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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0238
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8410

Die mißglückte Jagd.

Er winkte sich den Staatsanwalt:
„Heran, getreuer Unecht,
Und fange mir die Rosa ein
Geschickt und kunstgerecht,
Die Rosa, die mich oft gekränkt,
Mich und mein tapfres Heer -
Daß ich sie haue mit dem Schwert
Und spieße auf den Speer!"

„Zahllos ist meine Häscherschar,"
Rief der getreue Sklav',
„Und in dem deutschen Strafgesetz
Steckt mancher Paragraph!
Ich ruhe und ich raste nicht,
Vis ich das Mild gestellt,
Und bis die Rosa deinem Schwert
Und Speer zum Opfer fällt!"

Das war der Ritter Falkenhapn,
Der jagt durch Vusch und Dorn
Und tutet ohne Unterlaß
Wohl in sein Waidmannshorn;
Raum hat in der Remontenhatz
Er sich mit Ruhm bedeckt,
So sucht' und fand er auch bereits
Lin neues Iagdobjekt.
Doch als die Rosa er erwischt,
Da zeigt' sich's Klipp und klar,
Daß dieses vielgejagte Wild
Dem Jäger über war!
„Beschütz dich Gott, mein edler Herr!
Uns winkt kein Waidmannsglück!
Hol' ich zu einem Hiebe aus,
Zahlt hundert sie zurück!

„Schon ist mein Leder windelweich,
Und schlimm'res droht mir noch -
Drum schlüpfe ich, was kann da sein,
Flugs in dies Mauseloch!
Mach' es wie ich, und folg' mir nach,
Mein tapf'rer Falkenhapn-
Und laß dich nie und nimmermehr
Mit dieser Rosa ein!" phm.

Ein Jubiläum.
Stimmt die Laute Heller heut.
Feiert diesen Tag bei Drefsel:
Bethmann sitzt fünf Jahre heut
Auf des Reiches Kanzlersessel!
Mit Beschwörer-Worten hat
Er von „Sammlung" stets gestammelt.
Und er hat auch jederzeit
Alle — Roten prompt gesammelt.
Zollet seinem Werke Lob!
Für die Massen-Wehrvorlage
And die große Zabern-Zeit
Dankt dem Edlen alle Tage!
Unser Leer ward populär
Kolossal auf diese Weise —
Durch den täglichen Prozeß
Fesselt's immer weit're Kreise.
Staunend denkt der Untertan,
Lalb mit Weinen, halb mit Lachen:
Wieviel Fehler kann man doch
In fünf kurzen Jahren machen!

Die Kulturgemeinschaft.
In dem Bureau der Maschinenfabrik war
es ganz still. Die Sonne schien fröhlich über
die grünen Tische, über die weißen Bogen, die
von emsigen Federn mit Wort- und Zahlen-
reihen bedeckt wurden.
Plötzlich kam Leben in das Ganze. Der Vor-
stand, ein richtiger Regierungsbaumeister, kam
mit einem Zeitungs-Extrablatt herein.
„Meine Herren," sagte er, „einen Augenblick,
bitte!"
Alle Federn ruhten augenblicklich. Man war
über die Störung offenbar gar nicht sehr un-
gehalten.
„Meine Herren, es ist etwas Furchtbares
und Grauenhaftes passiert!" Und er las von
einem Attentat, dem im Nachbarreiche der
Thronfolger mit seiner Gemahlin zum Opfer
gefallen sei. Seine Stimme bebte vor Entrüstung
und seine Augen blitzten.
„Sollte man so etwas wohl für möglich hallen,
meine Herren? Und ist für solche feigen Ver-
brecher wohl die Todesstrafe genügend?"

„So feige ist der am Ende gar nicht gewesen,
wo er doch sein eigenes Leben in die Schanze
schlug, wenn auch für etwas Verrücktes", sagte
der junge Ingenieur.
Aber seins Worte wurden völlig überhört.
Der Sturm des Unwillens tobte zu stark. Einige
schlugen ausgesuchte Martern vor, andere
schwärmten für die Knute. Sie entwickelten
eine respektable Phantasie bei der Idee, wie
man am nachhaltigsten solch ein Vergehen be-
strafen könnte.
„Denn bedenken Sie, meine Herren," begann
wieder der Regierungsbaumeister, „welch un-
ermeßliches Unglück dadurch über die arme
Familie gekommen ist. Man muß sich nur
einmal recht den Schmerz und den Kummer
ausmalen, den die Hinterbliebenen empfanden,
als die nächsten Familienglieder ihnen jäh-
lings entrissen wurden. Gibt es wohl etwas
Schrecklicheres und Grauenhafteres?" Er sprach
salbungsvoll wie ein Pastor.
Die Wirkung war denn mich groß. Alle
schüttelten ihm die Hände und gestanden zu,
daß sie nie etwas so Grausiges für möglich
gehalten oder gar erlebt hätten.
Da ertönte in die Stille der Rührung -
diesmal laut und vernehmlich die Stimme
des jungen Ingenieurs hinein: „Sie tun ja
gerade so, als ob Sie bei dem Attentat Ihre
eigenen Verwandten verloren hätten."
Alle fielen über ihn her. Es fehlte nicht
viel, dann hätte er die dem Attentäter zuge-
dachten Prügel empfangen.
Der Oberingenieur aber, entsetzt über so viel
Roheit, sprach lange von der Kulturgemein-
schast der Völker, die ein so hervorragendes
Merkmal unserer humanen christlichen Zeit sei.
Die Mittagsglocke tönte.
Alles stürmte hinaus in die Kantine. Auf
dem Hof stand eine Frau. Ihr Gesicht war
mager und voll Falten, so daß man nur schwer
ihr Alter hätte bestimmen können. Ihr Rücken
war gebeugt wie unter einer großen drücken-
den Last. Ihre Augen waren glanzlos.
„Ist die verrückle Person wieder da?" fragte
der Oberingenieur.
Der Kassierer zuckte die Achseln. „Sie ist
nicht ganz richtig im Kopf und bildet sich ein,

das Werk müsse ihr den Mann und das Kind
wiedergeben."
„Was ist mit ihr?"
„Sie hat vor vier Wochen an ein und dem-
selben Tage den Mann und den Sohn im Werk
verloren. Der Mann wurde vom Schwungrad
erfaßt und der Sohn, der ihn retten wollte,
wurde mitgerissen."
„Ja, du lieber Gott, dafür können wir doch
nichts. Wenn man sich darüber aufregen
wollte, käme man nicht weit. So etwas kommt
doch alle Tage irgendwo vor. Sterben ist nun
mal Menschenlos."
„Aber Herr Oberingenieur, wo bleibt denu
hier Ihre berühmte Kulturgemeinschaft??"
Der junge Ingenieur sah seinen Vorgesetzten
eigentümlich lächelnd an.
Der aber brummte ein paar Worte wie
„naseweiser Bursche" und ließ ihn stehen.
Instruktion.
Szene: Eine PoUzeistube in Militarten.
Leutnant: Also, lieber Kulicke, Sie hatten den
ehrenvollen Auftrag, dem fünfhundertsten Zeugen in
dem großen Miliiärprozeß, dem Arbeiter Müller,
ein bißchen auf den Zahn zu fühlen. Wie haben
Sie denn das gemacht?
Schutzmann: Ich habe ihn nur gefragt, ob er
Wert auf seine Stellung in der Fabrik legt, und
habe ihm klar gemacht, daß der Fabrikbesitzer ein
Patriot und Reserveoffizier ist.
Leutnant: Weiter nichts?
Schutzmann: Ich habe ihn dann darauf auf-
merksam gemacht, daß seine Kinder nun wohl kaum
in die Ferienkolonie mitgenommen werden könnten.
Leutnant: Sonst nichts?
Schutzmann: Und daun habe ich ihn gefragt,
ob er wohl denkt, daß er Zuchthausarbeit, die es
bekanntlich für Meineid gibt, lange wird leisten
können.
Leutnant: So! Na, der Herr Hal sich nämlich
über Sie beschwert. Er behauptet, Sie hätten ihm
Nippen- und Fauststöße angedroht.
Schutzmann: Ich bin empört über solch eine
schamlose Verleumdung! Ich habe ihm nur für den
Fall, daß er gegen das Militär zeugt, eine Viertel-
stunde auf einer Polizeiwache versprochen.
Leutnant: Weiter nichts? Das war ganz recht.
Aber merken Sie sich, lieber Knlicke: Was Sie auch
tuu — Sie dürfe» auf keinen Fall die Zeu-
gen eiuschüchteru, verstanden??
 
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