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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0299
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8471

Kriegsphilosophie.
Der Krieg ist ein notwendiges Übel! — Aber sind denn Übel not-
wendig?
Knut träumte von einem „ewigen Frieden"; doch die Zweckbestim-
mung des Menschen scheint „ewiger Krieg" zu sein. Der Philosoph
hat eben zu allen Zeiten die Menschen überschätzt.
Einer sagte: Ein Krieg reißt die Volker aus der Stagnation, belebt
die Liebe zum Vaterland, eint die Parteien, stärkt Mut, Ehre und
Willeuskrast der Nation.
Ein anderer sagte: Ein Krieg hemmt die Kultur, weckt niedere
Instinkte, schafft Sorgen und Seuchen.
Und ich legte beide Urteile auf die Wage der Menschheit — aber
ach, sie brach entzwei... die Last war zu groß.
Und ER sprach: „Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, segnet,
die euch fluchen — —"
Regimentsbefehl: Ev. Matth. 5, Vers 44, wird während des
Krieges außer Kraft gesetzt.
Es waren einmal zwei Völker, die waren so ideal gestimmt und
in der Kultur vorgeschritten, daß sie sich gegenseitig zu dauerndem
Frieden verpflichteten. Das brachten sie in 114 Paragraphen ins reine.
Bloß über den letzten Paragraphen konnten sie sich nicht einigen,
kriegten sich in die Haare und machten Krieg!
*
„Blut ist ein ganz besonderer Saft" — — Mit Verlaub, Herr
Goethe, er ist wohlfeiler als Brombeeren.

Zu der Eiseubahu--Vuchhaudlliug.


„Dcn,Vorwärts'wünschenSie,luciuHerr? Jawohl, damit kann ichjctztdieucu."
„Dann geben Sic mir auch den .Wahren Jacob'."
„Tut mir leid, — der muß nicht beliebt sein, denn er ist immer konfisziert.

-O o o

Am Stammtisch.
Es sitzen Philister gar mancherlei
Am Tisch bei der Kannegießere!;
Sic reden natürlich vom großen Krieg
Und jubeln ob jedem neuen Sieg.
Soweit schon recht; doch es schwillt der Kamm,
Sic werden gar zu schneidig und stramm.
Und schneiden in wildem Wortgefecht
Europas Landkarte neu zurecht.
Das Annektieren, das haben sie los.
Sie sind darin ganz erstaunlich groß.
Und ganze Länder stecken sie ei».
Als könnte das gar nicht anders sein.
Und selbslbewuudcrmd schaut sich um
Der Stammtischheld vor dem Publikum,
Er denkt, daß er Weltgeschichte macht
Und wird recht grimmig, wenn einer lacht.
Auch den Strategen wird unverweilt
An solchem Tisch weiser Rat erteilt.
Wie man die Massen noch schneller bewegt
Und gründlicher noch die Russe» schlägt.
Wie man Paris wohl an eincni Tag
Erobert mit einem großen Schlag,
lind wie man bei Helgoland oder im Sund
Die englische Flotte bohrt in den Grund.
Und fest glaubt jeglich Philisterlein:
Wie nützlich wird's dem Gencralstab sein.
Erfährt er die Weisheit, die hier wird gelehrt.
Und wenn er gewissenhaft danach verfährt.
Ja ja, du traute Philistcrschar,
Vcrsauf'dcn Verstand nur nicht ganz und gar.
Und statt zu teilen unnötig die Welt,
Verteil' an die Kriegsopfer Brot und Geld!
Sans tilur.

Die russische Kamarilla.
Sitzung des Geheimen StaatSratS vom 27.JMNSI4.*
Nennenkampf: Dieser elende Zar sträubt
sich noch immer gegen den Krieg, und ich habe
doch meinen Kosaken schon so lange ein Amü-
sement in Deutschland versprochen.
.Michael: Eroberungen möcht' er schon
machen, aber er fürchtet sich vor dem Kriege,
der Feigling.
Nikolaus: Er ist vor lauter Angst verrückt
geworden.
S sa sso n ow: Das kann so nicht weitergehen.
Michael: Wir brauchen dcn Krieg, um
unsere Schulden zu bezahlen.
Murawjew: Sie meinen die sechzehntau-
send Millionen, die wir den Franzosen schul-
dig sind?
Nikolaus: Ach was! Die sechzehntausend
Millionen sollen sich die französischen Börsen-
männer in Deutschland holen, wenn sie es nölig
haben. Ich brauche Geld, uni meine Spiel-
schnlden, meine Pferde und meine Weiber.zu
bezahlen.
Rennenkampf: Also zwingen wir den
Staatshanswurst, den Krieg zu provozieren.
Ssassonow: Wenn er aber durchaus nicht
will in seiner Angst?
Murawjew: Dann lassen wir ihn „fliegen".
Ssassonow: Ganz recht. Wozu haben wir
unseren Asew? Der hat schon so manchen
„fliegen" lassen.
* Wie die russische Hofkamarilla in einer geheimen
Staatsratssitzung den Krieg mit Deut chland durchsetzte,
darüber ist uns auf einem groben Umweg ein authen-
tischer Bericht zugegangen. Der geheime Staatsrat,
dessen Existenz der Öffentlichkeit bisher vollkommen
unbekannt war, besteht aus dcn GroMrfteu Michael
und Nikolaus, dem General Nennenkampf, den
Staatsmännern Ssassonow und Murawjew und
dein gewiegten Kriminalisten Asew.

Asciv: Wenn es die Staatsräson erfordert,
kann man ihn auch erdrosseln oder ihm den
Schädel cinschlagcn, wie cs bei Peter und Paul
geschehen.
Michael: Das ist umständlich. Fliegen lassen
ist besser. Asew muß es macheil, wie er es mit
dem Sergei gemacht hat.
Asew:-Mir soll's recht sein.
Ssassonow: Also — er fliegt!
Der Zar (erregt hercinstürzend): Wer fliegt?
Michael: Seine Majestät, der Zar aller
Reußen, Nikolausll., geruhen alsbald zu fliegen,
wenn Hochdieselben nicht alsogleich die Mobil-
machung gegen das Deutsche Reich befehlen.
Der Zar: Aber wenn wir von den Deutschen
geschlagen werden! Tie deutsche Armee. ...
Rennenkampf: Die deutsche Armee! Solch
eine Hasenseele! Die deutsche Armee fressen
wir auf deun Kraut.
Michael: Unterschreibe jetzt, daß die ganze
russische Armee mobil gemacht wird, oder wir
werden dir Feuer unter das Sitzfleisch machen.
Der Zar (weineud): Macht, was ihr wollt.
(Er unterschreibt.) Aber nun laßt mich zu meiner
Frau! (Er entflieht.)
Ssassonow: Nun hat er Zeit, wieder ein
Friedensmanifest zu schreiben. Hahaha!
Asew: Soll ich Bomben bereit halten?
Michael: Vorläufig nicht. Er hat ja unter-
schrieben.
Aseiv: Nun, mir anch recht. Sonst bin ich
immer bereit.
Murawjew: Behalten wir das Subjekt
noch. Eine bessere Marionette kriegen wir ja
doch nicht. Mit dieser können wir machen, waS
wir wollen.

vK vA d) W)
ML
 
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