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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0372
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Des Lebens Preis.

Die Frau des Kriegers sitzt zu Daus
And rechnet ihren Einkauf aus:
Kartoffeln, Graupen, Speck und Brot.
Gottlob, noch hat es keine Not.
Noch konnte sie zum Markt, jedoch
Die Kaffe hat ein großes Loch.
Die Preise klettern affenslink,
Knd kostbar wird so manches Ding
Im Laushalt jetzt wie Edelstein —
Sonst kaufte man's zur Lcilfte ein.
Die Lausfrau grübelt und addiert.
Bis sorgenvoll sie konstatiert:
„Was hilft mir schon die Rechnerei;
Es wird nichts billiger dabei."
Legt's Büchlein fort und seufzt mit Bebeu:
„O Gott, wie teuer ist das Leben!"
---o O O

Der Krieger steht im Kampf da draus
Llud ficht in einem blut'gen Strauß.
Die Schlacht tobt iu der Ebene rings.
Granaten hagelt's rechts und links.
Gewehre knattern rasch und hell;
Loch überm Laupt Pfeift ein Schrapnell.
Die Blitze flammen lang nnd rot;
Aus tausend Schlünden sprüht der Tod.
Signale gell'n; die Trommel schallt:
Znm Stnrm! And dann: Das Ganze halt! ..
Errungen ist der Sieg. Jedoch:
Wie manche Lücke, manches Loch
Klafft in den Rechn! Der Krieger sinnt.
Er denkt an Mntter, Weib und Kind.
And tief empor ringt sich's mit Beben:
„O Gott! Wie billig ist das Leben!"
Pan

Ein Feldpostbrief an den Wahren Jacob.

M., 7. 11. 14.
Wir liegen hier vor Toul und warten auf
die Zweiundvierziger, um daun den allgemei-
nen Angriff zu machen. Ohne dieselben geht's.
nicht recht vorwärts, denn die Franzosen haben
sich hier in den Argonuen fest verschanzt, und
jeder Schritt vorwärts kostet uns viele Tote.
Wir sitzen hier heute abend in unserem Be-
reitschaftsquartier uud warten auf die Post.
Es ist 7 Uhr abends, die Postvrdonnanz ist
in Sicht, und nun gibt's gewöhnlich freudige
Gesichter und traurige, denn da es hier
mit der Post sehr hapert, so muß man ge-
wöhnlich sehr lange um Nachricht von zu
Hause warten. Aber heute schei-
nen wsp ein außergewöhnliches
Schweiz zu haben, denn heute hat
jeder etwas bekommen. Einer hat
paar Zeitungen, ein anderer die
Illustrierte, und schnell gehen die-
selben von Hand zu Hand. Ein
Kamerad hat auch eine Zeitschrift
bekommen. Er hat sich mit derselben
etwas zurückgezogen; doch plötzlich
rollen Träne» aus seinen Augen.
Ich gehe zu ihm hin, und da sehe
ich zu meiner größten Freude, daß
er den Jacob in der Hand hält.
Er reicht mir ein Blatt desselben
hin mit den Worten: hier hast du
den ganzen Krieg im Bilde! Das-
selbe stellt eine Frau dar iu einer
Dachkammer au der Nähmaschine,
zu ihren Füßen ein paar Kinder.
Ter Briefträger geht gerade fort,

er hatte die letzte Nachricht von ihrem Gat-
ten gebracht: „Gefallen". Wie vielen Ange-
hörigen von unseren toten Kameraden ist es
schon so ergangen, und wie vielen von uns
wird's noch so ergehen. Es herrscht eine laut-
lose Stille in unserer Hütte, so etwas sind
wir hier noch nicht gewöhnt gewesen. Illu-
strierte und die anderen Zeitungen liegen in
der-Ecke, ein jeder hat ein Blatt vom Jacob
in der Hand, und so mancher legt's mit wässe-
rigen Augen aus der Hand, um ein freige-
wordenes zu lesen, und ich glaube, dieser eine
Jacob hat mehr genützt und agitiert wie so
manche Volksversammlung. Sogar unserem

Oberleutnant haben wir denselben gegeben,
und eine halbe Stunde hat er in demselben
gelesen, denn er ist auch verheiratet und hat
Frau und Kind zu Hause.
Unsere Kompagnie ist schon sehr gelichtet,
und wer weiß, ob wir noch unsere Heimat,
unser Weib und Kinder Wiedersehen werden;
denn wenn es hier zum Sturm kommt, dann
gibt's in Deutschland Tausende von Witwen
uud Waisen mehr —-- —
Bücher wie „Die Waffen nieder" von Suttner
oder „Das Menschenschlachthaus" sind nichts
gegen den jetzigen Krieg. Dieser
Krieg wird Spuren in der Welt
zurücklassen, die nicht so leicht zu
verwischen sind, und hoffentlich
wird es zum letztenmal möglich ge-
wesen sein, solch ein furchtbares
Blutbad zustande zu bringen. Sollte
mein Leben hier auch draufgeheu,
so will ich ruhig sterben, mit der
Hoffnung und Gewißheit in der
Brust, daß nach dieser Dunkelheit
auch das lang ersehnte Morgenrot
kommen muß, wie der Morgen
auf die Nacht folgt.
In der Hoffnung, daß auch
dieser Krieg uns einen Schritt in
der Menschheit vorwärts bringen
muß, verbleibe
herzlich grüßend
Musketier


Auf Vorposten. Zeichnung von F. Mock.
 
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