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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0022
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8194

Rückblick auf das Jahr 1913.

Gern wendet beim Beginn des Jahres
Der Weise rückwärts seinen Blich
Erwägend, was ihm im verfloss'nen
Beschert das waltende Geschick.
Es thronet meistens hinter Wolken
Der Schicksalsgötter grause Schar
And wird den irdischen Geschlechtern
Erreichbar nie noch wahrnehmbar.
Von allen Völkern dieser Erde
Lat nur das deutsche den Profit,

Daß es des Schicksals dunkle Mächte
Mit eig'nen Augen vor sich sicht.


Das Jahr begann, wie in der Regel,
Mit Kriegsgeschrei und Schlachtengraus


Schön stirbt sich's aus dem Feld der Ehre —
Die Börse zieht den Vorteil draus.


Indes der Rummel währt nicht lange.
Die Wolken waren bald zerstreut.
Es sehlte Heuer sür dergleichen
Die rechte Lust und rechte Zeit;
Alldeutschland mußte Feste feiern.
Denn Neunzehnhundertdreizehn war
Vom ersten bis zum letzten Tage
Ein offizielles Jubeljahr.
Man schmückte sich mit Vivatbändern
In Königsberg und in Berlin,

And zwischen Rhein und Memel wurde
Noch mehr als sonst Lurra geschrien.


Zwar wuchs die Fleischnot unaufhaltsam.
Doch ängstigt man sich nicht deshalb.
Denn sieh, als Leiiand ist erschienen
Ans das Ladiner Zebukalb!


And für die anspruchsvollern Schlemmer
Stellt sich als Rettungsengel ein.
Trotz ernster Warnung der Agrarier,
Das hart gefror'ne Ruffenschwein.
Da Tausende trotzdem noch hungern.
Lat die Regierung sich bedacht
And fordert schleunigst zehn Millionen


Zum — Neubau einer Kaiserjacht.
Auch ward am fernen Pregelstrande
Mit kräft'gem Wort zur rechten Zeit

Das Volk energisch angeseuert
Zu größrer Opferfreudigkeit.


Dies weckt in liberalen Kreisen
Begeist'rungsjubel solcher Art,

Daß Cassel in Berlin beinahe
An seinem Glauben irre ward.


Noch immer gelten Recht und Ordnung
Als Fundament des Staatenbaus
And einen Pächter, der nichts taugte.
Schmeißt man mit kräft'gem Fußtritt'raus.


Kein Wunder, daß die Bürgerherzen
Stolz und Befriedigung erfüllt.
And daß mau zwischen Rhein und Memel
Nur immer lauter Lurra brüllt.

Vermehrte Rüstung ist vonnöten.
Doch diesmal wird die Freude, ach.
Versalzt den wacker» Patrioten
Durch den verdammten Wehrbeitrag.
Auch mischt sich in den Opferjubel


Löchst unliebsam und störend die
Von einem Anhold angestimmte
Taktlose Walzermelodie.

Daneben gab's noch andern Kummer,
Denn bei der preuß'schen Landtagswahl,
Trotz Schwindel und Dreiklassenknebel,
Vermehrte sich der Roten Zahl.

In Breslau dahingegen wurde
Ein herrlich Leldenstück vollbracht —

Indem ein Oberst der Lusaren
Dort einen Lauptmann kalt gemacht.


Des Lerren Weg ist unerforschlich
And manches Wunder schon geschah.
And mancher 'rausgeschmiff'ne Pächter
Steht eines Tags als Günstling da.


Der Lunger aber will nicht weichen
And täglich wächst des Volkes Rot,
Die Steuern werden immer größer
And immer kleiner wird das Brot.

Es griff beherzt die Neichsregierung
Zum allerletzten Mittel schon
And — publizierte die Berichte
Der Fleischenquetekommission.

Den Nörgler freilich, den verstockten.
Bekehrt und überzeugt sie nicht —
Indes: was kümmert sie das Murren
Der niederen Bevölk'rungsschicht?
Die bessern Bürgerkreise würd'gen
Vollauf, was höhern Orts geschah —

And von der Memel bis zum Rheine
Schallt laut und lauter ihr Lurra!


Der Lerbstwind braust und fegt den Krone»
Des Laubes welken Schmuck hinweg
And selbst von gut gepflegten Bäumen
Fällt manches Blatt — Patsch - in den Dreck!


Am Schluß des Jahres aber wandten
Europas Blicke sich vergnügt
And mit vollkommener Befried'gung
Nach Zabern, das im Elsaß liegt;
Wo scherzend man in der Kaserne
Den Eingebor'nen „Wackes" tauft
 
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