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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0024
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8196


Zum Ärztestreik.

„Aber Kollege, wie kommen Sie hierher?"
„Die verfluchten Sozi haben mich aus der Kasse herausgeschmissen,
da bin ich naturheilkundiger Schäfer geworden."

Die Jünger.
Der verstorbene Kardinal Vreglia hinterlich acht Millienen.
klus alten Zeiten klingt die Mär
von Christi Mahnen und Lehren:
„Sammelt nicht Schätze, die der Nost
Und die Motten verzehren!
viel eher wär's, daß ein Uameel
Durchs Öhr der Nadel käme,
Venn daß ich in mein Himmelreich
Nur einen Neichen nähme."
vis Jünger von heute sind nicht so:
Sie wissen das Diesseits zu schätzen,
Sie finden.an dem goldenen Mang
ves Mammons stille- Ergötzen.
Sie lieben die Sonnenseite speziell
ves Lebens. Und sie thronen
Me Könige unter dem Baldachin
Und sammeln Millionen.
Im Purpur, mit blitzendem Fingerschmuck
Erteilten den himmlischen Segen
Vie Jünger dessen, der nicht wußt',
wohinter sein Haupt sollt' legen.
„Dienstgeheimnis!"
Seit fünf Wochen schon warteten iu der Ferne die
Ellern des in eine Greuzgarnison gekommenen Re-
kruten Müller VII vergebens aus eine Karte oder
einen Brief ihres Sohnes; zu Anfang der sechsten
Woche aber entschlossen sie sich, au die „königliche
soundso vielte Kompagnie usw.", die bei ihrem Sol n
gleichsam Bater- und Mutterstelle vertreten wollte, zu
schreiben und auzusrageu, ob ihrem Sohu ciu llu-
glückssall zugestoßen sei oder ob er sich vielleicht wegen
einer militärischen Straftat iu Haft befinde.
„Schon" nach Ablauf von knapp vierzehn Tagen
ließ sich ein „königliches soundso vieltes Regiment

usw." auch wirklich herbei, ihnen folgendes mit-
zuteileu:
„ael a, ob ein llnglücksfall vorlicge ... nein!
all I>, ob vielleicht gar Verdacht einer strafbaren
Handlung gegeben sei ... nein!"
Aus freien Stücken aber fügte man noch die „be-
ruhigende" Nachricht mit hinzu:
„Der pp. Müller VII ist lediglich au einem mili-
tärischen Dienstgeheimnis crkrault und befin-
det sich deswegen seit 51 Tagen im hiesigen Gar-
nisoulazarctt zur Behandlung!"
Eigentlich hätte cs gleich „54" Tage heißen
können; denn laut Datum war das Schrecken scheu
drei Tage alt geworden, bis es endlich ans dem
Reginicnisgeschäflsziminer hcrausknm.
Zufällig aber entließ gerade am 54. Tage auch
das Garnisonslazarett den wieder dienstfähig ge-
schriebenen „pp. Müller VII" . . . auf daß er sich,
wie es das Gesetz befiehlt, bei „Vater" und bei
„Mutter" seiner Kompagnie zurückmclde.
Dies tat Müller VII. Gegen Abend nahm er
die Gelegenheit wahr, einen Brief an die Eltern
zu schreiben, den er selbst iu den Postkasten warf.
Sein Brief und das drei Tage vorher ausgcfcrtigte
Schreiben des Regiments legten daher gemeinsam
die Reise durch Deutschland zurück und gelaugten
auch gleichzeitig zur Bestellung. Und so wurde von
dem „militärischen Dienstgeheimnis" im elterlichen
Hanse sofort der mystische Schleier weggezogeu.
Denn es war, wie der Sohn schrieb: „. . . em
Gewchrkolbcnhieb meines Sergeanten gewesen, was
daun sehr schwere Folgen gehabt hat, aber nur
für . . . mich!" T.


Die trauernden Erben.

Trauer herrscht in Wahnfrieds Lallen,
Da die schöne Zeit herum.
Wo man jährlich Millionen
Melkte ans dem Publikum,
Wo man Vaters hehre Werke
Ausgemünzt in blankes Gold,
Und für jede Note blechen
Mußte, wer sie hören wollt'.
Ohne Mühe durst' man häufet»
In die Kasse goldncn Kies
Und sich pietätvoll mästen
Von den Zinsen des Genies;
Wenn an des Quartales Ende
Man die Bankabrechnung sah —
O, wie freute sich Jung-Siegfried
Und die gute Cosima!
Damit hat es jetzt ein Ende,
Weh', die Kassen bleiben leer.
Dreißig Jahre floß die Quelle,
Aber heute, ach, nicht inehr!
Freilich komponieit auch Siegfned
Selber schöne Melodein,
Doch sie brachten bis zur Stunde
Leider keinen Pfennig ein.
Während dessen klingt und tönt es
Jubelnd jetzt in jedem Saal:
Kottbus hört die „Nibelungen",
Bitterfeld den „Parsifal",
Singend in dem Schwanen-Nachen
Rudert „Lohengrin" herbei
Selbst in Bomst und Stallupönen,
Aber, ach — tantiemenfrei! Lehmann.
 
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