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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0174
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8346

Mraus, jahrein, von früh bis spät,
Äie rackern wir uns ab,
Vie Herrschaft MU geringen Lohn,
Vas bare Kelä ist knapp;
voch kommt einmal äie schöne ^eit
ver Keichstagswahl heran,
vann fängt allorts in Dorf unä 8taät
6in lust'ges Leben an.

wetzlau Laviau.
von alters her konservativ
lst unser braver Kreis,
Unä jecter (vähler königstreu
vom Zcheitel bis ^um bteiss;
Dem Ludwig Ivassow schenken wir
vertrauen gern unä Kunst —
voch tut in (Vehlau-Labiau
Man so was nicht umsunst.

ver Luäwig unä sein Komitee
Vie haben Kelä wie Heu,
Vas Markstück rollt, äer Laler springt
vnä hier unä 8chnaps sinä frei,
keim Lehrer hreuer Messt äer Krog
vnä bchustermeister Klein
bekam, weil er äen Massow wählt,
8ogar ein fettes Zchwein!

80 herrschte?reuä' unä Überfluss
ln unserm stillen Lai,
vnä mancher wuräe nüchtern erst
vcht Lage nach äer Mahl;
voch kaum sass unser Luäewig
Im hohen Keichstagshaus,
80 möcht' äie Prüfungskommission
Ihn werken schleunigst 'raus.

Menn er äann heim ?u Muttern kommt,
vann ist äie Treuäe gross,
begeistert rutt äer ganre Kreis:
„Zet?t geht es wieder los!
ver Laler blinkt, es lockt das vier,
verheissend grunrtt äie 8au —
dich, wär' doch ewig Keichstagswahl
In Mehlau-Labiau!" sun-.

Der Aufsichtsrat.
In Berlin gibt es Finanzlcute, die mehr als 30 Auf-
sichtsratsstellen innehaben und fllr diese Sinekuren
Iahresgehiiltcr von KÜOVÜV Mark beziehen.
Ich bin ganz ohne Frage
Ein wicht'ger Mann im Staat,
Bei dreißig Unternehmen
Sitz' ich im Aufsichtsrat,
Und was das will besagen.
Darüber weiß Bescheid
Nur der, der selbst sich je versucht
In solcher Tätigkeit.
Schon morgens gegen Elfe
Erheb' ich sorgenvoll
Mich aus dem Bett, erwägend.
Was ich frühstücken soll.
Wo ich die Zeit verbringe
Am langen Nachmittag,
Und wie den Abend und die Nacht
Ich um die Ohren schlag'.
Verzehren und verjuxen
Mit Eleganz und Schneid
Pro Jahr sechshundert Mille
Ist keine Kleinigkeit:
Die Nerven gehn zum Teufel,
Es flieht der Schlaf mein Bett,
Der Magen streikt, die Leber schwillt.
Das L>erz erstickt im Fett.
Trotz aller dieser Leiden
Erfüll' ich meine Pflicht
Als Patriot und Bürger
Und räsonniere nicht;
Den Nörglern und den Wühlern
Bleib' ich grundsätzlich fern.
Des Staates Ordnung stütze ich
Und glaub' an Gott den Herrn.
Du aber gehe in dich.
Du Proletariat,
And nimm dir ein Exempel
An mir, dem Aufsichtsrat,
And lerne, wie im Leiden
Man Gottvertrauen hegt
And alles Elend dieser Welt
Mit freud'gem Kerzen trägt! Armmius.
Schottisch.
„Ede, wat memst'e, wat für 'uc Farbe raus kommt,
wenn 'n Gelber 'neu Noten anschwärzt, det er
'n Grünen Donnerstag blau gemacht hat?"

Pfingstlmzeigen.

Spaziergänger Deutschlands!
Verseht euch mit Heftpflaster: „Jung deut sch-
lank" übt Feldgottesdienst!
Weltrekord!
Die Krone des Lustsports ist ein
Ausflug zu Pfingsten
Per Kugelballon in das heilige Rußland. Heim-
kehr um Ostern oder sogar noch spater!
Um Irrtümern vorzubeugen, teile ich mit, daß
Vertagung, nicht Schluß
der Sozialpolitik von uns beabsichtigt ist.
Selbstverständlich wird das Reich aber Für-
sorge treffen, daß auch während der Pause sein
berühmtes vegetarisches Spcisehaus
„Zur vollen Kompottschüssel"
ganz im bisherigen Stil weitergeführt wird!
Staatssekretär Delbrück.

Richard Wagner
im Waschhaus-Wolken-Walhall.

„Weh! Wie widerwärtig die Wäsche in Wahnfricd!"


Ein gefährlicher Buchstabe.
Ede: Also wat der Professor Roethe is, der kann
de drei „P"s nich verknusen: nämlich Parlament,
Publikum un Presse.
Lude: Det kann ick seine edle Seele nachfühlen:
in det Parlament kommt er nich rin, det Publikum
kommt in seine Vorlesungen nich„rin, un in de
Presse kommen seine jeistreichen Äußerungen rin,
aber mit peinliche Randbemerkungen.
Ede: Aber ick weeß noch drei „P"s, die Ville
eklijer sind wie Roethen seine.
Lude: Hm?
Ede: Ick meene: de poplije Jesinnung von jewisse
Preißesche Professoren.
Lude: Da dersste aber beileibe keene Namen nich
nennen, sonst bringt dir der Staatsanwalt in 'ne
peinliche Patsche, un det is keen Pappenstiel!
Ede: Na nu Heer' aber uff, verstehste! Lehmann.

Hier wie dort!
Tröstet euch, vuallaleute,
Daß man euch expropriieret,
Da im schönen Mutterlande
Uns dergleichen auch passierst.
Denn es hat ein alter Dichter
Uns vorzeiten schon beschrieben,
wie in unserm deutschen Lande
Noch der schöne Brauch geblieben,
Daß, wer viel hat, wird zu diesem
Sicher noch viel mehr bekommen,
Und wer wenig hat, dem wird auch
Dieses wen'ge noch genommen.
Und bedenkt: im Deutschen Reiche
Gibt's zwar viele schöne Sachen,
voch mit dem Gerichtsvollzieher
Rann man keine Späße machen.
Dieser kann euch alles nehmen,
Ist er nur autorisieret
vom Gericht mit einem Urtel,
Nus daß er »xekutieret.
Menn er will, kann er euch pfänden
Vie Matratze unterm Hintern,
Und es wird sich niemand finden,
Solche Leiden euch zu lindern.
Zivilisation - Rultur — wird
Hier wie drüben diskutieret,
Doch auf beiden Hemisphären
wird dazu expropriieret. h.L.
 
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