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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0062
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8234

August Bebel.
Als treuer Wärter standst du an der Wiege
Der neugebornen, winzigen Partei,
Du schafftest Wehr und Waffen ihr herbei.
Daß die erwachsende nicht unterliege
Den heißen Stürmen ihrer ersten Kriege.
Als Feldherr führtest du, furchtlos und treu.
Sie gegen Anrecht, Lug und Tyrannei
Von Kamps zu Kampfe und von Sieg zu Siege.
Der Zukunft sicher, schiedst du aus dem Leben,
Vom Ruhm gekrönt, verfolgt von Haß und Neid.
Kein prunkend Denkmal wird sich dir erheben.
Jedoch das Volk, das dankbare, verleiht
Den höchsten Preis dir, den es zu vergeben:
In seinem Herzen die Unsterblichkeit.

Freundschaftlicher Rat
an den Reichstagspräsidenten Johannes Kämpf.
Freund, beklage dich nicht weiter.
Du bekamst, was dir gebührt:
Wärst du hübsch zu Laus geblieben.
Wär' dir so was nicht passiert.
Wer sich in die höchsten Sphären
Mischt als unwillkomm'ner Gast,
Sei — das merk' dir, mein Johannes —
Auf dergleichen stets gefaßt.
Gunst und Angunst nahn und schwinden
Wechselnd hier im Zickzackschritt:
Gestern gab es einen Orden,
Leute gibt es einen Tritt.
Darum hör' auf meine Warnung
And befolge meinen Rat:
Widerstehe der Versuchung,
Wenn sie lockend dir sich naht.
Lalte künftig fern vom Trubel
Dich des höfischen Geprängs,
Laß den Frack in der Kommode
And im Spind die Escarpins.
Eine Freiheitsmärtyr'krone
Werden dann die Freunde weihn
Deinem „Stolz vor Königsthronen"
Abends im Bezirksverein. Lehmann.

Im Lande der Ritter.
Der „Ritter" Henning von Bülow wurde wegen Maje-
stärsbeieidigung verklagt, die er gegen den Großherzog
von Mecklenburg wegen dessen Verfassungsankrags
verübt hak.
Der Ritter Henning v. Bülow,
Der hat ein bißchen frondiert:
Es brachte ihn halt die Verfassung
Ein bißchen aus der — Verfassung.
Nun wird er justifiziert.
Eines Junkers Rede ist strafbar
Wie die eines Bürgectropfs?
Wenn dieser Frevel geschähe.
Welch Ritter bliebe noch—wehe! —
Im Lande des Schsenkopfs?


Faschings-Telesunken.
Iagow verbietet den Berliner Fasching, damit das Herren-
haus nicht zuviel Konkurrenz hat.
Kardinal Kopp ernennt sich zum deutschen Papst. Gies-
berts wird Kommandant seiner Schweizergarde. Lrzberger-
Nudeln werden als Fastenspeise dekretiert.
Wilson feiert das Jubiläum seines sünfundzwanzigsten
Ultimatums an die Mexikaner.
Oberst v. Reuter beschwert sich, daß ihm die elsässischen
Lisenbahnbeamten bei seiner Ubreise nicht die Stiefel geküßt
haben. Der Minister sagt strengste Bestrafung seiner Be-
amten zu.
Der Kronprinz besucht eine Operette und entdeckt dabei
seine in Danzig begrabene Iugend.
Herzog Ernst Uugust sagt angesichts der Braunschweiger
Straßendemonstrationen, nach berühmtem Muster: „Bitte,
weniger Volk!"
In Berlin wird ein Polizeihund erschossen, weil er seinen
eigenen Herrn als Mörder des Urbeiters Hermann verbellte
und so in einen „Ztaatshoheitsakt" eingriff.
Die Ult-Nationalliberalen spalten sich in Mittelalter-
Nationalliberale und Uralt-Nationalliberale und errichten
einen Ultersgerichtshof für Parteifreunde, die noch liberal
sind.
Um die Nuswanderung der Berliner Millionäre zu ver-
hüten, beschließt der Berliner Magistrat, sie von allen Steuern
zu befreien.
Deutschland stellt nun doch in San Franzisko aus. Es zeigt
dort ein ostelbisches Volksschulhaus, einige Polizeimaulkörbe,
ein Gefängnis voller Preßsünder und ein Bündel halbunleser-
licher, aber immer noch gültiger Kabincttsorders.
Leutnant v. Forstner entzieht sich, bescheiden wie er ist,
allen weiteren kriegsgerichtlichen Ovationen und tritt zur
Fremdenlegion über.
Um Uschermittwoch findet auf dem Kreuzberg der Rütli-
schwur der echtpreußischen Leute statt. Man hört deutlich die
patriotische Mahnung: „Sind uneinig — uneinig — uneinig!"

Im Schatten des Verhängnisses.
„Weshalb sind Sie so ärgerlich, Hochwürden?"
„Ach, mir geht der heillose Parteikrach durch den
Kopf und spult mir jetzt sogar schon bis ins .Vater-
unser' hinein!"
„Wieso...?"
„Na, sobald ich nicht scharf aus mich acht gebe,
entgleise ich jedesmal mitten im Text zu der Bitte:
,Unsern täglichen Krach gib uns heute!'"

Ulltagsfasching.
Sagt, was brauchen Fasching wir,
wo in deutschen Landen
Tag für Tag zur Heiterkeit
Soviel Stoff vorhanden?
Macht man nur die klugen auf,
3iehn auf allen wegen
Lunte Fastnachtsnarren uns
HaufenwcW entgegen.
Schau, verehrtes Publikum,
Ruf die lust'gen Taten
Unsrer gottgesegneten
Stolzen Diplomaten!
Siehe, wie im Preußenbund
Tapfre Männer tagen
Und Gen'räle mit dem Maul
Mut'ge Schlachten schlagen!
Schallt aus tiefster Seele nicht
Herzlich dein Gelächter,
Wenn den Traugott Iagow du
Siehst als Tugendwächter?
Gegen Schmutz in Wort und Bild
Haust als Wüterich er,
Goethe und Praxiteles
Sind vor ihm nicht sicher!
Stimmen, deutscher Michel, dich
Nicht genügend heiter
Straßburgs Vberkriegsgericht,
Forstner, Schad und Reuter?
wenn dir Scherz und Fröhlichkeit
Noch nicht kommen sollten,
Nun, so blick' auf Theobald,
Unsern gottgewollten!
Doch die unvergleichlichste
Narrenposse geht an,
Hörst du dir im Reichstagshaus
Drtel oder Rreth an!
Rurz, was brauchen Fasching wir,
wo in deutschen Landen
Nlltags schon zur Heiterkeit
Soviel Stoff vorhanden? Krminius.
 
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