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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0034
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8206

An mein Kriegsvolk!

Immer feste auf die Weste,
Setzt es auch mal Puff und Knuff!
Blüchers Wahlspruch bleibt der beste:
Feste druff!

Denn es sind nur Zivilisten,
Iänzlich wertlos, hohl und morsch.
Auf, ihr wackren Infantristen —
Immer forsch!

Groß den Schnabel, blank den Sabel — Wenn sie noch verärgert kollern.
Lieber Oberst, so ist's recht. Drückt sie nur die Wand entlang —
Nur kein Mäßigungs-Gefabel! Kronprinz Wilhelm, Hohenzollern,
Ins Gefecht! Sagt euch Dank!

Kriegsgerichtssitzung.
Straßburg, im Jahre ISI4 nach Christi Geburt.
Der Verhandlungsführer: Wollen die
Herren Angeklagten die Güte haben, sich zu
äußern?
Angeklagter Oberst v. Reuter (mit lauter
und fester Stimme): Also aufgepaßt! Vor einem
Jahr übernahm ich das Regiment in Zabern.
Bis dahin herrschte Friede zwischen Militär
und Zivil. Trotzdem hatte ich Sympathie für
die Bevölkerung und suchte Fühlung mit ihr
zu bekommen. Aber es gelang mir nicht, die
feige Bande lief immer weg. Da ich der Über-
zeugung bin, daß es manchmal sehr gut ist,
wenn es zum Blutvergießen kommt, gab ich
dann den Befehl, schärfer vorzugehen.
An klag ev ertreter: Sehrrichtig gehandelt!
Verteidiger: Verzeihen Sie, das wollte
ich sagen.
Verhandlungsführer: Ist Ihnen, Herr
Oberst, nicht das Bewußtsein der Rechtswidrig-
keit gekommen?
Angeklagter v. Reuter (mit lauter und fester
Stimme): Einem preußischen Offizier kommt
überhaupt nichts zum Bewußtsein.
Verhandlungsführer: Auf Grund wel-
cher gesetzlichen Bestimmungen ließen Sie auf
das Publikum einhauen?
Angekagter v. Reuter: „Hals- oder pein-
liche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. vom
Jahre 1532."
Berhandlungsführer: Haben Sie sich
über die Gültigkeit dieser Verordnung irgend-
welche Gedanken gemacht?
Angeklagter v.Reuter (mit lauter und fester
Stimme: Ein preußischer Offizier macht sich
überhaupt keine Gedanken!
Anklagevertreter: Sehr gut!
Verteidiger: Aber ich muß doch sehr bitten!
Sie nehmen mir stets das Wort aus dem Munde!
Verhandlungsf ü hrer: Ihnen, Herr Leut-
nant Schad, wirft dis Anklage Hausfriedens-
bruch und Körperverletzung vor.
Angeklagter Leutnant Schad: Pöbel
benahm sich auf Straße unverschämt. Bemerke
übrigens, daß unter Pöbel selbstverständlich
immer nur Zivilisten verstehe. Habe daher
Lausejuden festnehmen lassen.
V erh a nd l un gs fü h r er: Weshalb?
Angeklagter Leutnant Schad: Glaubte,
daß über mich lachen würde.
Verhandlungsführer: Wie kamen Sie
auf diesen Verdacht?
Angeklagter Leutnant Schad: Leute
lachen immer, wenn mich sehen.
Verhandlungsführer: Darauf haben Sie
einen Staatsanwalt verhaften lassen.

Angeklagter Leutnant Schad: Aber
feste! Kerl nahm mir gegenüber unchrerbietige
Haltung ein.
Berhandlungsführer: Auch ein Land-
gerichtsrnt wurde auf Ihren Befehl festge-
nommen.
AngeklagterLeutn aut Schad: Stimmt!
Frechdachs behauptete, ich hätte ihm nichts
zu befehlen. Wäre ja noch schöner, wenn preu-
ßischer Leutnant krummem juristischen Zivil-
krüppel nichts zu befehlen hätte!
Anklagevertreter: Ausgezeichnet!
Verteidiger: Verzeihen Sie: sind Sie hier
Verteidiger oder bin ich es?
Anklagevertreter: Das ist unter Kame-
raden ganz egal!
Verhandlungsführer: Herr Leutnant
Schad, Sie hatten also nicht das Bewußtsein
der Rechtswidrigkeit Ihres Handelns? ,
Angeklagter Leutnant Schad: Im
Gegenteil, ich habe mich brillant amüsiert!
Verhandlungsführer: Es beginnt nun
die Vernehmung der Zeugen.
Zeuge .Senkel: Ich wurde ohne Grund
in den Pandurenkeller gesperrt- Und wie! So
sperrt man keinen Hund ein!
Verhandlungsführer: Aber am andern
Morgen haben Sie doch Kaffee bekommen!
Zeuge Schall: Ich bin unschuldig ver-
haftet worden.
Verhandlungsführer: In Ihrer Gegen-
wart sollen schwer beleidigende Worte gefallen
sein, zum Beispiel der Ausdruck „Lump".
Zeuge Schall: Jawohl.
Verhandlungsführer: Wissen Sie, wer
dieses gemeine Schimpfwort gebraucht hat?
Zeuge Schall: Der Oberst v. Reuter hat
mich so genannt.
Verhandlungsführer: Aber am andern
Morgen haben Sie doch Kaffee bekommen!
Zeugin Kinderfräulein Görke: Es is
doch zu traurig, daß es hier im Alsaß Man-
schen jibt, die de Leitnants nich lieben. Wenn
ich bloß von weitem einen seh, denn leist mir
all foorz das Wasser ini Mund zusammen!
Bei uns in Ostpreißen jeht es alle Mädchens so.
Verhandlungsführer: Die Beweisauf-
nahme ist geschlossen. Der Herr Vertreter der
Anklagebehörde hat das Wort.
Anklagevertreter: Es unterliegt keinem
Zweifel, daß das Militär schwer gereizt wor-
den ist. Es sind, wie hier soeben eivlich be-
kundet wurde, pöbelhafte Schimpfworts wie
„Lump" gefallen. Es war also höchste Zeit zum
Dreiuschlagen. Im übrigen stehe ich als Jurist
durchaus auf dem Standpunkt des Kinder-
fräuleins Görke. Ich habe selten zwei so aus-
gezeichnete und tadellose Kavaliere kennen ge-

lernt wie die beiden Angeklagten und begreife
nicht, wie irgend ein Esel auf die Idee kom-
men konnte, sie vor Gericht zu zitieren.
Verteidiger: Ich bitte den Herrn Vor-
sitzenden, mich vor dem Anklagevertreter zu
schützen. Er hat mir meine schöne Verteidi-
gungsrede weggenommen und sie selber gehal-
ten. Das ist unlauterer Wettbewerb!
Angeklagter Oberst v. Reuter (mitlauter
und fester Stimme): Ich bin preußischer Offizier
unv tue meine Pflicht. Recht und Gesetze sind
mir Schnuppe, Pomade, Piepe und Wurscht.
Und so ersuche ich den Gerichtshof energisch,
bei seiner Urteilsfindung meines alten Wahl-
spruchs eingedenk zu sein: „Hier hört alle
Jurisprudenz auf!"
Sämtliche Anwesende erheben sich von ihren Plätzen.
Der Gerichtshof (verkündet einstimmig fol-
gendes UrteU): Oberst v. Reuter Hurra, Hurra,
Hurra! Justinian.
Kamerad Schad.
Elsässer Volkslied.
Ich bin der Kam'rad Schad — äbä —
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Der schnai'jste Leutnant der Armee,
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Ich zähle zweiundzwanzig Jahre
And auf der Lippe dreizehn Laare,
Bin ein Verächter aller Wackes
And sonst'gen Zivilistenpackcs,
Leg' echten preuß'schen Kriegersinn
And weiß, was ich mir schuldig bin!
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
And wer bei meinem Anblick lacht —
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Der wird zur Strecke flugs gebracht —
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Mit scharfer Munition und Wonne
Führt' ich zum Sturme die Kolonne,
Die Leldenbrust voll Lochgesühlen,
Ließ ich auf Zaberns Bürger zielen.
Doch leider kam ich nicht zum Zweck:
Der feige Pöbel lief mir weg!
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Ich bin der Kam'rad Schad — äbä —
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Der schnai'jste Leutnant der Armee,
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Ganz kolossal ist, was ich leiste.
Beseelt von echtem Preußengeiste,
Darum gebührt in Preußens Leere
Mir auch die glänzendste Karriere.
Darüber herrscht ein Arteii nur
Von Dämelshausen bis Langfuhr —
Bridibumbumbum, bridibumbumbum!
Phili.
 
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