Prunk unä 6!anr,
Unä äer regierungstreue kürzer
Liebt bottnungstteuäig äie kilaiur;
5eäocb, wie klug er auch unä weise
Vas Minus oränet unä äas plus —
6s bleibt, äer Aack're kann'; nicht leugnen,
Lin arges Delikt rum Schluss.

Nur einen siebt man, äer rutrieäen:
Der „Mabre^scob" ist's, äer beut'
Kn seinem äreissigsten Keburtstag
Sich quielschfiäel äes vaseins freut;
Venn aller, war äie anäern sünä'gen
In Mort unä Lat, korrupt unä faul,
Ist Masser nur auf seine Müble
Unä König kür rein Lästermaul.

Lin reicher Zuwachs an Soläaten
Ist uns im alten ^abr erblübt,
Unä stolrer blickt äer kürgers Kuge,
Menn er sie Stechschritt üben siebt;
Doch Kleiäer, Nabrung, Mebr unä Matten
kraucht leiäer Kottes äer Soläat —
Unä trüber blickt äer kärger; Kuge,
Sobalä äer Steuerbote nabt.
Kurrum, es sagt äer wackre kürzer
Sich reufrenä beim Silvesterpunrch:
„So manches gebt im Uaterlanäe
Noch immer leiäer nicht nach Munsch!
In äen verflossenen rwött Monäen
Muchs fort unä fort äer Nörgler Schar,
Unä es bestebt auch keine Hoffnung
Huf Besserung im nächsten ^abr!"
Unä wie bisber er er getrieben,
Unä was er euch bis beute war,
Vas bleibt unä wirä er weiter treiben
Ketrost äie nächsten äreissig ^abr:
In kampkesttoben säusle» schwingen
Vie Keissel, äass es pleitt unä kracht,
hobnlachenä um äie langen Obren
ver vummbeit unä äer Nieäertracht!

In böchstem Knsebn siebt äie Kirche,
Man föräert emsig ibr Ueäeibn —
^leäoch äie unverstänä'ge Masse
Klaubt nicht äaran unä gebt nicht 'rein!
ver Mert äes äeutschen Kicbterstanäes
Ist jeäem guten kürzer klar —
Doch liest er seine UrleilssprUcbe,
So sträubt sich ibm äas Scheitelbaar!

Kucb sinä es nicht äie Parlamente,
Kn äenen es äem veutschen keblt,
Vach äen verschieäenrten Systemen
hat er korrekt sie auserwablt;
^leäoch, soviel sie äebattieren
In Keäen, witzig unä gewanät —
Vas letzte Mort rm allen tragen
Spricht hertling, Krupp unä heyäebranä!

Der fidele Reichskanzler.
Nach bekannter Melodie.
Zweihundertdreiundneunzig Mann
Im hohen Reichstagshaus,
Die stellten mir mit Würde
Ein Mißtrau'nsvotum aus.
And eine höchst verdächtige
Poplige Minderheit
Von vierundfünfzig Junkern stand
Allein auf meiner Seit'!
Lalala usw.
In England und in Frankreich wär'
Nach solchem herben Schlag
Der leitende Minister
Kassiert am selben Tag,
Aus Amt und Würden jagt» ihn
Des Volkes Strafgericht —
In Deutschland aber, Gott fei Dank,
Kennt man so etwas nicht!
Lalala usw.
Lier gibt ein Philosoph wie ich.
Ausschließlich darauf acht.
Ob ihm die Gnadensonne
Von oben freundlich lacht;
Dann mag ein hohes Parlament
Ihn knuffen, wie es will —
Er bietet seinen Buckel dar
And hält geduldig still!
Lalala usw.
So halt' und hielt ich's allezeit
And fühl' mich wohl dabei.
And höre mit Vergnügen
Des Volkes Wutgeschrei,
Denn dies, wie die Erfahrung lehrt.
Ist mir nur förderlich:
Je mehr ich mich unmöglich mach'.
Je fester sitze ich!
Lalala usw. Lehmann.

Politische Glossen.
Regierungssorgen.
Nachdem der deutsche Kaiser den Offizieren ver-
boten hat, in Uniform den Tango zu tanzen, hat
auch der König von England auf Wunsch seiner
Gattin den neuen Tanz vom englischen Hofe ver-
bannt. Und mm kommt die Nachricht aus Rom,
daß Papst und Kardinalskollegium sich mit der schwie-
rigen Frage befassen, wie man sich vom Standpunkt
des christkatholischen Glaubens zu der Neuerung im
Reiche Terpsichorens zu stellen habe.
Ja, die Negierenden haben es nicht leicht. Die
bedeutsamsten Entscheidungen lasten auf ihnen. Tag
und Nacht sinnen sie darüber nach, wie sie die ihnen
anvertrauteu Böller vor Hunger und Not und —
neuen Tänzen behüten können.
Ein Poltzeiskandal in Petersburg.
In Petersburg entdeckte die Polizei eine Spiel-
hölle im Hause der Schauspielerin Pawlowa, zu
der nur hohe Beamte mit dem Titel Exzellenz Zu-
tritt hatten. Nur eine Nichtexzellenz wurde unter
den Anwesenden festgestellt, der besondere Günstling
der Pawlowa, ein alter, stadtbekannter Dieb. Er allein
wurde verhaftet, während man seine zwanzig Ge-
fährten mit Exzellcnztitcl laufen ließ.
Ganz Petersburg ist mit Recht entrüstet über dieses
parteiische Borgehen der Polizei. Weil der eine
Dieb zufällig noch nicht Exzellenz war, sperrt man
ihn ein, indessen die anderen unbehelligt weiter
stehlen dürfen. Und wie soll der Eingesperrte jetzt
noch soviel zusammenstehlen können, daß er — auch
zur Exzellenz ernannt wird?! Seine ganze Karriere
ist durch das brutal parteiische Borgehen der Polizei
zerstört worden. ,
Er wittert Morgenluft.
Ritter Elard von Oldenburg-Januschau hat sich in
Danzig kürzlich über die Frage der Reichstagsans-
lösung verbreitet. Er meinte, die Stunde sei zwar noch
nicht da, aber sie nahe bereits. Erst müßten die
neuen Gesetze, die Reichsversicherungsordnuug mit
ihrer schärferen Heranziehung der Herrschaften zur
Gesindeverfichcrung und die bösen Besitzsteuergcsetze
auf das „Publikum" — womit er die Besitzer der
großen Portemonnaies meinte — noch empfindlicher
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gewirkt haben. Daun sei die nötige Stimmung da
für eine politische Weltenwende.
Man begreift die Ungeduld des wackeren Mannes.
Jetzt, wo sich in Zabern der Leutnant gefunden
hat, den er zur Führung der bewußten zehn Sol-
daten braucht, um den Reichstag auseinanderzu-
jagen!
Herr Kühn, seien Sic nicht zu kühn!
Oder tragen Sie sich etwa mit Selbstmordge-
danken, Herr Reichsschatzsekretär? Wenn nicht, dann
reden Sie nicht wieder so leichtfertig wie neulich
bei Ihrer Etatrede von der unbedingt notwendigen
Sparsamkeit im Reichshaushalt. Wie leicht kann
der Wehrvercin oder der Flottenverein Wind davon
erhalten! Dann sind Sie ein toter Mann und ein
Feind der nationalen Wehrkraft obendrein.
Sehen Sie, nun zittern Ihnen schon die Knie. M

Offiziöse Kommentare zur Kanzlerrede.
„Der Herr Reichskanzler hat nur deshalb- ein
Loch in die Lust geschossen, weil er vergessen hat,
die Flinte ins Korn zu schmeißen!"
„Der Herr Reichskanzler hat die Flinte ins Korn
geschmissen, weil er vergessen hat, noch ein Loch
in die Luft zu schießen!"
„Der Herr Reichskanzler hat vergessen: 1. daß
er ein Loch in die Luft geschossen hat, 2. daß er
die Flinte ins Korn geschmissen hat!"
„Der Herr Reichskanzler hat vergessen, wie er
nun weiterregieren soll!"
„Der Herr Reichskanzler hat vergessen, daß er
vergessen hat-— "
„Der Herr Reichskanzler hat sein Abschiedsgesuch
einzureichen vergessen!!"
Aber Lerr Kriegsminister!
„Lieber tot als beschimpft!" — Ei, ei, Herr v. Falken-
hahn! Wenn nun die gemeinen Soldaten auch so
dächten, hätten Sie ja bald gar keine Soldaten mehr!
 
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