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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0142
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8314

Ihr habt auf unfern Nacken einst
Den schweren Ritterschuh gefetzt;
Kn Salgen schuldlos uns geknüpft,
Für uns das Henkerbeil gewetzt.
Nein Haus, kein Herd war euch zu klein,
Ihr nahmt sie beutelüstern weg;
Oer Mönch ersann, mit euch im Pakt,
Uns Höllenqual und Folterschreck.
Leibeigen habt ihr uns gemacht,
Uns unterjocht zu harter Fron;
Such floß von unsrer Stirn der Schweiß,
Und unser Dank war Fluch, statt Lohn.
In Ställe habt ihr uns gepfercht,
Zu eng Und schlecht für euer Vieh;
Vie Sonne schien auf Lös und Gut:
Ihr aber raubtet uns auch sic!
Tr streifte keck, ein schlichter Held,
Vie Fesseln, die ihn drückten, ab;
3um Lichte stieg er kühn empor
Kus Zellenhaft und Nerkergrab.
Genug geduldet und geklagt,
Genug gelitten und gefront! —
Vie Zunge ward uns jäh gelöst,
Kn lange Schweigsamkeit gewohnt.

wie wetterleuchten flammt es fahl
Um eurer Burgen morsche Pracht;
Grell zuckt der Blitz, der Oonner grollt,
ver dumpf in die Paläste kracht.
Hei, wie der Sturm im deutschen Wald
Vie stärksten Sichen kräftig zaust! —
ver tapfre Sturmwind, das sind wir,
ver rauh in eure Gärten braust.
Mit spitzer Rede, höfisch glatt,
Schleicht nicht der tatbereite Mann,
wenn er den Feind vernichten will,
ven klug bewehrten Gegner an.
wie Sturmwind peitscht sein derbes Wort
vem Widersacher ins Gesicht!
Knklagend naht der proletar,
Doch länger unterwürfig nicht!
wir sprechen derb, wir sprechen klar,
wir sprechen von der Leber frei!
wir künden scharf und schonungslos
Nampf bis zum Tod der Tyrannei.
vor unsrer Sprache erznem Ton
Nommt ihre Feste noch zu Fall,
wie einst die Mauern Jerichos
Hinstürzten vom Posaunenschall! miq-i.

In tqrannos!
Ihr warst uns, wenn der Schwache wild
Kusbäumte sich, ins feuchte Loch;
Ihr übtet euer Herrenrecht
Km toten Leib des Sklaven noch:
Nein ehrlich Grab dem dreisten Nnecht,
ver eurer Willkür widersprach!
ver grübelnd sann, wie er den Zwang,
ver uns in Netten legte, brach!
So triebt ihr's frech jahrhundertlang;
Und wir, wir hielten knirschend still!
Ss war die Stille vor dcm Sturm,
ver sausend sich erheben will.
Und hui, er naht! Schon wirbelt Staub
Smpor in die Gewitterluft,
Vie Windsbraut jagt den Nehricht hoch,
Erfüllt von eklem Moderduft.

Mecklenburgisches Iunkerlied.
Weh! Der Umsturz droht und packt
Alle Welt beim tragen.
Selbst bei uns in Mecklenburg
Fängt eS an zu tagen!
Gegen alles Leilige
Lebt man frech die Tatzen:
Von Verfassung, Freiheit, Recht
Lör' ich ringsum schwatzen!
Aber während so bedrängt
Ans der Geist, der neue.
Regt im Reich des Ochseukopfs
Sich Vasallentreue:
Vorwärts, auf und in den Kampf,
Mecklenburgs Barone,
Gegen die Verfassungspest
Schützet Thron und Krone!
Doch dieweil voll Todesmut
Ich für diese streite,
Sehe Krone ich und Thron
Auf des Umsturz Seite!
Weh, am heil'gen Ochsenkops
Wurden zum Verräter
Selbst das Ministerium
And die Landesväter!
Nasch entschlossen muß ich jetzt
Andre Phrasen drechseln
Und mit unbefang'nem Mut
Front und Schlachtruf wechseln:
Vorwärts, heißt's nun, in den Kampf,
Mecklenburgs Barone,
Unfern heil'gen Geldsack schützt
Gegen Thron und Krone! Sulla.
Militärische Beleidigungen
und Mißhandlungen.
Dor kurzem befahl bekanntlich ein Sergeant des
Königin-Augusta-Regiments einem Soldaten, sich auf
die Erde zu legen und aus den, Spllcknaps zu trinken.
Als der Hauptmann gefragt wurde, weshalb er den
Fall nicht sofort geweidet habe, gab er zur Antwort:
Es sei ihm nicht klar gewesen, ob in dem
Zwang zum Trinken aus dein Spucknapf
eine Mißhandlung zu erblicken sei.

Diese Antwort wirst zweifelsohne ein sympathi-
sches Licht aus die schlichten Lebcnsgewohnhciteu dieses
Gardeoffiziers, der jedenfalls keinen Anstoß daran
nehmen wurde, wenn ihm ein Vorgesetzter statt eines
Glases Sekt einen gefüllten Spucknapf zur Erfrischung
kredenzte. Indessen kann eine allzuweit getriebene
Anspruchslosigkeit doch leicht unangenehme dienstliche
Folgen haben, wie es auch der genannte Hauptmann
zu seinem Schaden erfahren mußte, als ihn das Ge-
richt wegen der unterlassenen Meldung ans drei
Wochen in Stubenarrest steckte. Es dürste sich daher
empfehlen, den beim Militär herrschenden Unklar-
heiten über den Begriff der Beleidigung und Miß-
handlung durch unzweideutige Instruktionen in Zu-
kunft cnlgegcnznarbeiten, und wir gestatten uns, zu
diesem Zweck die nachstehenden kurzen Lehrsätze da-
für gehorsamst zur Verfügung zu stellen.
Z 1. Alle Bezeichnungen ans dem Bereich der
Zoologie, soweit sie einen rein wissenschaftlichen Cha-
rakter tragen, wie Schaf, Schwein, Ochse, Esel, Affe,
Kamel, Rhinozeros nsw , oder symbolisch-allegorisch
gemeint sind, wie Schweinehund, Mondkalb, Hunds-
fott, Schweinigel, Mistvich nsw., gelten nicht als
Beleidigungen. Ebensowenig darf denjenigen Aus-
drücken, die lediglich gewisse lokale, nationale oder
soziale Eigentümlichkeiten des Untergebenen hervor-
heben wollen, wie Bowke, Wackes, Bauernrammel,
Judenlümmel, eine irgendwie kränkende Nebenbedeu-
tung unterlegt werden.
Z 2. Backpfeifen, Genickfänge, Reißen an den
Ohren beziehungsweise Haaren, Fanstschläge auf das
Nasenbein, in die Zähne oder unter das Kinn, leich-
teres Würgen am Halse, Fußtritte oder Säbelstöße
in dieÄniekehlen, gegcnBauch und Schienbeine gelten
im allgemeinen nicht als Mißhandlungen, und die
betreffenden Mannschaften sind daher verpflichtet,
bei Gerichtsverhandlungen die absolute Schmerz-
losigkeit dieser Manipulationen eidlich zu bestätigen.
Z 3. Nur wenn durch derartige dienstliche Hilss-
griffe direkt nachweisbare körperliche Schädigungen
das heißt Verlust von mindestens fünf nachweis-
lich gesunden Backzähnen, mehr als zweier Ohr-
muscheln, völlige Zertrümmerung des Nasenbeins,
komplizierter Arm-, Bein-, Genick- oder Wirbel-
säulenbrnch, Heranstreten der Bancheingeweide
verursacht worden sind, dürfen Mißhandlungen im
militärischen Sinne konstatiert werden. Doch sind
auch hier regelmäßig und gruudsätzlich sogenannte
„minder schwere Fälle" anzunchmcn.
ß 4. Sollten die Mißhandlungen einen tödlichen
Ausgang haben, so liegt entweder eine bedauerliche
krankhafte Veranlagung oder eine böswillige Simu-
lation des verstorbenen Untergebenen vor.

Z 5. Kommen die in den vorstehenden Paragraphen
aufgesührtcn wörtlichen oder tätlichen Maßnahmen
gegenüber einem Zivilisten zur Anwendung, so kann
cs sich ans feiten der ausübenden Militärperson prin-
zipiell niemals um Beleidigungen oder Mißhand-
lungen, sondern immer nur um Akte der Putativ-
notwehr handeln. Armtnius.

Glosse.

Eine Machtprobe für Jagow deir Eisernen: For-
dern Sic doch mal das Mitgliederverzeichnis der
Reich sregicrnng ein, Exzellenz..., die ist genau
genommen auch ein „politischer Verein" und tut bloß
so, als wäre sie ein harmloses Kaffeekränzchen!

ES ES

Lieberts Warnung.
Wenn du dich je betät'gen willst
Als Neichstagskandidat,
Mein Sohn, so höre auf mein Wort
Und folge meinem Rat;
Denn datz du national gesinnt.
Genügt oft nicht allein.
Du mutzt daneben auch gewandt
Und voller Schlauheit sein.
Dcm Wähler, der dich wählen soll.
Schmier' Honig um den Mund,
Und nenne, eh' die Wahl vorbei.
Ihn niemals: krummer Hund!
Verschließ dein Urteil über ihn
Tief in des Herzens Schrein,
Mag er auch ein kompletter Lump
Und Riesendämlack sein.
Bedenke stets und überall:
Der Feind ist in der Näh',
Und nimm besonders dich in Acht
Im Eisenbahncoupe:
Mit guten Freunden plauderst du
Höchst unbefangen dort —
Doch nebenan sitzt Ritzschke und
Notiert sich jedes Wort!
Dem Wähler kommt's zu Shren dann
Und blutig zahlt er's heim:
Dein Wahltag naht, und sieh, cs kriecht
Kein Gimpel auf den Leim!
Drum wack'rer, kluger, teutscher Mann,
Bcherz'ge deine Pflicht,
Und zeige stets erst nach der Wahl
Dein wahres Angesicht! Sokrates.
 
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