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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0368
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' - - 8540 -

Aus der Düne.

Die Küstenwacht.


Erloschenes Licht.
Von Ernst Preczang.
Ich stand am Meer, als jene Knnde kam.
Vor der die Menschheit einen Atemzug,
Gebannt in dunkles Grauen, angstvoll schwieg.
Vor jener Kunde, die mit erz'ner Land
In Lirn und Lerzen griff und zornigrot
Das Antlitz färbte oder schreckensbleich:
Krieg! ... Krieg! ...
Auf's sommerliche Meer sah ich hinaus.
Wo schimmernd in dem letzten Glanz der Sonne
Die weißen und die braunen Segel schwebten.
Wo bärt'gc Fischer ihre Netze hoben
Und in das breite Boot den Silbersegen
Der dunklen Tiefe zappelnd gleiten ließen.
Und Schiffe sah ich, deren Niesenschlot
Qualmwolken ausspie in das Abendrot,
Und Menschen trugen, die mit Tüchern winkten
Und froh herüberjauchzten nach dem Ufer.
. . . Sie wußten es noch nicht. . .
Und als die Flut den gold'nen Sonnenball
Tief in sich sog und graue Dämmerung
Vom Osten her die dunklen Flügel reckte,
Schoß einmal noch ein jäher Strahlenkranz
Im Westen ans und zuckte blutig rot.
Griff wie mit Fingern einmal noch zur Löhe,
Und sank zusammen, dunkelte und starb . ..
Und wieder stand am Ufer ich. Und schaute
Zum Turm hinüber, der das Feuer trägt.
Wenn sich die Sonne von uns abgewendet

Und tief in Schatten bettet Land und Flut.
Sonst flammte gelb es wie ein Blitz hervor
Und zückte seine Strahlen in die Nacht
Und glänzte ihnen, die da draußen irrten.
Pfadweisend in die Nacht: Lier ist der Weg!
Lier ist der Pfad zum fiurmgeschützten Lafen,
Der klippenfreie Weg zu Ruh und Rast.
Und Mast und Segel, die sich tief im Winde
Der dunklen Stunden knarrend niederbogen,
Und Dampfer, deren keuchende Maschinen
Die Schrauben rauschend bohrten in die Flut —
Sie lenkten ihren Kiel zu jenem Licht,
Das freundlich winkend seine Strahlen sandte.
Das sie aus Sturm und Seenot, Angst und Tod
Erlöst zum ankersichren Lafen führte.
Nun aber: lichtlos stand der ferne Turm
Und rings im Dunkel strudelte die See.
Wer draußen auf zerbrechlich-dünnen Planken
In Sturm und Nöten trieb, er sah kein Feuer
Und irrte ziellos in der Finsternis
Und ratlos tastete die Land am Steuer.
Ein alter Schiffer sprach: „Dat is de Krieg!"
Sein rauhes Antlitz starrte in das Dunkel:
„Kummtjetzt de Feind, find't hei den Laven nich
Und unse lütten Lüsings bliewcn stahn.
Wie aber mag dat unse Schippers gähn?
De driewt da buten in Gefohr und Not."
Er schüttelte den Kopf: „Dat Fücr dot!!"
Und wiederum stand ich am Meer. Da flog
Die erste Kunde von den Waffenplähen,
Die wie ein Rausch in alle Köpfe stieg;

Die alle Augen freudig funkeln machte
Und stolz lebendig sprang von Lipp'zu Lippe:
Sieg! ... Sieg! ...
Loch stand die Sonne noch am blauen Limmcl
Und spiegelte sich in der weiten Flut;
Sie ließ die weiß und braunen Segel schimmern
Und glitzerte auf schaumgekrönten Wellen
Und flimmerte im gelben Dünensand
Und leuchtete im Rot der Siegesfahnen.
Ein grauer Niesenpanzer zog die Bahn
Am Lorizont.. . Doch meine Augen sahn
Tiefinnerlich landeinwärts nach den Grenzen;
Nach jenen Stätten, da der Sieg geboren.
Wo Kraft und Zorn und grimmiges Leldcntum
Der Völker sich in schwerem Schlag entlud;
Sahn niederbrechen viele Tausend Leben,
Sahn Augen, die nun blind ins Sonnenlicht,
Tot in den heiterblauen Limmel stierten;
Sahn Lände, die sich in die Lickerschollen
Voll Schmerz gekrampft, sahn viele Tausend
Lerzen,
Die einmal noch anfschrien in dumpfer Qual,
Noch einmal zuckten und dann seufzendstarben...
Die Sonne leuchtete. Doch finster schien
Mir Flut und Land. Grau stand der Fcuerturm
Im Glanz des Tages wie ein toter Strich.
Die bunten Fahnen schienen schwarzumflort,
Und auf den Wellen schäumten blanke Tränen,
Und Eins nur war in mir: Das ist der Krieg!
Das ist derKrieg: ein sturmgepeitschtcr Gischt,
Vor dem das Licht vieltausendfach erlischt.
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