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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0370
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-—8542

Hamborg bei St.Pauli,
im fünft. Kriegsmonat.
Werte Redakschon!
„Gu'n Tag ok!" —
„Gu'n Dag!" — „Herr
Claus Swartmuul?"
— „Derselbigte!" —
„Sie gestatten wohl,
daß ich Ihnen einen
Vorschlag unterbrei-
te?" — „Man tau?"—'
Damit fing die Ge-
schichte an, die mir höllisches Mißvergnügen
bereitet hat und die ich jetzt in die verschwie-
genen Ohren von die Redakschon
flüstern will mit die Bitte, mich
nicht zu blamieren.
Also den einen Vormittag, ivo
es recht neblig war und ich von
meine Küminsel aus kaum die
Stengen von die nächstgelegenen
Finkenwärder Fischerewer unter-
scheiden konnte, kommt dieser
Mensch in mein Lokal. Orn'lich
befahren sah er ja aus und die
Näse zeugte von viel darum ge-
pfiffenen Wind und so, was mich
gleich zuverlranlich machte. Wor-
auf der Fremde sich zu erkennen
gab als der ehemalige Kappen
Slnkemdal von dem Schoner „For-
tuna", wo in die Torresstraße
Perlenfischerei und „sonst was"
getrieben hat und auf Strand
gesetzt werden mußte, weil ein
„Fischereischutzfahrzeug" einmal
achterher war und die Papiere
sehen wollte. Darauf haben Krip-
pen Slnkemdal und seine Mann-
schaften ein paar Jahr lang auf
eine unentdeckte Insel unter die
Menschenfresser gewohnt; dann
haben sie auf funkentelegraphi-
schem Wege von dem Weltkrieg
gehört und sind abenteuerlich nach
Batavia und von da nach Ham-
borg gelangt, uni mit ihre nau-
tischen Erfahrungen dem deutschen
Vaterland auf die Strümpfe zu
helfen. Das heißt, sie sind nur
noch drei, denn die andern sind
teils von die Wilden ausgefressen, teils von
die Mynheers zurückgehalten worden.
Dieses war aber nur die Einleitung zu die
Hauptsache, nämlich zu dem Vorschlag, unter
die bewährte Führung von Käppen Slnkemdal
ein Kaperfahrzug gegen Engelland auszu-
rüsten. In Ansehung meiner weltberühmten
nautischen Kenntnisse und Klugheit, wo auf
allen fünf Hemisphären durch den „Wahren
Jacob" bekannt geworden sei, möchte Käppen
Slukemdal mich gern als ersten Maat an Bord
von das Kaperschiff „Ulsinento rnori" haben.
Dann wolle er engelsche Schiffe nur so ein-
heimsen und nach Hamborg bringen als gute
Prise, und das sei noch ein Geschäft in diesen
schlechten Zeiten, wo mehr einbringe als die
Perlenfischerei. Inzwischen hatten wir jeder
fünf Grog und ich sagte, ich wolle mir die
Teilhaberschaft beschlafen.
Am andern Tag kam Käppen Slukemdal
richtig wieder, aber mit seine zwei alten Perlen-

fischers, und denen ihre Näsen hatten eben-
soviel Wind gespürt wie dem Käppen seine.
Das Gespräch war sehr nautisch und beim
sechsten Grog verhandelten wir schon die Frage,
wie wir zu das weltberühmt werdende Kaper-
„Neraento rnori" kommen sollten. Da fiel der
Blick von dem Käppen auf den aufkommenden
Finkenwärder Ewer „Anna Margareta", wo
einer von die neumodischen ist mit eingesetztem
Motor. „Dieses wäre was!" sagte der Käppen.
„Dieses dortige Schiff mit zwei Geschütze im
Bug und Stern und zehn Mann — da trotzen
wir die ganze engelsche Flotte und nehmen
vor ihren sichtlichen Augen die Kauffahrers

weg! Weißt du noch, Hein, wie wir in der
Torresstraße den Engelsmann enterten und
uns fast lahm schleppten mit alle die Gold-
kisten?" — „Feine Sache, Käppen," entgegnete
Hein, „aberst ich denke ebent daran, daß wir
den versprochenen Grog noch zu gute haben."
Diesen Wink begreifend, schenkte ich noch mal
ein. Alsdann gingen die drei Perlenfischers
unbezahlter Weise davon, mit Hinterlassung
des Auftrags, daß ich mich nach dem Preis
von die „Anna Margareta" erkundigen sollte;
sie wollten derweil nach die notwendigen Ge-
schütze Ilmschau halten.
Bei die Zusammenkunft am nächsten Tag
konnte ich berichten, daß der Finkenwärder
Ewer 12000 Mark kosten sollte, worauf die
Perlenfischers entgegneten, sie hätten auch
passende Kanonen im Auge und ich solle nur
den Ewer kaufen; er sei billig und ein rechtes
Kaperschiff für die kommende Benebelung der
Nordsee. Dann machten wir aus, wie die

Prisengelder verteilt werden sollten, nämlich
ein Viertel für den Käppen, ein Fünftel für
mich und der Rest gleichmäßig unter alle, wie
das die alten Seeräuber auch machten. Nach
ein paar Tage war ich Besitzer von dem Ewer
gegen Abgabe von einem gleichwertigen Haus-
posten, und Käppen Slukemdal hatte die Ge-
schütze, wo kommen sollten, wenn sie erst noch
richtig blank geputzt seien. Dabei genossen wir
jümmers einige Grog und machten Plänö) wie
wir die engelschen Schiffe entern wollten.
Auf einmal kamen die Perlenfischers nicht
mehr, und als ich mich beunruhigt bei die
Polizei erkundigte, zeigte mir einer im Ver-
brecheralbum eine Photogenste,
und diese war Käppen Slukemdal,
wo aber gar kein Seemann, son-
dern ein geborener Leineweber
aus Schlesien ist.
Jetzt sitze ich da mit dem Ewer
„Anna Margareta", wo „Lls-
wsnto nwrl" heißen und die
Engelschen von die Nordsee ver-
treiben sollte. Indessen ist der
Plan von Käppen Slukemdal gut
und ich nehme freiwillige Kaper-
schiffer an, wo aber Kanonen mit-
bringen müssen. Mit Dank an die
Redakschon für Veröffentlichung
dieses Aufrufs grüßt todesmutig
Claus Swartmuul,
Führer des Kaperschiffs „LIewsnto
rnori" (mit Schädel und Toten-
knochen in der Flagge).
OS
Auf Vorposten in den
Vogesen.
Von einem befreundeten Land-
wehrmann, der im Felde von
seinem photographischen Apparat
fleißigen Gebrauch macht, sind
uns dis beiden nebenstehenden
Bilder zur Verfügung gestellt und
die nachstehende Beschreibung da-
zu gegeben worden:
Das würtlembergische erste
Landwehrregiment 119 ist seit
Anfang des Krieges von der
Heimat fort. Auf harte, heiße Tage und Nächte
mit großen Märschen und heftigen Kämpfen
ist jetzt eine etwas ruhigere Zeit gefolgt. Das
soll nicht etwa heißen, baß wir jetzt müßig an
den Vogesen stehen, sondern die Aufgabe, Vor-
posten zu stellen, fordert auch heute noch von
jedem einzelnen Mann seine volle Kraft und
seine gespannteste Aufmerksamkeit. Da nun die
naßkalte Witterung eingetreten ist und der
Winter merklich näher rückt, so werden auch
in gesundheitlicher Beziehung hohe Anforde-
rungen gestellt.
Der Unterstand, den wir zu unserem Schutz
errichtet haben, war natürlich zu Anfang noch
nicht das, was er jetzt ist. Er wurde als Pro-
visorium aufgebaut und es zog zu allen Ecken
herein. Mit der Zeit und unter großen Schwie-
rigkeiten ist er so geworden, wie ihn die Bilder
zeigen. Aus dem nächstgelegenen Dorf konnte
zuletzt noch ein Ofen requiriert werden, so daß
unsere Höhle jetzt ganz wohnlich ist.


Heimatlos.


Das wiederholt gebrochene Völkerrecht ist jetzt als lästige Ausländerin auf eine
wüste Insel ausgewieseu worden. Dort hat es Zeit, über die Zwecklosigkeit seines
Daseins nachzudenken.
 
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