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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0302
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8474

Die Internationale.

Eng standen Schulter wir an Schulter
Als Kampfgenoffen, treu vereint.
Ein Ziel nur gab's für unser Streiten,
Für alle nur den einen Feind:
Dem Geldsack, der die Völker knechtet,
Galt unser Ansturm, hier wie dort,
And mit dem gleichen Grimme kämpften
Wir gegen Krieg und Massenmord.
Jedoch des Molochs Macht zu brechen
Gelang so wenig uns wie euch.
And ehe wir es hindern konnten.
Durchbrach er rasend Damm und Deich!
Kosak und Turko an den Grenzen —
Da galt's zu schützen Haus und Herd,
Da gab's kein Zaudern und Bedenken:
In Notwehr griffen wir zum Schwert!

Soll Deutschland, innerlich zerrissen
Wie einst, Europas Spielball sein.
And wehrlos, mit gebund'nen Händen
Sich selber der Vernichtung weih'n?
O nein! In dem von mächt'gen Feinden
Ans plötzlich aufgedrung'nem Streit
Gab's eine Rettung nur und Losung:
Des ganzen Volkes Einigkeit!
And kommt der Tag, der heiß ersehnte.
Da Friedenspalmen freudig wehn.
Dann follt. Genossen aller Länder,
Ihr uns an eurer Seite sehn!
Dann tragen Deutschlands Proletarier,
Wie seit Jahrzehnten, Mann für Mann,
Im heil'gen Kampf für Recht und Freiheit
Das Siegesbanner euch voran!

Feldpostbriefe.
in.
Jeliebte Rieke! In Deine Briefe und Karten,
von denen ich bereits ein starkes Dutzend,
leider aber gänzlich ohne die geringsten Spuren
von einem genießbaren Inhalt, besitze, beklagst
Du Dir egal darüber, daß ich Dir immer
bloß von wegen langwierige Märsche und
ungewohnte Verpflegungen die Ohren voll-
klöne, über die von mir geschlagenen Schlach-
ten und erfochtenen Siege mir aber niemals
vernehmen lasse, und Du erlaubst Dir aller-
hand spitzige Bemerkungen und zweideutliche
Anzüglichkeiten, als wie wenn ich auch in
Feindesland weniger hinter die männliche als
vielleicht hinter die weibliche Einwohnerschaft
her wäre. Wenn Du aber glaubst, daß Du
mir mit sowas ärgern kannst, denn bist Du
gäuzlich schief gewickelt und ich bedaure Dir
auf das schmerzhafteste. Ich habe Dir von
meine bisjetzigen Ereignisse alles berichtet, was
mir für Dir zuträglich erschien, aber ich wollte
Dir nebenbei schonen, indem ich weiß, daß
das schwache weibliche Gemüt auf die natur-
getreue Schilderung von kriegerische Vorgänge
und blutige Greueltaten meistens sauer zu
reagieren pflegt — wie unser Lazarettgehilfe
sich ausdrückt. Und ich werde mir in diese
ritterliche Rücksichtnahme auch durch Deine
ausgesuchte Bosheiten nicht beirren lassen,
sondern egal Kavalier bleiben, wie sich das
für einen Garde-Grenadier von selbst versteht.
Wenn Du aber ein Bild von meine bisher
begangenen Heldentaten genießen willst, denn
wende Dir gefälligst an meinen Korporalschafts-
sührer, den Herrn Sergeanten Lehmann. Dieser
hochgebildte und wahrheitsgetreue Militär wird
Dir bestätigen, daß ich erst vorigte Woche, wo
ich auf Vorposten stand, zwei englische Kaval-
lerieschwadronen umzingelt und eigenhändig

gefangen genommen habe, nachdem es mir kurz
vorher gelungen war, drei belgische schwere
Artilleriegeschütze durch einen Handstreich voll-
ständig aufzureiben. Von die zahlreichen fran-
zösischen Festungen, die sich bei meinem bloßen
Anblick gleich übergeben haben, schweige ich
aus Bescheidenheit. Daß ich das Eiserne Kreuz
trotzdem noch immer nicht erhalten habe, da
wundert sich ja das ganze Armeekorps dar-
über, aber ich habe die Vermutung, daß sie
mir durch Verleihung der zweiten Klasse zu
beleidigen fürchten und daher meine Taten so
lange ansacken lassen, bis die erste Güte fällig
geworden ist. Diese Andeutungen werden hof-
fentlich genügen, um Dir in Betreff von meine
mangelnde Tapferkeit die Luken zu öffnen!
Deine zweite Beleidigung von wegen das
hiesige Weibervolk erscheint mir besonders krän-
kend, indem ich doch aus freien Stücken am
Tage vor dem Ausmarsch meine feierliche Not-
verlobung mit Dir vollzogen habe, die uns beide
auf Lebenszeit in trene Liebe vereinigen soll!
Ich kann mir, was die Mädchen anbetrifst,
natürlich nicht auf den Sergeanten Lehmann
berufen, da ich als Kavalier nicht gewohnt bin,
bei den Verkehr mit diesen Zeugen zuzuziehen,
und ich muß es Dir deshalb überlassen, ob Du
meine angeborene Glaubwürdigkeit vertrauen
willst, oder meinetwegen auch nicht, ganz wie
es Dich belieben tut! Um Dir aber diesen letz-
teren Fall zu erleichtern, versichere ich Dir auf
mein militärisches Ehrenwort, daß ich in Fein-
desland überhaupt noch keine Mädchen nicht
zu Gesichte bekommen habe! Einmal glaubten
wir allerdings gleich ein ganzes Regiment weib-
liches Geschlecht vor uns zu sehen, bei nähere
Untersuchung stellte sich aber heraus, daß es
man bloß eine besondere Sorte englisches Mili-
tär ivar, die mit schottisch karierte Unterröcke
bekleidet sind, wie Deine Freundin Aujuste sie
leider auch zu tragen pflegt. Der Sergeant Leh-

mann instruierte uns, daß diese englische Trup-
pen wahrscheinlich die berühmten Saufregatten
sind, die in London stehen, wo sie die polizei-
liche Erlaubnis haben sollen, auch in Friedens-
zeiten Bomben zu schmeißen.
Dieses waren also die einzigsten Mädchen,
die mir bis jetzt aufgestoßen sind. Aber auch
wenn dieselben weiblichen Geschlechts gewesen
wären, hätte ich von ihnen keinen Gebrauch
machen können. Denn der körperliche Zustand
des Feldsoldaten ist vermittelst der ewigen
Gewaltmärsche für die Liebe gänzlich unge-
eignet. Außerdem wirst Du wohl noch aus
Erfahrung wissen, daß ich mir bei das weib-
liche Geschlecht durch die äußerliche Erschei-
nung niemals nicht bestechen lasse, sondern vor
allen Dingen auf das innerliche Gemüt sehe.
Für die Betätigung des letzteren bietet sich
aber nicht die geringste Gelegenheit in einem
Lande, wo es weder Rauchwurst, noch Eis-
bein, noch Spickgänse gibt.
Du wirst also cinsehen müssen, daß Du mir
unrecht getan hast und mir wieder besänftigen
mußt. Dazu bietet sich gerade jetzt eine günstige
Gelegenheit, indem daß ich neulich von die
neuen Darlehenskassenscheine gelesen habe, die
jetzt bei Euch zu Hause in kolossale Massen
vorhanden sein sollen und von die wir uns
hier gar keine Vorstellung nicht machen können,
wie sie wohl aussehen mögen. Wenn Du also
mir in Deinem nächsten Feldpostbrief eine
größere Auswahl von diese Exemplare vor-
legen wolltest, so darfst Du Dir darauf ver-
lassen, daß ich Dir nischt übelgenommen habe.
Mit diese Zuversicht bleibe ich in ewige Liebe
Dein bis in den Tod getreuer Notbräutigam
August Säge jun., Garde-Grenadier.
dl8. Es empfiehlt sich, die obigen Darlehens-
kassenscheine sofort abzuschicken, da die Feld-
post leider einen sehr langwierigen Betrieb hat.
 
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