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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0094
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8266

Märzwind.

Es klingt ein Brausen in den Lüften;
Es ist halb Drohn und halb Gebet.
Wie Stimmen klingt's aus tiefen Klüften.
Der Märzwind weht.
Es ist in seinem Wehn und Stürmen
Ein Klang, der manchen schon verdroß:
Er rüttelt heftig an den Türmen
Vom Königsschloß.

Das Wutgekreische dunkler Käuze,
Den Märzwind kümmert's kein Atom.
Bedenklich wackeln selbst die Kreuze
Am heil'gen Dom.
In tiefen aufgerührten Wogen
Der Strom durch grüne Fluren rauscht.
Der Frühling kommt dahergezogen;
Die Menschheit lauscht.

Es klingt ein Brausen in den Lüften.
Es ist halb Drohn und halb Gebet.
Wie Mahnen klingt's aus Totengrüften.
Der Märzwind weht.

Ein Begräbnis.
Deutschlands und Europens Blicke
Richteten seit Monden schon
Teils mit Stolz sich teils mit Spannung
Auf die Zabern-Kommission,
Deren Männer ernst berieten.
Wie des Säbels Tyrannei
And der Soldateska Frechheit
Einhalt zu gebieten sei.
Nach gar vielen kühnen Reden
Larrte man der kühnen Tat —
Aber leider war's beschlossen
Anders in der Götter Rat:
Schmunzelnd zog die Reichsrcgierung
An der Nase sie herum.
And es fielen ihre Kämpen
Einer nach dem andern um.
Schließlich schnitt sie eigenhändig
Sich den Lebensfaden ab
And verschwand mit Wohlgerüchen
In ihr selbstgegrabnes Grab;
Anter Protokollen schläft sie.
And in ihren Leichenstein
Grub, um eine Äoffnung ärmer,
Michel diese Worte ein:
„Ruh' von der Blamagen Fülle
Jetzt dich aus und lebe wohl.
Du, des deutschen Bürgergeistes
Wahrstes Sinnbild und Symbol!
Keine Trauer weckt im Äerzen
Die Erinnerung an dich-
Aber in der Magengegend
Regt ein linder Brechreiz sich." Arminius.
Die Ankunft.
Von Filucius.
Der neue König kam an.
Das heißt: eigentlich war er kein „König"
und auch kein „Fürst". Die Völker dort nannten
ihn einfach „Mbret". Und unter dieser klang-
vollen Bezeichnung verstanden sie so etwas
wie Imperator, wie allmächtiger Herrscher.
Der neue König blickte vom Verdeck seiner
Dacht mißtrauisch auf die neue Hauptstadt.
Als das Boot ihn ans Land gebracht hatte,
stürmte eine Schar bunt und nicht ganz reinlich
gekleideter Männer auf ihn zu.
„Ist denn hier immer noch Fasching?" fragte
der König.
„Es sind die Nationalkostüme," Majestät.
„Das dort sind Miriditen, dies Malissorcn,
jenes Skipcdaren oder Arnauten —"

Er kam nicht weiter, denn die ganze Gesell-
schaft umringte den „Mbret", ihm die schmutzi-
gen Hände reichend und auf die königliche
Schulter klopfend.
Empört fuhr er zurück: „Ist denn hier keine
Polizei, die einem die Bande vom Leibe hält?"
„Wir sind hier nicht in Deutschland, Maje-
stät! Dazu werden wir noch viel Zeit brauchen."
„Aber man hat mir doch gesagt, daß ich hier
der allmächtige Herrscher bin?"
„Das sind Majestät auch," beruhigte der
Höfling. „Und Sie werden es auch bald
merken."
Aus der Mitte der bunten Schar löste sich
eine Gruppe los, die eine Deputation zu sein
schien. Ein Greis trat vor und fragte, wann
denn nun das viele Geld verteilt würde, das
— wie sie wohl wüßten — der König für
Albanien mitbekommen Hütte und wieviel auf
jeden einzelnen fiele. Ein anderer trat vor,
der nach den zehntausend Schafen fragte, die,
wie man gesagt hätte, ihnen vom Fürsten ge-
schenkt würden.
Derneue König sagte ihnen einige unliebens-
würdige Worte, die sie aber glücklicherweise
nicht verstanden; denn er beherrschte die Sprache
seines „angestammten" Volkes nur recht un-
vollkommen. Aber ihr Murren verriet deut-


„Et is 'ne Jemeinheit, wie uns der Präsident schuh-
riegclt!"
„Herrjolt, wenn wir den mal als Zivilisten uff't
Revier hätten!"

lich, wie wenig sie von einem „Mbret" hiel-
ten, der weder Geld noch Schafe verschenkte.
Als der Herrscher im Schloß ankam, war
dort nur ein Zimmer fertig, und auch hier
roch es nach Tapetenkleister und frischem Kalk.
Der Oberhofmeister wußte seinen Herrn zu
beschwichtigen: „Die Leute sind so voll Sehn-
sucht nach ihrem Herrscher gewesen, daß sie
gar nicht zum Arbeiten fähig waren."
Um Mitternacht erhob sich ein gewaltiger
Lärm. Der König, den ohnehin die „Mitbe-
wohner" nicht recht hatten schlafen lassen, fuhr
entsetzt empor: er hörte wilde Stimmen und
Flintenknallen.
Der Oberhofmeister wollte ihm zwar ein-
reden, daß das nur eine Art Ovation sei, die
diese noch etwas unkultivierten Leute ihm dar-
brächten. Der Kammerdiener aber behauptete
etwas von Geld und Schafen zu hören.
Da fuhr der König in seinen Reiseanzug
und befahl, die Dacht zu Heizen.
Der Oberhofmeister gestand, daß sie „für
alle Fälle" noch immer unter Dampf läge.
„Golt sei Dank!" sagte der „Mbret" auf-
atmend. „Ich fahre direkt nach Preußen und
bewerbe mich um eine Landratsstelle: da bin
ich auch allmächtiger Herrscher, und die Leute
sind dort nicht so begehrlich wie hier!"
Der Oberhofmeister nickte mit verständnis-
vollem Schmunzeln.

Stegerwalds Zweiseelentheorie.
In dem großen Kölner Enzyklikaprozeß gegen zehn
sozialdemokratische Redakteure erklärte der General-
sekretär der Zentrumsgewerkschaften, Adam Steger-
wald, er habe die Interpretation der päpstlichen En-
zyklika von dem Beauftragten der deutschen Bischöfe
nicht als christlicher Gewerkschaftsführer, sondern nur
als Katholik entgegengenommen; als Gewerkschaftler
habe er auf die amtliche Publikation der Interpre-
tation gewartet.
Letzter Tage hatte Stegerwald nun einen gräß-
lichen Traum: Er war gestorben und stand im Hemd
an der Himmelspforte. Zwischen ihm und dem
Himmelspförtner, der ihn sofort erkannte, entspann
sich folgendes Gespräch: Petrus: Was willst du
hier, Stegerwald? Stegerwald: In den Himmel
möchte ich. Petrus: Du? Wieso denn? Sieger-
in ald: Ich war doch immer ein braver Katholik.
Petrus: Schon recht! Als Katholik kannst du ja
in den Himmel hinein, aber als interkonfessioneller
Gewerkschaftschrist mußt du an den Ort, wo immer-
fort Heulen unLMHneknirschen ist. Also scher dich
zum Teufel! Märsch, in die Hülle!
Sprach's und gab ihm eitlen fürchterlichen Fuß-
tritt. K.
 
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