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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0222
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8394

Frankreich unä Veuischlanä.

Liek seufzend spricht cler gute wichet:
„6s ist dock wirklich unerkört,
wie ärüben im 5ranrosenlande
Wit cien winistern man verfährt;
8oba!d sie unbrauchbar sich reigen,
wacht kurzerhand das Parlament
Dem wirken der erhabnen Zpitren
Und ihrer Herrlichkeit ein 6nd'.
„erhalte, grosser Herr im Himmel,
Uns das geduld'ge Naturell,
erhalt' uns die Uermanentreue,
Vie Demut und das dicke ?ell!" -

„Und wagt er jemals sich ru mucksen,
5o hat das weiter keinen ^weck:
es schob des deutschen Volkes Wille
Doch nie ein winisterium weg;
lm Gegenteil, der Wenge wurren
Ist der Karriere förderlich:
mehr man sich unmöglich machte,
^le gottgewollter fühlt man sich!
5o sprach der gute fromme Wichel,
Stiess einen Seufer noch hervor,
griff gähnend nach der Zipfelmütze
Und legt befriedigt sich aufs Ohr. r-dm-nn.

„6s findet sich in jenem Lande
von wahrer Ehrfurcht keine Spur,
Und rauher sind des Volkes Sitten
Ws in Kermaniens frommer?Iur;
Hier darf sich der Minister leisten,
was immer er sich leisten will —
Der Untertan verharrt in Demut
Und beugt den Nacken tief und still.


Hundstags-Telefunkeu.
Die bayerische Reichsratskammer bewilligt eine Unter-
stützung für die arbeitslosen — Reichsräte.
In Berlin wird das neuangekaufte Bild von van der
Goes für unzüchtig erklärt, weil die heiligen drei Könige
darauf die köpfe „entblößt" haben.
Vie französischen Minister beantragen für sich selber eine
dreijährige Dienstzeit.
Mehrere englische Suffragetten werden von einem „Schlag-
anfall" betroffen. Drei Redakteure kommen mit einem blauen
Rüge davon.
Die Lage von Vurazzo ist stets dieselbe! Ls liegt noch
immer am Adriatischen Meer zwischen Montenegro und
Griechenland....
Vie deutschen Finanzminister wallfahrten nach Lourdes,
um ihre kranken Finanzen zu heilen.
Vie Ostsee wird von Herrn Goldhaber aus Tirschtiegel
aufgekauft. Alle Häfen müssen geschlossen werden, da Herr
Goldhaber ein Befahren seines Terrains verbietet.
Vie Verhandlungen des Herrenhauses dürfen nicht mehr
stattfinden, da eine zu hohe Lustbarkeitssteuer dafür an-
gesetzt ist.
Der Abgeordnete Liebknecht, der Grdensjägerschreck, soll
im Gnadenweg hingerichtet werden.
Huerta wird Ehrenvorsitzender des Vereins kleben-bleiben-
der Staatenlenker.
Erzberger legt sich das Gelübde ewigen Schweigens auf
und gründet in Biberach ein Trappistenkloster.
Der albanische Krieg geht immer noch weiter, da die
Kinounternehmer dort mit ihren Aufnahmen noch nicht fertig
sind.
Deutschland annektiert den Südpol. Durch die hiermit
erzielte Verbilligung des Lises für die Sektkühler der Gffi-
zierkasinos hofft man den nächsten Militäretat bedeutend
ermäßigen zu können.
Der andauernde Sommerregen „verwischt" mehr und mehr
die bisherigen Unterschiede zwischen Schwarz, Blau und
violett: die Sammelpolitik dürfte daher im Herbst reiche
Früchte zeitigen.

Im preußischen Herrenhaus
sollen sofort nach dem Wiederbeginn seiner Tagung
folgende Interpellationen eingebracht werden:
1. Ist dein Herrn Ministerpräsidenten bekannt,
daß es noch immer Land in Preußen gibt, das zu
keinem Fideikouuniß gehört? lind was gedenkt er
gegen diesen ungesunden Zustand zu tun?
2. Ist dem Herrn Ministerpräsidenten bekannt,
daß in Berlin die Sozialdemokraten frei Herum-
laufen? Und wozu sind denn die Gefängnisse da?
3. Ist dem Herrn Ministerpräsidenten bekannt,
daß bei Reichstagswahlen, selbst da, wo Adelige
zur Wahl stehen, die Majorität entscheidet? Und
wie gedenkt er, die Edelsten der Nation gegen solche
Vergewaltigung zu schützen?
4. Ist dem Herrn Ministerpräsidenten bekannt,
daß an der königlichen Hoftafel neulich wieder ein
jüdischer Bankier gesessen hat? Und wie gedenkt er,
den Untergang Preußens zu verhindern?

Ferienstimmung.
Ein Necken, Gähnen fern und nah:
Die große Ferienzeit ist da!
Süß schlafend schnarcht das Vaterland
And Bethmann brütet überm Kant.
Kein Parlament, kein Musenstall
Ist offen. Schweigen überall.
Auch Schrumpf, der jüngst noch aufgctrumpft.
Ist völlig in sich einge—schrumpft!
Der Lerr Lokalblatt-Redakteur
Saugt jetzt aus seinen Fingern her.
Womit er seine Spalten füllt
And seiner Leser Neugier stillt.
Jetzt ist die schöne Zeit genaht.
Wo man von manchem Attentat
And von Verschwörern fabeln kann —
Wie gruselt's da den Biedermann!
Die alte Seeschlange ward — rot!
Man schlägt sie täglich dreimal tot.
Katzbuckelnd vor der Obrigkeit —
S schöne Sauregurkenzeit!

Der abgeblihte Richter.
Ein vollkommen unschuldiger Zeuge stand vor
Gericht. Der Vorsitzende fragte ihn barsch nach seinen
Personalien. Vor- und Zunamen hatte der Zeuge
bereits angegeben, ebenso sein Alter. Als er das
Alter und die sonstigen Personalien seiner Eltern
angebcn sollte, stockte er ein wenig.
Der Richter fuhr ihn an: „So etwas muß doch
jeder Mensch wissen!"
Der Zeuge begann zu schwitzen. Der Richter
fragte weiter: „Sind Sie verheiratet?"
„Ja, Herr Präsident!"
„Mit wem?"
„Mit meiner Frau!"
Der Vorsitzende runzelte die Stirne. Dann herrschte
er den Zeugen an: „Geben Sie doch nicht so dumme
Antworten! Gibt es denn jemanden, der mit einem
Manne verheiratet ist?"
„Gewiß, Herr Präsident," antwortete der Zeuge.
Der Herr Präsident lehnte sich in seinen Sessel
zurück und blickte voll Würde auf den Zeugen herab:
„Wollen Sie uns zum Narren halten oder sind Sie
nicht normal — wer soll denn das sein?"
„Meine Schwester, Herr Präsident," sagte ruhig
der Zeuge.
Das Publikum begann zu kichern, sogar der Ge-
richtsschreibcr mußte sich heftig schneuzen.
Der Präsident aber blickte zornig umher und schrie:
„Ich werde den Saal räumen lassen, wenn da hinten
noch einmal gelacht wird!" So.

Zweifel.
In Österreich steigt der Prozentsatz der Analpha-
beten von 6 bis 73 Prozent, steigend mit dem Ein-
fluß des Klerus in den einzelnen Provinzen.
Die Statistiker sind jetzt von heftigen Zweifeln
geplagt: ist eigentlich ein Volk je klerikaler, desto
dümmer, oder je dümmer, desto klerikaler?

Ansittlich.
Ortsv orsteher (in der Gemeinderatzsitzung:) Der
neue Lehrer neigt entschieden zur Unsittlichkcit. Er
ist erst acht Tage hier, und schon fordert er eine—
Badewanne.

Bekanntmachung.

Staöionüerbürgerlichen Einigung.
Programm der bevorstehenden Festspiele.
1. Damenwettrennen
des nationalliberalen Angsthasen mit dem
Swinegelpärchen des Schnapsblocks.
2. Allegorisches Speerwerfen
mit der Wurst des Programms nach dem Schin-
ken der seligen Hoffnung.
3. Damen-Ningkampf
der Parteien des gesamten Blocks von Heyde-
brand bis Wassermann.
4. Derby der Hunde!
Liste der voraussichtlichen Starter:
a. „Haltesest", der Hund, aus den man gekom-
men ist. (Im Wettmarkt heißer Favorit!)
b. „Jeremias II.", der Hund, den 's nun bald
jammert.
e. „Kriegebald", der Hund, bei dem der Knüp-
pel liegt.
ä. „Block V", der sogenannte „bunte" Hund.
s. „Mohrchen", das fidele Pudelvieh aus dem
Stall Bülow.
s. „Treuo", der begossene Vorstehhund von
1912 aus dem Stall Bethmann Hollweg.
8. „Sokrates", der Hund, den 's Hinterm
Öfen nicht mehr heranslockt. (Zweifelhafter
Starter!)
5. Sozialpolitisches Diskuswerfen
mit kaiserlich deutschen Zweimarkstücken.
6. Byzantinisches Radrennen
der drei größten Parkett-Athleten des Blocks.
(Man beachte ihre meisterhafte Technik des
gleichzeitigen Tretens nach Unten und Katz-
buckelns nach Oben!)
7. Wettschwimmen im Mittelbassin:
Kapitalistisches Mustcrsümpschen!
Schluß der Vorstellung.
 
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